Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann hat den 22. Ordentlichen Bundeskongress des Deutschen Gewerkschaftsbundes eröffnet. An dem fünftägigen Kongress nehmen 400 Delegierte aus den acht Mitgliedsgewerkschaften sowie zahlreiche Gäste aus dem In- und Ausland teil. Die Delegierten debattieren über rund 60 Anträge, beschließen die politischen Leitlinien der Gewerkschaften und wählen für die nächsten vier Jahre einen neuen DGB-Bundesvorstand.
Zu den prominenten Gästen zählen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sowie die Regierende Bürgermeisterin Berlins Franziska Giffey.
Unter dem Eindruck der schrecklichen Ereignisse in der Ukraine verurteilte Reiner Hoffmann in aller Schärfe den Angriff Russlands auf die ukrainische Nation als menschenverachtend. „Dieser Angriff fordert schon jetzt Tausende Opfer, Millionen sind auf der Flucht, Landschaften vollkommen zerstört. Die Folgen und Auswirkungen werden uns noch Jahre beschäftigen“, zeigte sich Hoffmann erschüttert. Er verwies auf die besondere historische Verantwortung der Gewerkschaften als fester Bestandteil der Friedensbewegung. Dennoch zeige der russische Angriffskrieg, „dass unsere Sicherheitsarchitektur nicht ausreicht, um solch eine Brutalität zu verhindern oder zu stoppen. Wir brauchen in Europa eine neue Verteidigungs- und Sicherheitsarchitektur, damit wir ohne Angst in Frieden und Wohlstand auch in Zukunft leben können“, so Hoffmann.
Mit dem Motto des Kongresses „Zukunft gestalten wir“ formulierten die Gewerkschaften ihren Anspruch, aber auch ihr Selbstverständnis, stimmte Hoffmann Delegierte und Gäste auf den Kongress ein. Der rasche sozial-ökologische und digitale Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft für eine klimaneutrale Energieversorgung sei noch herausfordernder und zugleich dringlicher geworden. „Wir müssen unsere Abhängigkeiten überdenken, nach Alternativen suchen. Wir dürfen keine Zeit verlieren“, machte der Vorsitzende klar.
Die Herausforderungen werde man nur mit einem glaubwürdigen Wohlfahrts- und Sicherheitsversprechen bewältigen können, so Hoffmann, mit einem „Sozialstaat der Transformation“. Hier identifizierte der Vorsitzende zahlreiche Baustellen, allem voran eine gerechtere Finanzierung des Sozialsystems. Dafür müsse auch das Steuersystem angepasst werden. „Wir wollen die Transformation so gestalten, dass sie sozialen Fortschritt und Sicherheit für alle mit sich bringt.“
Die Grundwerte der Gewerkschaften, ihr Gestaltungswille und ihre Gestaltungsmacht seien dabei ebenso entscheidend wie ihre internationale Geschlossenheit. Nur eine solidarische und geeinte Gewerkschaftsbewegung sei auch in der Zukunft gestaltungsfähig. „Gute Arbeit, Soziale Sicherheit und eine faire Globalisierung sind unser Leitmotiv!“ eröffnete Hoffmann den Kongress.
In seiner Rede würdigte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den 8. Mai als Tag der Dankbarkeit, des Erinnerns und als Tag der Mahnung. „Aber heute, an diesem 8. Mai, ist der Traum des gemeinsamen europäischen Hauses gescheitert; ein Albtraum ist an seine Stelle getreten. Dieser 8. Mai ist ein Tag des Krieges“, so der Bundespräsident. „Dieser Krieg ist ein Epochenbruch. Er hat viele unserer Gewissheiten der letzten Jahrzehnte in Frage gestellt oder schon hinweggefegt.“ Eindringlich rief er dazu auf, die Demokratie zu schützen und zu verteidigen. Steinmeier dankte dem DGB und seinen Einzelgewerkschaften für ihre Hilfe für die Menschen aus der Ukraine: „Ich bin bewegt von Ihrem Engagement und Ihrer Solidarität, die unser Land zusammenhält.“
Zur Rolle der Gewerkschaften in der Krise sagte Bundespräsident Steinmeier: „Starke Gewerkschaften, Betriebsverfassung, Mitbestimmung, Verantwortung in der Sozialpartnerschaft, all das hat unsere Demokratie über viele Jahrzehnte stabil gemacht. Schauen Sie selbstbewusst auf Ihren Beitrag zum Gelingen der Demokratie in unserem Land!“ Der Bundespräsident rief dazu auf, um die besten Lösungen zu ringen und dafür Mehrheiten zu suchen: „Das ist der Kern der Demokratie. Eines dürfen wir dabei nie aus den Augen verlieren: dass die nicht auf der Strecke bleiben, die mit dem Wandel nicht so leicht Schritt halten können. Der Umbau wird nur gelingen, wenn die Schwächeren etwas zu gewinnen haben.“
Die Regierende Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey, wandte sich in ihrem Grußwort an Gäste und Delegierte: „Ich freue mich, dass Berlin wieder der Ort ist, an dem das ‚Parlament der Arbeit‘ mit so vielen engagierten Kämpferinnen und Kämpfern für Solidarität zusammenkommt. Wir befinden uns mitten in großen Umbrüchen: Globalisierung, Digitalisierung, Krieg und Klimakrise verändern unsere Wirtschaft und die Arbeitswelt tiefgreifend. Um die Herausforderungen zu meistern, brauchen wir einen handlungsfähigen Staat, eine starke Wirtschaft mit fairen Löhnen und guten Arbeitsbedingungen. Für all das ist und bleibt das Engagement der Gewerkschaften unverzichtbar. Überall dort, wo das Land Berlin Verantwortung trägt, setzen wir uns für Gute Arbeit und ein solidarisches Miteinander ein. Die Anhebung des Landesmindestlohns auf 13 Euro ist beschlossen, für den Sommer planen wir die Erhöhung des Vergabemindestlohns auf ebenfalls 13 Euro. Unsere Tariftreueklausel ist bundesweit einmalig, weil sie für alle Wirtschaftsbereiche gilt. Mit unserem neuen Online-Tariftreueregister schaffen wir Transparenz und Übersichtlichkeit. Der Berliner Senat steht fest an der Seite der Gewerkschaften!“
Foto/Text DGB