An der Universitätsmedizin Magdeburg wird eine interdisziplinäre Forschungsinitiative gestartet, um innovative Zell- und Immuntherapien zu entwickeln.
Ziel des Forschungsprojekts „ZELL-THEMA“ ist es, neuartige Zell- und Immuntherapien noch sicherer, effektiver und für schwerkranke Patientinnen und Patienten mit Krebs- sowie Autoimmunerkrankungen breiter verfügbar zu machen. Im Rahmen dieses zukunftsweisenden Projektes werden an der Universitätsmedizin Magdeburg die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Zellprodukten verbessert, neue Therapeutika entwickelt und Produktionsprozesse optimiert, wobei ein klarer Fokus auf standortübergreifender Zusammenarbeit liegt. Langfristig sollen die entwickelten Therapieverfahren in die klinische Versorgung überführt und neue Behandlungsstandards etabliert werden. Die Förderung für die nächsten drei Jahre in Höhe von knapp 5 Millionen Euro erfolgt durch das Wissenschaftsministerium Sachsen-Anhalt aus Mitteln für die Förderung von Forschung und Innovation des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).
„Das zugrundeliegende Prinzip von Zell- und Immuntherapien besteht darin, das körpereigene Immunsystem so umzuprogrammieren, dass es bösartige Zellen selbstständig erkennt und bekämpft“, erklärt Prof. Dr. med. Dimitrios Mougiakakos, Direktor der Universitätsklinik für Hämatologie, Onkologie und Zelltherapie Magdeburg und Leiter des Forschungsprojekts. Doch was so simpel klingt, beruht auf komplexen Prozessen der Immunabwehr und beschäftigt die Wissenschaft weltweit bereits seit Jahrzehnten. Der Experte für Zell- und Immuntherapien erläutert: „Die Fortschritte in diesem Bereich, insbesondere durch Verfahren wie die CAR-T-Zelltherapie, sind bemerkenswert. Sie hat sich bereits bei der Behandlung von bestimmten Blut- bzw. Lymphdrüsenkrebserkrankungen, wie der akuten lymphatischen Leukämie, bewährt und bietet nahezu unbegrenzte Anwendungsmöglichkeiten. In Magdeburg konnten wir bereits erste international sichtbare Erfolge bei der Übertragung dieser Therapie auf Autoimmunerkrankungen wie die Myasthenia gravis, eine schwere Muskelschwäche, erzielen. Die in Magdeburg weltweit erste so behandelte Patientin, die auf den Rollstuhl angewiesen war, kann heute über ein Jahr nach der Zelltherapie wieder normal laufen und nimmt keine Medikamente mehr.“
Prof. Mougiakakos hat die so genannte CAR-T-Zell-Therapie als einer der ersten Mediziner in Deutschland klinisch eingesetzt und ist maßgeblich an einer Vielzahl von klinischer und präklinischer Arbeiten zu Wirksamkeit und Verträglichkeit beteiligt. Er unterstreicht das enorme Potenzial dieser Forschung: „Mit den neuen Ansätzen schaffen wir in Magdeburg die Grundlage für die Weiterentwicklung von Zell- und Immuntherapien. Unser Ziel ist es, nicht nur bestehende Therapien zu verbessern, sondern auch neue Anwendungsgebiete zu erschließen – insbesondere im Bereich der Autoimmunerkrankungen.“ Die Vernetzung von Wissen und Technologien auf regionaler und überregionaler Ebene sei dabei entscheidend. „Das Universitätsnetzwerk, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen wie beispielsweise das Max-Planck-Institut für Verfahrenstechnik und das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen, aber auch die länderübergreifende Zusammenarbeit mit Forschungsverbünden in Sachsen und Thüringen sowie Partnern aus der Industrie, bieten ideale Voraussetzungen für gemeinsame Entwicklungsprojekte. Dadurch schaffen wir in dieser Region ein einzigartiges Ökosystem, das die schnelle Translation von Forschungsergebnissen in klinische Anwendungen ermöglicht und einen wesentlichen Beitrag zur personalisierten Präzisionsmedizin leistet.“
Auch die Dekanin der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Prof. Dr. Daniela Dieterich, unterstreicht die Bedeutung des Projekts: „Diese Förderung ist ein weiterer Beleg für die herausragende Forschungsarbeit an der Universitätsmedizin Magdeburg. Unsere Expertise in den Bereichen Immunologie und Neurowissenschaften bildet die ideale Grundlage, um das Projekt erfolgreich voranzutreiben und die national sowie international anerkannte Position der Universitätsmedizin Magdeburg in dem hochinnovativen Feld der Zell- und Immuntherapien weiter zu stärken. Durch unseren interdisziplinären Ansatz schaffen wir zudem neue Möglichkeiten für den Wissens- und Technologietransfer auch über Ländergrenzen hinweg. So legen wir den Grundstein für zukünftige Innovationen und verbessern langfristig die Behandlungsmöglichkeiten für unsere Patientinnen und Patienten.“
Sachsen-Anhalts Wissenschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann erklärte: „Die Universitätsmedizin Magdeburg leistet bereits heute insbesondere in den Bereichen Immunologie und Neurowissenschaften erstklassige Forschungsarbeit. Diese erfolgreiche Entwicklung wollen wir in den kommenden Jahren weiter konsequent seitens des Wissenschaftsministeriums unterstützen, indem wir ambitionierte wie vielversprechende Forschungsvorhaben finanziell fördern. Wir stärken damit neben der Innovations- auch die Wettbewerbsfähigkeit des Unimedizinstandorts Magdeburg vor allem im Ringen um kluge Köpfe nachhaltig.“
Das Forschungsprojekt konzentriert sich auf drei zentrale Schwerpunkte:
- Herstellung und Optimierung von Zelltherapien: Eine Plattform zur Herstellung von Zellpräparaten wird aufgebaut, um die Effizienz und Qualität der Produktion zu steigern. Besonders im Fokus stehen CAR-T-Zellen, die für klinische Studien und experimentelle Anwendungen in hoher Qualität bereitgestellt werden sollen. Diese Plattform erleichtert die standortübergreifende Zusammenarbeit.
- Anwendung von CAR-T-Zellen in klinischen Studien: Das Projekt zielt darauf ab, klinische Studien zu konzipieren und die CAR-T-Zelltherapie dabei nicht nur in der Krebsbehandlung, sondern auch für Autoimmunerkrankungen wissenschaftlich zu untersuchen.
- Verbesserung der Wirksamkeit und Verträglichkeit von Zelltherapien: Ein Schwerpunkt des Projekts ist es, Zelltherapien noch wirksamer und besser verträglich zu machen. Aufgrund der ausgewiesenen Expertise des Forschungsstandorts Magdeburg liegt ein besonderer Fokus unter anderem darauf, herauszufinden, wie diese Zell- und Immuntherapien das Gehirn und die geistige Leistungsfähigkeit beeinflussen.
Hintergrund CAR-T-Zelltherapie:
Die CAR-T-Zelltherapie ist bereits an der Universitätsmedizin Magdeburg gut etabliert. Bei dem Verfahren handelt es sich um eine zelluläre Immuntherapie zur Behandlung von hämatologischen Erkrankungen wie Blutkrebs. Dabei werden T-Zellen (weiße Blutkörperchen) aus dem Blut des Patienten/der Patientin entnommen und im Labor genetisch verändert, um spezielle Rezeptoren (CARs) zu bilden. Diese Rezeptoren helfen den T-Zellen, Krebszellen zu erkennen und zu zerstören. Die vermehrten, modifizierten T-Zellen werden dann per Infusion wieder in den Körper des Patienten/der Patientin zurückgeführt, wo sie gezielt gegen die Krebszellen vorgehen. Die Therapie ist mit bis zu fünf Wochen Herstellungszeit und Kosten von bis zu 300.000 Euro äußerst aufwändig und kostenintensiv.
Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Dr. med. Dimitrios Mougiakakos, Direktor der Universitätsklinik für Hämatologie, Onkologie und Zelltherapie, Tel.: +49-391-67-13266, dimitrios.mougiakakos@med.ovgu.de
Foto: Prof. Dr. med. Dimitrios Mougiakakos, Direktor der Universitätsklinik für Hämatologie, Onkologie und Zelltherapie Magdeburg, forscht mit seinem Team an neuartigen Zell- und Immuntherapien für die Behandlung schwerkranker Patientinnen und Patienten mit Krebs- sowie Autoimmunerkrankungen.
(c) Fotografin: Jana Dünnhaupt/Uni Magdeburg