Nach dem Karlsruher Haushaltsurteil ist eine Mehrheit der Befragten gegen eine Lockerung der Schuldenbremse. Das zeigt das aktuelle ZDF-Politbarometer.
Das sehr eindeutige Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Finanz- und Haushaltspolitik beherrscht seit Tagen die Politik in Berlin. Noch ist unklar, wie es mit den Finanzen des Bundes weitergehen wird, viele politische Projekte scheinen gefĂ€hrdet. Die BundesbĂŒrger haben mehrheitlich eine recht klare Haltung: Die fehlenden 60 Milliarden des Klimafonds sollen hauptsĂ€chlich durch AusgabenkĂŒrzungen aufgebracht werden, sagen 57 Prozent. Elf Prozent plĂ€dieren fĂŒr Steuererhöhungen und 23 Prozent wollen, dass der Staat dafĂŒr zusĂ€tzliche Schulden aufnimmt (Rest zu 100 Prozent hier und im Folgenden jeweils „weiĂ nicht“).
Umstrittene Schuldenbremse
Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse sieht vor, dass der Staat nur in auĂergewöhnlichen Notsituationen in gröĂerem Umfang neue Schulden machen darf. FĂŒr eine Lockerung dieser Schuldenbremse sprechen sich 35 Prozent aus, 61 Prozent wollen sie unverĂ€ndert erhalten. Allerdings fĂ€llt das Votum in AbhĂ€ngigkeit von der ParteinĂ€he der Befragten sehr unterschiedlich aus: WĂ€hrend die AnhĂ€nger der GrĂŒnen (67 Prozent), der Linken (58 Prozent) und der SPD (55 Prozent) mehrheitlich fĂŒr eine Lockerung der Schuldenbremse sind, sehen das nur Minderheiten bei den AnhĂ€ngern der FDP (31 Prozent), der CDU/CSU (20 Prozent) und der AfD (14 Prozent) so.
Die fehlenden Milliarden verschĂ€rfen die Spannungen in der Ampel-Koalition weiter. Inzwischen sagen 82 Prozent, dass das VerhĂ€ltnis von SPD, GrĂŒnen und FDP in der Bundesregierung eher schlecht ist (eher gut: elf Prozent). Offen ist, wer sich mit welchen Positionen durchsetzen kann. Dass es der FDP gelingen wird, jetzt KĂŒrzungen im Sozialbereich zu erreichen, glauben 21 Prozent. 73 Prozent erwarten das nicht. Und dass es den GrĂŒnen gelingen wird, KĂŒrzungen beim Klimaschutz weitgehend zu vermeiden, meinen nur 27 Prozent, 68 Prozent sehen das nicht.
Projektion: Ampel von Mehrheit weit entfernt
Die Arbeit der Bundesregierung wird weiterhin sehr kritisch gesehen: nur 35 Prozent sagen, sie macht ihre Arbeit alles in allem gut, 60 Prozent fĂ€llen ein negatives Urteil. Die Unzufriedenheit trifft dabei vor allem die SPD und den Bundeskanzler. Wenn am nĂ€chsten Sonntag wirklich Bundestagswahl wĂ€re, kĂ€me die SPD auf 15 Prozent (minus 1), die CDU/CSU auf 31 Prozent (plus 1). Die GrĂŒnen wĂŒrden 15 Prozent (unverĂ€ndert) erreichen, die FDP kĂ€me auf fĂŒnf Prozent (unverĂ€ndert), die AfD mit 22 Prozent (plus 1) auf ihren bisher höchsten Projektionswert und die Linke auf vier Prozent (unverĂ€ndert). Die anderen Parteien lĂ€gen zusammen bei acht Prozent (minus 1), darunter keine Partei, die mindestens drei Prozent erzielen wĂŒrde. Bei einem solchen Ergebnis hĂ€tte die Ampelkoalition weiterhin keine parlamentarische Mehrheit. Von den politisch realistischen BĂŒndnissen wĂŒrde es aber reichen fĂŒr eine Zweier-Koalition aus CDU/CSU und SPD oder CDU/CSU und GrĂŒne.
Top Ten: Scholz so schlecht bewertet wie noch nie
Bei der Beurteilung von Politikerinnen und Politikern nach Sympathie und Leistung („Was halten Sie von?“) liegt Verteidigungsminister Boris Pistorius weiter unangefochten auf Platz eins. Er wird auf der Skala von +5 bis -5 mit einem Durchschnittswert von 1,8 (Nov. I: 1,6) eingestuft. Auf Platz zwei folgt mit sehr groĂem Abstand Markus Söder mit 0,1 (Nov. I: 0,1), danach kommen Annalena Baerbock mit minus 0,2 (Nov. I: minus 0,3), Robert Habeck mit minus 0,3, (Nov. I: 0,0), Karl Lauterbach mit minus 0,4 (Nov. I: minus 0,3), Olaf Scholz mit minus 0,4 (Nov. I: minus 0,1), Friedrich Merz auch er mit minus 0,4 (Nov. I: minus 0,2) und Christian Lindner mit minus 0,5 (Nov. I: minus 0,2). So schlecht wurden Olaf Scholz und Christian Lindner noch nie bewertet. Noch deutlicher im Negativbereich liegen Sahra Wagenknecht mit minus 1,3 (Nov. I: minus 1,4) und vor allem Alice Weidel mit minus 2,6 (Nov. I: minus 2,6).
Krieg im Gazastreifen
Auch wenn die MilitĂ€raktion Israels im Gazastreifen in den beiden letzten Wochen deutlich vorangekommen ist, hat das kaum zu EinstellungsĂ€nderungen bei den Deutschen gefĂŒhrt: Weiterhin hĂ€lt die HĂ€lfte (50 Prozent) das militĂ€rische Vorgehen Israels im Gazastreifen fĂŒr gerechtfertigt, 33 Prozent sehen das nicht so. Wenig geĂ€ndert hat sich aber auch an der Skepsis ĂŒber den Erfolg: Nur 22 Prozent glauben, dass es Israel gelingen wird, die Hamas so stark zu schwĂ€chen, dass von ihr keine Gefahr mehr fĂŒr Israel ausgeht (wird nicht gelingen: 65 Prozent).
Krieg in der Ukraine
Zwar hat durch den Krieg im Nahen Osten der Krieg in der Ukraine etwas an Aufmerksamkeit verloren, die Meinungen in der deutschen Bevölkerung haben sich dadurch aber nicht verĂ€ndert: Ăhnlich wie im Juni meinen jetzt 39 Prozent, dass der Westen die Ukraine wie bisher militĂ€risch unterstĂŒtzen sollte, 29 Prozent sind fĂŒr ein stĂ€rkeres Engagement und 26 Prozent wollen dieses verringern. Fast unverĂ€ndert sprechen sich 52 Prozent dafĂŒr aus, die Ukraine in den nĂ€chsten Jahren in die EU aufzunehmen, 40 Prozent sind dagegen.
Text/Foto: ZDF