Wirtschafts-, Wohlfahrts-, Klimaverbände und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) kritisieren scharf: Haushaltskürzungen bei der Schiene gefährden Klimaziele und Mobilitätswende in Deutschland / Autobahnneubauten weiterhin ungebremst
Berlin (10. Feb. 2024). Mit der Verabschiedung des Haushalts 2024 ist klar, dass bis 2027 mindestens 13,5 Mrd. Euro für die Grundsanierung des Schienennetzes fehlen werden. Mittel, die für den Aus- und Neubau geplant waren, müssen nun notgedrungen für die Sanierung verwendet werden und dringend benötigte Projekte können nicht wie geplant erfolgen. Ein breites Bündnis warnt nun vor den Folgen dieser massiven Unterfinanzierung: Es drohen erhebliche Planungsunsicherheiten mit drastischen Auswirkungen auf den Deutschlandtakt, Pünktlichkeit und Qualität im Schienenverkehr in ganz Deutschland.
Das Bündnis fordert deshalb von der Bundesregierung die vollständig gesicherte Finanzierung des dringend nötigen Schienenausbaus. Dazu gehören der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V., die Arbeiterwohlfahrt (AWO), die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), die Klima-Allianz Deutschland, Germanwatch und Greenpeace. Die Organisationen kritisieren, dass ausgerechnet bei dem klimafreundlichsten und lange vernachlässigten Schiene gekürzt werden soll. Hingegen bleiben Einsparpotenziale bei Neu- und Ausbau von Fernstraßen ungenutzt, obwohl dieser nachweislich zu mehr Stau und zusätzlichem CO2-Ausstoß führt. Diese falsche Priorisierung gefährde die Erreichung der Klimaziele.
Das Bündnis fordert von der Bundesregierung:
- Eine grundsätzlich neue Verkehrsinfrastrukturpolitik: Planen ausgehend vom Ziel der Mobilitätswende und den gesetzlichen Klimaschutzzielen der Bundesregierung.
- Keine Einsparungen bei Schieneninfrastrukturprojekten, sondern ein Stopp von Neu- und Ausbauprojekten bei Fernstraßen: Schiene ausbauen, Straße sanieren.
- Eine nachhaltige und langfristige Finanzierung der Schieneninvestitionen über Infrastrukturfonds, wie von der Beschleunigungskommission Schiene gefordert.
Das staatliche Schienennetzunternehmen DB InfraGO AG sei durch die Haushaltsentscheidung gezwungen, im Schienenverkehr zu übernehmen, was eigentlich die Bundesregierung verkehrsträgerübergreifend tun sollte: priorisieren. „Man kann nicht die Mittel kürzen und sich dann über die Konsequenzen beschweren. Die Bundesregierung trägt die Verantwortung dafür, die notwendigen Investitionen für das Schienennetz ausreichend, langfristig und planungssicher zu finanzieren”, so Martin Burkert, EVG-Vorsitzender (Foto).
Bei den Bundesfernstraßen wurden die Infrastrukturmittel nicht gekürzt. “Es ergibt keinen Sinn, dass Bundesregierung und Bundestag weiter hohe Beträge in den Ausbau des über Jahrzehnte gepäppelten Fernstraßennetzes stecken und gleichzeitig den viel zu lange vernachlässigten Schienenausbau durch Kürzungen ausbremsen. Bei der ausstehenden Bedarfsplanüberprüfung sollten Straßenaus- und -neubauprojekte gestrichen werden”, so Lutz Weischer, Leiter des Berliner Büros von Germanwatch.
Geschäftsführerin des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft e.V. Dr. Katharina Reuter kommentiert: „Dass im Verkehrsbereich riesige Klimaschutz-Lücken klaffen, ist mittlerweile eine klare Sache. Um in diesem Sektor klimapolitische Maßnahmen zu finanzieren, sind unter anderem der Abbau klimaschädlicher Subventionen und die von der Beschleunigungskommission Schiene vorgeschlagenen Schieneninfrastrukturfonds ein Hebel. Für die Wirtschaft ist wichtig, dass die Schiene attraktiv ist. Eine konsequente Mobilitätswende braucht eine zukunftsorientierte Abgaben-und Investitionspolitik, die wir bisher schmerzlich vermissen.” Die Fonds ließen sich nach Einschätzung von Verfassungsrechtlern auch mit einfacher Regierungsmehrheit umsetzen.
Michael Groß, Präsident der AWO erklärt: “Eine Mobilitätswende auf dem Land und in der Stadt kann nur über einen gesicherten und zuverlässigen öffentlichen Verkehr funktionieren, dafür braucht es dichtere und schnellere Netze, Taktungen und Kapazitäten. Wir wissen, dass sich sehr viele Menschen einen guten ÖPNV wünschen und ohne Auto auch darauf angewiesen sind. Wir sehen gleichzeitig, dass viele Menschen in Deutschland längst lieber ohne Auto zuverlässig zur Arbeit und im Alltag unterwegs sein möchten, dies aber häufig nicht möglich ist.”
Die Bundesregierung müsse sich unmissverständlich für eine Mobilitätswende in Deutschland einsetzen. “Wir brauchen eine klare Priorisierung des Schienenausbaus, um die Klimaziele zu erreichen, aber auch um die Straße zu entlasten. Wir benötigen die Finanzmittel und das Fachpersonal für die Schiene und den öffentlichen Verkehr und nicht für klimaschädliche neue Autobahnen. Straßen- und Autobahnneubau zerstört unsere Ökosysteme, belastet die Umwelt und das Klima und führt wissenschaftlich nachgewiesen zu immer mehr Verkehr. Das kann nicht die Zukunft sein, die wir wollen”, fordert Dr. Christiane Averbeck, Geschäftsführende Vorständin Klima-Allianz Deutschland.
Foto: EVG-Vorsitzender Martin Burkert (c) EVG