Das sichere Netz der Arzneimittelversorgung wird immer löchriger. Allein im vergangenen Jahr haben in Deutschland knapp 500 Apotheken ihren Betrieb eingestellt. Das sind genauso viele, wie es in ganz Thüringen Ende des Jahres noch gab. „Unsere Patientinnen und Patienten müssen immer weitere Wege zur nächstgelegenen Apotheke zurücklegen. Mit der Arzneimittelberatung, eigenen Herstellungen, Nacht- und Notdiensten, Impfungen und den pharmazeutischen Dienstleistungen bieten die Apotheken aber Leistungen an, die die Menschen in ihrer wohnortnahmen Umgebung unbedingt benötigen“, sagt Gabriele Overwiening, Präsidentin der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. „Die Situation ist mehr als dramatisch. Im vergangenen Jahr ist auf Bundesebene die Arzneimittelversorgung in der Größe Thüringens verschwunden. Das bedeutet, dass rein rechnerisch zwei Millionen Menschen ihre wohnortnahe Apotheke verloren haben und nun sehr wahrscheinlich weitere Wege haben. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach weiß von dieser bedrohlichen Entwicklung, unternimmt aber rein gar nichts, um die Apotheken zu stabilisieren.“
Es ist kein Ende dieser Entwicklung in Sicht
„Wir haben die Talsohle der Apothekenzahlen auch in Thüringen noch nicht erreicht“, ergänzt Stefan Fink, der Vorsitzende des Thüringer Apothekerverbandes. Im Jahr 2023 haben in Thüringen zwölf Apotheken geschlossen, in den ersten drei Monaten des neuen Jahres sind es schon wieder weitere vier.“ Der Apotheker sieht keine Anhaltspunkte für eine Besserung der Lage. „Diese negative Entwicklung ist schon lange absehbar und sie hat zwei entscheidende Ursachen – uns fehlen erstens junge Apothekerinnen und Apotheker, weil trotz hoher Nachfrage zu wenige Studierende ihr Pharmaziestudium beginnen können und zweitens ist das System der Apothekenvergütung chronisch unterfinanziert. Die Politik weiß das, scheut aber die notwendigen Schritte, weil sie andere Schwerpunkte innerhalb der GKV-Finanzierung an den Apotheken vorbei setzt. Die Alternative „Nichtstun“ und Warten hat deutlich gravierendere Folgen – den spürbaren Verlust von Versorgungsqualität.“
Patienten brauchen echte Apotheken und echte Apotheken brauchen Apotheker
Die vom Bundesgesundheitsminister eingebrachten Vorschläge aber auch Scheinlösungen zeigen, dass die Politik die falschen Schlüsse zieht. „Die Lösung kann nicht sein, die hohe Qualität der Versorgung zu senken.
Gesundheit ist ein hohes Gut und die Bürgerinnen und Bürger sollten diese nicht in Scheinapotheken ohne Notdienst und Rezepturen erleben müssen“, zeigt sich Ronald Schreiber betroffen. Der Präsident der Thüringer Apothekerkammer ist verärgert: „Seit vielen Jahren stellt sich Politik nicht der Verantwortung, die sie hat. Stattdessen propagiert man Lösungen, die mehr mit einer Abgabestelle als mit sicherer Arzneimittelversorgung zu tun haben. Das ist ein Armutszeugnis und hat nichts mit Daseinsvorsorge für die Bevölkerung zu tun. Das werden wir den Verantwortlichen nicht durchgehen lassen“, so der Apotheker.
Wie geht es weiter?
In den vergangenen Monaten haben die Standesvertretungen der Apothekerschaft zahlreiche politische Gespräche auf Bundes- und Landesebene geführt. Eine Stärkung der Apotheken ist nach wie vor nicht abzusehen. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening kündigt daher an: „Um die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung und somit deren Gesundheit zu sichern, werden wir Apothekerinnen und Apotheker unsere Anliegen und die berechtigten Interessen der Patientinnen und Patienten in den kommenden Wochen deutlich sichtbar vertreten. Im Rahmen unserer neuen Dachkampagne „Gesundheit sichern. Die Apotheke.“ werden wir unsere Patientinnen und Patienten direkt in den Apotheken über die bedrohliche Lage informieren. Wir werden den Menschen auch die Möglichkeit geben, sich im Rahmen einer bundesweit angelegten Umfrage zum Zustand Ihrer Arzneimittelversorgung zu äußern. Die Bundesregierung muss verstehen, dass der Erhalt der Arzneimittelversorgung wichtiger ist als Nebelkerzen, wie etwa Gesundheitskioske.“
Kammerpräsident Schreiber fügt hinzu: „Wir sind stets zum Austausch und Dialog bereit. Die Kammer Thüringen hat alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister angeschrieben und zum Dialog eingeladen. Auf Landesebene wurde ein Sieben-Punkte-Plan vorgelegt, der nun zur Landtagswahl ein Forderungskatalog geworden ist“, berichten Fink und Schreiber von den Thüringer Bemühungen, ergänzen aber auch: „Wenn es sein muss, werden wir auch wieder laut werden und für und mit unseren Patientinnen und Patienten auf die Straße gehen.“ Bundespolitisch umschreibt die ABDA-Präsidentin ihre Agenda so: „Wir werden nicht müde werden, die Verantwortlichen in Politik und auf Seiten der Krankenkassen an unsere gemeinsame Aufgabe zu erinnern. Gesundheit zu sichern ist kein Selbstläufer, weder im persönlichen noch im gesellschaftlichen Bereich. In Gesundheit muss man investieren.“
Bild: „Wir sehen rot.“ heißt es vom 22. bis 27. April 2024 in Apotheken in ganz Deutschland. (c) ABDA Bundesvgg. Dt. Apothekerverbände