Bundeskriminalamt stellt neues Bundeslagebild zu Sexualdelikten gegen Kinder und Jugendliche vor
Das Bundeskriminalamt (BKA) verzeichnet weiterhin einen Anstieg der Fallzahlen bei Sexualdelikten gegen Kinder und Jugendliche. Insbesondere in den Bereichen des sexuellen Missbrauchs von MinderjÀhrigen und der Herstellung, Verbreitung, des Erwerbs und Besitzes kinder- und jugendpornografischer Inhalte sind die Fallzahlen deutlich angestiegen. Dies geht aus dem heute vorgestellten Bundeslagebild 2023 hervor.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser: „Jeden Tag werden in Deutschland 54 Kinder und Jugendliche Opfer von sexuellem Missbrauch. Das sind entsetzliche Taten, die uns tief berĂŒhren und fassungslos machen. Die meisten Opfer kannten die TĂ€ter, weil es Familienangehörige sind, Freunde oder Bekannte. Hinzuschauen und zu handeln, wann immer Gefahren fĂŒr Kinder drohen â das ist eine zentrale Aufgabe des Staates, aber auch unserer Gesellschaft insgesamt.
Unsere Ermittlungsbehörden arbeiten mit Hochdruck daran, andauernde Missbrauchstaten zu beenden und die TĂ€ter schnell und konsequent zu ermitteln. Die TĂ€ter dĂŒrfen sich nirgendwo sicher fĂŒhlen. Wir brauchen daher auch eine Pflicht zur Speicherung von IP-Adressen bei den Anbietern, um TĂ€ter zu identifizieren und Kinder und Jugendliche vor sexualisierter Gewalt zu schĂŒtzen. DafĂŒr werde ich mich weiter stark machen.“
BKA-VizeprĂ€sidentin Martina Link: „Die BekĂ€mpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder hat fĂŒr das Bundeskriminalamt schon seit langem eine hohe PrioritĂ€t. Die Opfer von sexuellem Missbrauch sind hĂ€ufig schwer traumatisiert und kĂ€mpfen nicht selten ein ganzes Leben lang mit den Folgen der Tat.
Angesichts der zunehmenden Hinweise und steigenden Fallzahlen haben wir unsere AuswertefĂ€higkeiten und die Zusammenarbeit mit den Polizeien der LĂ€nder verstĂ€rkt und werden unsere technischen FĂ€higkeiten weiter ausbauen, um TĂ€ter noch schneller und effektiver zu identifizieren.“
Kerstin Claus, UnabhĂ€ngige Beauftragte der Bundesregierung fĂŒr Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs: „Kinder und Jugendliche trennen heute nicht mehr zwischen Offline- und Online-Welt. Hinter den vielen Bildern und Videos, die im Netz kursieren, steckt hĂ€ufig akute und lang andauernde sexuelle Gewalt. Um Kinder und Jugendliche im digitalen Raum kĂŒnftig besser zu schĂŒtzen, mĂŒssen auch fĂŒr das Netz Schutzstandards entwickelt und umgesetzt werden. Hier stehen wir vor immensen Herausforderungen, wie es die vorliegenden Zahlen der ausermittelten FĂ€lle zeigen. FĂŒr diese brauchen wir gesamt gesellschaftliche Lösungen, an denen Eltern, Bildungseinrichtungen, Plattformanbieter sowie Jugendliche selbst zu beteiligen sind.“
Im Jahr 2023 registrierten die Strafverfolgungsbehörden 16.375 FĂ€lle von sexuellem Missbrauch von Kindern (5,5 Prozent mehr als im Jahr 2022). Im FĂŒnf-Jahres-Vergleich seit 2019 bedeutet dies einen Anstieg von rund 20 Prozent. 18.497 Kinder unter 14 Jahren wurden dabei zu Opfern sexuellen Missbrauchs, was einer Steigerung um 7,7 Prozent gegenĂŒber dem Vorjahr entspricht. Auffallend ist der hohe Anteil tatverdĂ€chtiger Kinder und Jugendlicher mit erneut rund 30 Prozent.
Sexuellen Missbrauch von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren stellte die Polizei in 1.200 FĂ€llen fest (5,7 Prozent mehr als 2022). 1.277 Opfer wurden registriert (plus 5,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr). Dies stellt einen Höchstwert im FĂŒnf-Jahres-Vergleich dar. In mehr als jedem zweiten Fall bestand eine Vorbeziehung zwischen Opfer und TatverdĂ€chtigem.
Weiterhin zeigt sich, dass die Opfer im Bereich des sexuellen Missbrauchs von Kindern und auch von Jugendlichen zu rund drei Viertel weiblich sind.
Die Anzahl der FÀlle von Herstellung, Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen und erreichte im Berichtsjahr 2023 mit 45.191 FÀllen einen neuen Höchstwert (plus 7,4 Prozent). Seit dem Jahr 2019 haben sich die Fallzahlen damit mehr als verdreifacht.
Ein besonders starker Anstieg ist bei jugendpornografischen Inhalten festzustellen. Diese sind im Jahr 2023 um rund 31 Prozent auf 8.851 FÀlle angestiegen. AuffÀllig ist, dass die TatverdÀchtigen in vielen FÀllen selbst minderjÀhrig sind (bei kinderpornografischen Inhalten: 38 Prozent; bei jugendpornografischen Inhalten: 49,5 Prozent).
Aufgrund der Strafrechtsreform 2021 kommt dem Internet als Tatmittel und Tatort eine gestiegene Bedeutung zu. Die Vorbereitung von Taten etwa durch das Verbreiten von Missbrauchsanleitungen sowie der sexuelle Missbrauch ohne Körperkontakt mit dem Kind bilden seit der Strafrechtsreform eigene StraftatbestĂ€nde. Dies betrifft unter anderem PhĂ€nomene wie „Cybergrooming“ und „Live Distance Child Abuse“. Beim Cybergrooming stellen TatverdĂ€chtige Kontakt zu potenziellen Opfern ĂŒber das Internet her, wĂ€hrend bei dem PhĂ€nomen „Live Distance Child Abuse“ das Internet zur Ăbertragung der Missbrauchshandlungen in einem Livestream genutzt wird.
Text/Foto: BKA am 08. Juli 2024