Halle (ots) – Lange Arbeitszeiten, hohe Arbeitsbelastung: In Sachsen-Anhalt gibt es immer weniger Tierärzte für Nutztiere. Gab es Anfang der 1990er Jahre noch 130 niedergelassene Praktiker, die ausschließlich Großtiere wie Rinder, Pferde und Schweine versorgten, sind es aktuell noch 28. „Reine Nutztierpraxen sind ein Auslaufmodell“, sagte Wolfgang Gaede, Präsident der Tierärztekammer, der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung (Dienstagausgabe). Oft würden Mischpraxen – also Praxen, die neben Kleintieren auch Nutztiere behandeln – die Versorgung mit übernehmen. „Auch wenn die Bestände vor allem bei den Rindern zurück gegangen sind: Die verbliebenen Praxen versorgen mehr Betriebe, die Arbeit verteilt sich auf immer weniger Schultern.“
In großen landwirtschaftlichen Unternehmen sei die Versorgung durch feste Hoftierärzte noch stabil. Bei kleineren Beständen ist die Lage problematisch. Insbesondere Notdienste seien schwieriger abzudecken, so Gaede, „Im südlichen Sachsen-Anhalt haben wir Engpässe.“ Dabei praktizieren insgesamt wieder mehr Tierärzte in Sachsen-Anhalt: 576 waren es Ende 2023 (2013: 458). Jedoch gibt es weniger Praxen. Aktuell sind es 329 (2023: 343). Zudem ist im Bundesland der Altersschnitt am höchsten. Rund ein Drittel ist 50 bis 59 Jahre alt. Gaede schränkt auch ein: „Wir haben zwar mehr Tierärzte, aber der Zuwachs liegt unter dem bundesweiten Schnitt.“ Hinzu komme, dass Berufsanfänger heute meist keine eigene Praxis wollten, sondern angestellt arbeiteten und oft in Teilzeit. Das mache auch die Notdienst-Besetzung insgesamt schwierig.
Aktuell bekämen als erstes Kleinkunden Probleme, sagt Gaede. „Ist der Hoftierarzt mit Fahrtzeit drei Stunden in einem Betrieb, ist er über längere Zeit nicht verfügbar. Und in manchen Regionen auch kein anderer.“ Deshalb müssten sich Halter rechtzeitig kümmern und nicht warten, bis Akutfälle entstehen.
Foto © Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft / Jenoche – stock.adobe.com