Politisch motivierte KriminalitÀt 2024: Rechtsmotivierte Straftaten nehmen massiv zu

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Magdeburg. Die Landespolizei Sachsen-Anhalt hat im vergangenen Jahr deutlich mehr politisch motivierte Straftaten im Vergleich zum Vorjahr registriert. Die politisch motivierten Gewaltstraftaten sind hingegen erneut leicht zurĂŒckgegangen. Das geht aus der Bilanz der politisch motivierten KriminalitĂ€t (PMK) hervor, die Innenministerin Dr. Tamara Zieschang und Ministerialrat Mike Schnorrer am Mittwoch in Magdeburg vorgestellt haben.

Insgesamt wurden im Jahr 2024 in Sachsen-Anhalt 4.008 politisch motivierte Straftaten verzeichnet. Das waren 32,8 Prozent beziehungsweise 989 Straftaten mehr als im Jahr 2023 (3.019). Damit markiert das Jahr 2024 den höchsten Stand seit Beginn der Auswertung der politisch motivierten KriminalitĂ€t im Jahr 2001.

Innenministerin Dr. Tamara Zieschang (Foto): „Der kontinuierliche Anstieg politisch motivierter Straftaten ist besorgniserregend. Nach wie vor sind dabei rechtsmotivierte Delikte unsere mit Abstand grĂ¶ĂŸte Herausforderung. Diese Entwicklung und vor allem der Zuwachs an jugendlichen und heranwachsenden TatverdĂ€chtigen nehmen wir sehr ernst. Deshalb werden die Sicherheitsbehörden, vor allem die Landespolizei, weiterhin einen klaren Schwerpunkt auf die BekĂ€mpfung politisch motivierter KriminalitĂ€t setzen.“

Rechtsmotivierte Straftaten bilden mit Abstand weiterhin den grĂ¶ĂŸten Anteil bei der politisch motivierten KriminalitĂ€t. Fast 73 Prozent der politisch motivierten Straftaten wurden im vergangenen Jahr dem PhĂ€nomenbereich PMK-rechts zugeordnet. Insgesamt wurden 2.920 Straftaten erfasst, das waren 884 mehr als im Vorjahr (plus 43,4 Prozent). Insbesondere klassisch rechtsmotivierte Straftaten wie Propagandadelikte sind ursĂ€chlich fĂŒr den Anstieg bei den Gesamtfallzahlen. Sie machen mit mehr als drei Viertel den Großteil rechtsmotivierter Straftaten aus. Dazu zĂ€hlen mit 2.223 Straftaten (2023: 1.318; plus 68,8 Prozent) das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Form von öffentlichen Farbschmierereien verbotener Kennzeichen oder das Skandieren öffentlichkeitswirksamer Parolen (plus 905 Straftaten bzw. plus 68,8 Prozent).

Im Jahr 2024 gab es insgesamt 1.500 TatverdĂ€chtige im Bereich PMK-rechts. Alarmierend ist insbesondere die steigende Zahl der tatverdĂ€chtigen Jugendlichen und Heranwachsenden. Die Zahl der tatverdĂ€chtigen Jugendlichen hat sich vom Jahr 2023 zum Jahr 2024 von 179 auf 398 mehr als verdoppelt. Damit sind mehr als ein Viertel (26,5 Prozent) aller TatverdĂ€chtigen Jugendliche im Alter zwischen 14 und 18 Jahren. Auch die Zahl der tatverdĂ€chtigen Heranwachsenden hat sich um 66,7 Prozent erhöht (2024: 150, 2023: 90).

Die GesamtaufklĂ€rungsquote hat sich im vergangenen Jahr um 8,5 Prozent auf 41,9 Prozent verringert. Das ist unter anderem darauf zurĂŒckzufĂŒhren, dass von den erfassten 639 SachbeschĂ€digungen beispielsweise an Wahlplakaten nur 5,6 Prozent der Straftaten aufklĂ€rt werden konnten. Diese sind aufgrund der TatumstĂ€nde grundsĂ€tzlich nur schwer aufzuklĂ€ren. Die AufklĂ€rungsquote bei Straftaten der politisch motivierten GewaltkriminalitĂ€t lag hingegen bei 71,5 Prozent; bei rechtsmotivierten Gewaltstraftaten lag sie sogar bei 75,5 Prozent.

„Die AufklĂ€rungsquoten insbesondere bei den Straftaten der politisch motivierten GewaltkriminalitĂ€t, bei Volksverhetzungen und bei Beleidigungen sind mit mehr als 70 Prozent ĂŒberdurchschnittlich hoch. Sobald die TĂ€ter vor Ort agieren und sich nicht anonym im Internet verstecken können, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, ihrer habhaft zu werden. Auch hier zeigt sich das Engagement und die ProfessionalitĂ€t der Polizistinnen und Polizisten unseres Landes, die bei politisch motivierten Straftaten genau hinschauen und diese konsequent verfolgen.“, so Innenministerin Dr. Tamara Zieschang.

Entwicklung weiterer Deliktsbereiche:

Im PhĂ€nomenbereich der PMK-links ist im Vergleich zum Jahr 2023 ein deutlicher RĂŒckgang der erfassten Straftaten zu verzeichnen. Insgesamt wurden 280 FĂ€lle registriert. Das waren 78 beziehungsweise 21,8 Prozent weniger Straftaten als im Jahr 2023. Allerdings hat sich die Anzahl der links motivierten Gewaltstraftaten von 13 FĂ€llen im Jahr 2023 auf 26 FĂ€lle im Jahr 2024 verdoppelt. Die Körperverletzungsdelikte als Teil der politisch motivierten GewaltkriminalitĂ€t sind auf 16 FĂ€lle gestiegen (2023: acht FĂ€lle). Bei den SachbeschĂ€digungsdelikten ist ein deutlicher RĂŒckgang um 41,2 Prozent auf insgesamt 163 FĂ€lle (2023: 277 FĂ€lle) feststellbar. Straftaten aus dem PhĂ€nomenbereich PMK-links hatten im Jahr 2024 einen Anteil von sieben Prozent (2023: 11,9 Prozent) an der politisch motivierten KriminalitĂ€t.

Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 151 politisch motivierte Gewaltdelikte registriert. Das waren sieben FĂ€lle beziehungsweise 4,4 Prozent weniger als im Jahr 2023. 71,5 Prozent beziehungsweise 108 politisch motivierte Gewaltstraftaten konnten im vergangenen Jahr 2024 (2023: 78,5 Prozent) aufgeklĂ€rt werden. Bei den Gewaltdelikten handelt es sich zumeist um Körperverletzungen (125 FĂ€lle) und Widerstandsdelikte (12 FĂ€lle). 106 der insgesamt 151 politisch motivierten Gewaltdelikte entfielen auf den Bereich PMK-rechts (2023: 123).

Die fremdenfeindlichen Straftaten bewegten sich auf dem Niveau des Vorjahres. Mit insgesamt 699 FĂ€llen wurden zwei FĂ€lle weniger als im Jahr 2023 registriert. Volksverhetzungen (250 FĂ€lle), Beleidigungen (161 FĂ€lle) und Körperverletzungen (86 FĂ€lle) bilden den Hauptanteil der als fremdenfeindlich erfassten Straftaten. Im Internet wurden davon 92 fremdenfeindliche Straftaten begangen (2023: 148).

In Sachsen-Anhalt sind im vergangenen Jahr 116 antisemitische Straftaten erfasst worden und damit 10,8 Prozent beziehungsweise 14 FĂ€lle weniger als im Vorjahr (2023: 130 Straftaten). Dabei handelte es sich ĂŒberwiegend um Volksverhetzungen (61 FĂ€lle), Propagandadelikte (27 FĂ€lle), Beleidigungen (neun FĂ€lle) sowie SachbeschĂ€digungen (sieben FĂ€lle). Mit insgesamt 27 Straftaten wurden 23,3 Prozent dieser Straftaten im Internet begangen (2023: 51 Straftaten im Internet, Anteil: 39,2 Prozent). Des Weiteren wurden im vergangenen Jahr drei antisemitischmotivierte Gewaltstraftaten registriert. Antisemitische Straftaten werden oft von NS-Propaganda (z. B. Hakenkreuzdarstellungen bzw. Holocaustleugnung) oder auslĂ€nderfeindlichen/rassistischen Äußerungen begleitet.

97 der insgesamt 116 FĂ€lle mit antisemitischer Tatmotivation sind dem Bereich der rechtsmotivierten Straftaten zuzuordnen.

Innenministerin Dr. Tamara Zieschang: „In den vergangenen Jahren wurden wichtige Fortschritte in der BekĂ€mpfung des Antisemitismus erzielt. Der Dialog und die enge Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen wie RIAS sowie dem Ansprechpartner fĂŒr jĂŒdisches Leben in Sachsen-Anhalt und gegen Antisemitismus sind fĂŒr die Landespolizei dabei von besonderer Bedeutung. Nur durch gemeinsames Handeln können antisemitische Straftaten wirkungsvoll bekĂ€mpft werden. Denn auch hier gilt: Jede Straftat ist eine zu viel.“

Sonstige Entwicklungen:

Das Tatmittel Internet gewinnt zunehmend an Bedeutung. Nachdem die Zahl der politisch motivierten Straftaten von 2022 auf 2023 bereits um mehr als 60 Prozent gestiegen sind (2022: 382, 2023: 618), wurde in 2024 ein weiterer Anstieg um 19,9 Prozent auf 741 FĂ€lle registriert.

Straftaten, die im Internet begangen wurden, bilden 18,4 Prozent des gesamten Straftatenaufkommens ab. Bei der deliktischen Betrachtung ĂŒberwiegen Propagandadelikte mit 533 erfassten FĂ€llen gefolgt von Beleidigungen (79 FĂ€lle) und Volksverhetzungen (78 FĂ€lle). Auch bei den Straftaten im Internet liegt der Schwerpunkt mit 78,7 Prozent im Bereich der rechtsmotivierten Straftaten (2023: 59,7 Prozent).

Insgesamt 120 Straftaten richteten sich im Jahr 2024 gegen Amts- und MandatstrĂ€ger (2023: 190, minus 36,8 Prozent). Hierbei kam es vorrangig zu Beleidigungen (74 FĂ€lle) und Bedrohungen (11 FĂ€lle). Mit 71 Straftaten wurden 60 Prozent (2023: 70,9 Prozent) der Straftaten im Internet begangen.

Politisch motivierte Straftaten gegen ParteibĂŒros/Parteieinrichtungen werden nahezu ausschließlich in Form von SachbeschĂ€digungen begangen. Die Begehungsweisen reichen hierbei vom Einwerfen von Fensterscheiben, Farbschmierereien an Fassaden und Schaufensterscheiben bis hin zum Zerstören von HauseingangstĂŒren. Insgesamt wurden im Jahr 2024 18 Straftaten registriert (2023: 17 Straftaten), davon waren 13 FĂ€lle SachbeschĂ€digungen.

Im Jahr 2024 wurden 251 politisch motivierte Straftaten an Schulen erfasst. Die Fallzahlen liegen 102,4 Prozent ĂŒber denen des Vorjahres 2023 mit 124 FĂ€llen. Mit 185 Straftaten wurden die ĂŒberwiegende Anzahl im PhĂ€nomenbereich PMK-rechts erfasst. Bei fast 80 Prozent der VerstĂ¶ĂŸe handelte es sich um Propagandastraftaten. Andere Delikte wie Volksverhetzungen und SachbeschĂ€digungen waren eher die Ausnahme. Insgesamt wurden vier Gewaltstraftaten bekannt.

Im Jahr 2024 wurden in Sachsen-Anhalt insgesamt 169 politisch motivierte Straftaten gegen Asylbewerber/FlĂŒchtlinge erfasst. Das ist ein RĂŒckgang um rund 25 Prozent (2023: 225 FĂ€lle). Die meisten GeschĂ€digten stammen aus den HerkunftslĂ€ndern Syrien (73), Afghanistan (18), dem Iran (acht) und der Ukraine (sieben). Deliktisch ĂŒberwiegen Beleidigungs- und Volksverhetzungsdelikte (86 Straftaten); in 44 FĂ€llen wurden Gewaltstraftaten verĂŒbt (ausnahmslos Körperverletzungen).

Der Terroranschlag der Hamas gegen den Staat Israel am 7. Oktober 2023 hatte maßgebliche Auswirkungen auf die Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland. Neben zahlreichen Veranstaltungen, welche sowohl pro-israelischen als auch pro-palĂ€stinensischen Charakter tragen, ist auch ein deutlicher Zuwachs an politisch motivierten Straftaten mit erkennbarem Bezug zum Nahostkonflikt festzustellen. Im Jahr 2024 wurden insgesamt 74 Straftaten (2023: 62) in der Statistik zur PMK erfasst, die im Bereich der Themenfelder „Krisenherde/BĂŒrgerkriege – Israel/PalĂ€stina“ registriert wurden. Waren im Jahr 2023 noch mehrheitlich Farbschmierereien bzw. Plakatierungen und Aufkleber (z. B. „Free PalĂ€stina“ oder „Fuck Israel“) die ĂŒblichen Begehungsweisen, dominierte im vergangenen Jahr die Äußerung „From the river to the sea“. Diese wird sowohl in den sozialen Netzwerken als auch verbal geĂ€ußert. Der ĂŒberwiegende Teil der Straftaten trĂ€gt pro-palĂ€stinensischen Charakter.

Text/Foto: Ministerium fĂŒr Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt am 09. April 2025