Unter dem Motto „Zukunft geMAInsam gestalten!“ begeht der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) den Tag der Arbeit – im dritten Jahr der Corona-Pandemie wieder mit Kundgebungen vor Ort auf den Straßen und Plätzen im gesamten Bundesgebiet.
Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann (Foto) brachte bei der zentralen Kundgebung in Berlin seine Bestürzung über den Krieg in der Ukraine zum Ausdruck und verurteilte den völkerrechtswidrigen Angriff. „Mit dem verbrecherischen Angriff Putins auf die Ukraine ist Krieg als Mittel der Politik nach über 20 Jahren nach Europa zurückgekehrt. Unsere Werte wie Menschenrechte, Frieden und soziale Gerechtigkeit sind keine Selbstverständlichkeit. Dieser menschenverachtende Krieg ist ein Angriff auf die europäische Friedensordnung und auf unsere Demokratie“, so Hoffmann. Er appellierte an den russischen Präsidenten, den Krieg sofort zu beenden und forderte Hilfe für diejenigen, über die der Krieg Not und Elend gebracht habe.
Hierzulande komme es nun darauf an, Geflüchtete zu integrieren. „Ihre Qualifikationen müssen unbürokratisch anerkannt werden. Nur so können sie schnell gute Arbeit finden, die anständig bezahlt wird.“ Angesichts der Frage nach der künftigen Friedens- und Sicherheitsordnung Europas warnte er vor einer neuen Phase der Konfrontation und einer dauerhaften Aufstockung des Rüstungshaushalts: „Wir sagen Nein zu Militarisierung und massiver Aufrüstung. Wir brauchen dieses Geld für Zukunftsinvestitionen in die Transformation. Und wir brauchen es für die Leistungsfähigkeit unseres Sozialstaats. Militärische Friedenssicherung darf niemals zulasten des sozialen Friedens erkauft werden.“
Der Krieg beeinflusse auch die Wirtschaft und Energieversorgung hierzulande. „Die Energiepreise sind für viele Menschen und für einige Unternehmen kaum noch bezahlbar. Hier muss gegengesteuert werden.“ Hoffmann forderte, von Energieimporten unabhängig zu werden. „Die Ampelkoalition hat ein ambitioniertes energiepolitisches Programm aufgestellt. Die Gewerkschaften werden sie dabei unterstützen – aber auch ganz genau hinschauen. Wir brauchen bezahlbare Energie für alle“.
Deutlich bessere Löhne für die Beschäftigten der Sozial- und Erziehungsberufe forderte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack in ihrer Mai-Rede auf dem Frankfurter Römer. Angesichts der aktuellen Tarifrunde in dem Bereich forderte sie von den Arbeitgebern: „Zollt den Kolleginnen endlich den nötigen Respekt für Ihre Arbeit! Legt endlich ein ordentliches Angebot vor! Die Arbeitsbedingungen müssen endlich besser werden, die Löhne müssen rauf!“ Es sei „skandalös, dass die kommunalen Arbeitgeberverbände auch nach der zweiten Verhandlungsrunde noch immer keine einzige Idee haben, die bis an die Erschöpfung arbeitenden Kolleginnen und Kollegen zu entlasten oder ihre Arbeit finanziell anzuerkennen! Und dass, obwohl der Fachkräftemangel weiter um sich greift, die Krankenstände aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen hoch sind und viele einfach nicht mehr können.“
Für den Bildungsbereich verlangte die DGB-Vize mehr Investitionen für Schulgebäude und Kindergärten, für mehr Personal und für die Aus- und Weiterbildung. „Unser Bildungssystem ist nicht vorbereitet auf die Veränderungen der sozial-ökologischen Transformation und ihren Bedarf an qualifizierten Fachkräften“, betonte Hannack. „Zu viele junge Menschen verlassen die Schule ohne Abschluss. Zu viele junge Menschen bleiben ohne Ausbildungsplatz. Zu viele Menschen bleiben ohne Berufsabschluss. Wir erwarten, dass die Bundesregierung jetzt handelt und einlöst, was im Koalitionsvertrag verabredet wurde. Dazu gehört der Ausbau der frühkindlichen Bildung, ein modernisiertes BAföG, eine bessere Förderung der Weiterbildung sowie endlich eine umlagefinanzierte Ausbildungsgarantie.“ Es müsse „Schluss damit sein“, so Hannack, „dass nur rund 20 Prozent der Betriebe ausbilden und die anderen 80 Prozent der Betriebe sich darauf ausruhen und keinen einzigen jungen Menschen ausbilden.“
Stefan Körzell, DGB-Vorstandsmitglied, verwies bei der Mai-Kundgebung in Leipzig auf die noch immer existierende Lohnkluft zwischen Ost und West: „Damit muss Schluss sein! Es wird Zeit, dass die Arbeitgeber hier in die Spur kommen.“ Wo Tarifverträge gelten, sei der Abstand zwischen Ost- und Westlöhnen fast ausgeglichen. Aber vielfach, so Körzell, „flüchten die Arbeitgeber aus der Tarifbindung. Die haben immer noch nicht kapiert, dass ein gutes Betriebsklima und zufriedene Beschäftigte wichtig für den unternehmerischen Erfolg sind.“ Die Bundesregierung müsse hier engagiert mit einem Bundestariftreuegesetz gegensteuern, betonte der Gewerkschafter. „Wir brauchen den Schutz durch Tarifverträge auch bei Betriebsübergängen, Outsourcing und Umstrukturierungen. Öffentliche Aufträge sollten ausschließlich an tarifgebundene Unternehmen gehen.“
Der Mindestlohn als unterste Haltelinie müsse schnell auf 12 Euro angehoben werden. Gerade in ostdeutschen Ländern profitieren davon viele Beschäftigte, vor allem Frauen.
Für die Kohleregionen forderte Körzell eine vorausschauende Strukturpolitik mit ausreichend Qualifikations- und Ausbildungsangeboten. „Die dafür vom Bund zugesagten Gelder müssen endlich eingesetzt werden, um neue, gut bezahlte Arbeitsplätze zu schaffen. „Alle müssen an einen Tisch, Politik, Gewerkschaften, Arbeitgeber, die Bundesagentur für Arbeit, die Wissenschaft und nicht zuletzt Betriebs- und Personalräte.“
Überdies forderte Körzell massive Investitionen in Infrastruktur, für Bildung und Soziales, für Straßen, Schulen und Gesundheit. Dafür brauche der Staat mehr Einnahmen. „Unternehmen, Spitzenverdienende und reiche Haushalte müssen mehr zum Gemeinwesen beitragen. Beschäftigte finanzieren mit ihren Steuern den größten Teil der öffentlichen Ausgaben. Hier muss die Politik für mehr Gerechtigkeit sorgen, sonst bleibt der gesellschaftliche Zusammenhalt auf der Strecke.“
DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel erinnerte in Kassel daran, wie wichtig in krisenhaften Zeiten ein starker Sozialstaat ist: „Es war der Sozialstaat, der uns mit seinen Sicherheitsankern durch die Krise gebracht hat. Wir Gewerkschaften haben an der Seite der Beschäftigten ein höheres Kurzarbeitergeld erstritten und Arbeitslosigkeit verhindert. Mit dem erleichterten Zugang zur Grundsicherung wurde von vielen bitterste Not abgewendet. Gemeinsam haben wir dafür gesorgt, dass Arbeitgeber ihren Teil der Verantwortung für den Gesundheits- und Arbeitsschutz übernehmen, Kosten für Tests und Masken. Jeden neoliberalen Angriff auf unsere Sicherungssysteme haben wir hart zurückgewiesen, gekämpft für Lohnfortzahlung in der Quarantäne, für Kinderkrankengeld“, zog Piel Bilanz.
Die Krise habe aber auch Lücken gezeigt. „Wer ohnehin schon ein Mini-Einkommen hat, ist durch das anteilige Kurzarbeitergeld nicht gut abgesichert. Deshalb muss es in Zukunft auch beim Kurzarbeitergeld eine untere Haltelinie geben“, forderte Piel. In der Krise fielen außerdem tausende Minijobs weg. Viele landeten direkt in der Grundsicherung. „Dass die Ampel die Minijobs jetzt auch noch ausweiten will, ist ein Riesenfehler“, mahnte die Gewerkschafterin. Auch in Zukunft und angesichts des Kriegs in der Ukraine liege viel Arbeit vor den Gewerkschaften. „Die steigenden Energiepreise und die Inflation machen einmal mehr deutlich, wie wichtig gerechte Lastenverteilung gerade in krisenhaften Zeiten ist. Wir denken an Menschen in Arbeit genauso wie an die in Arbeitslosigkeit, an die jungen Menschen in Schulen, Ausbildung und Studium genauso wie an unsere Älteren mit kleinen Renten und an Kinder, deren Armut wir mit einer echten Kindergrundsicherung eingrenzen müssen“, so Piel.