„Wir verzeichnen zwar ein leichtes Wachstum bei der Zahl der Ärztinnen und Ärzte, leider reicht dieser Zuwachs aber bei weitem nicht aus, um den Behandlungsbedarf einer Gesellschaft des langen Lebens auf Dauer zu decken. Dieser besorgniserregenden Entwicklung dürfen Bund und Länder nicht länger tatenlos zusehen. Was wir jetzt brauchen, sind eine konsequente Nachwuchsförderung und bessere Ausbildungsbedingungen im ärztlichen Bereich.“ So kommentiert Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), die Ergebnisse der aktuellen Ärztestatistik.
Wie aus den Daten hervorgeht, waren im Jahr 2021 bei den Landesärztekammern insgesamt 416.120 berufstätige Ärztinnen und Ärzte gemeldet. Damit stieg die Zahl zwar wie bereits im Vorjahr um 1,7 Prozent beziehungsweise um rund 7.000 Personen. Der Zuwachs blieb damit jedoch unter dem von 2019 (+2,5 Prozent).
Trotz leicht gestiegenen Ausbildungsplatzkapazitäten an Deutschlands medizinischen Fakultäten darf bezweifelt werden, ob das deutsche Bildungssystem eine ausreichende Zahl an Ärztinnen und Ärzten hervorbringt, damit die der Versorgung zur Verfügung stehende ärztliche Arbeitszeit in Zukunft ausreichen wird.
Nach wie vor schlägt sich die gesamtgesellschaftliche Entwicklung hin zu mehr Teilzeitarbeit und weniger Überstunden auch in der Ärzteschaft nieder. Dadurch sind mehr Köpfe nötig, um die freien Stellen in der medizinischen Versorgung zu besetzen und die Zahl der zur Verfügung stehenden Arztstunden konstant zu halten -und das bei steigenden Behandlungszahlen. Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft wuchs die Zahl der Behandlungsfälle in den Krankenhäusern zwischen 1991 und 2019 von 14,6 auf 19,4 Millionen. Hinzu kommen laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung etwa eine Milliarde Arztkontakte jährlich in den Praxen. Und der Behandlungsbedarf wird weiter zunehmen. Allein bei den Diabeteserkrankungen prognostiziert das Deutsche Diabetes-Zentrum einen Anstieg um bis zu 77 Prozent bis zum Jahr 2040.
Die Gesellschaft wird älter, und mit ihr auch die Ärztinnen und Ärzte. Jeder fünfte von ihnen steht unmittelbar vor dem Ruhestand. Über 13 Prozent der Ärztinnen und Ärzte gehören der Altersgruppe der 60- bis 65-jährigen an; weitere 8,5 Prozent haben das 65. Lebensjahr bereits überschritten. Damit verschärft sich die ohnehin angespannte Personalsituation in Kliniken und Praxen in den nächsten Jahren noch weiter. So geht der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte davon aus, dass etwa ein Viertel der Kinder- und Jugendärzte zwischen 2020 und 2025 aus dem Berufsleben ausscheidet.
„Die Corona-Pandemie zeigt ganz deutlich, wie kurz die Personaldecke im Gesundheitswesen schon heute ist – in den Pflegeberufen genauso wie bei den Ärztinnen und Ärzten in den Praxen, Krankenhäusern und Gesundheitsämtern“, sagt BÄK-Präsident Reinhardt. Der enorme Einsatz der Kolleginnen und Kollegen habe in den vergangenen zwei Jahren einen Zusammenbruch der medizinischen Versorgung verhindert. „In der Pandemie dürfte jedem klargeworden sein, dass eine gute Personalausstattung in der medizinischen Versorgung kein Luxus ist, sondern schnell zu einer existenziellen Frage werden kann“, so Reinhardt weiter. Die Politik müsse daraus endlich dieKonsequenzen ziehen und wirksame Maßnahmen gegen den Ärztemangel ergreifen. „Dazu gehören neben mehr Studienplätzen in der Humanmedizin auch attraktive berufliche Rahmenbedingungen, um junge Ärztinnen und Ärzte in der kurativen Medizin zu halten“, fordert der BÄK-Präsident. Gerade in vielen ländlichen Regionen sei der Ärztemangel schon heute Realität.
Mehr Ärztinnen und Ärzte im ÖGD tätig, aber nicht in allen Bundesländern
Der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) verzeichnete im zweiten Pandemiejahr einen starken Zuwachs an berufstätigen Ärztinnen und Ärzten. Ihre Zahl stieg um rund fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr an, jedoch fiel diese Entwicklung je nach Bundesland sehr unterschiedlich aus. Während einige Bundesländer zweistellige Zuwachsraten verzeichneten (z. B. Hamburg und Hessen) waren anderenorts die Zahlen rückläufig (Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen und Thüringen).
Zuwanderung verlangsamt sich deutlich
Die Zuwanderung von ausländischen Ärztinnen und Ärzten – vor der Pandemie ein entlastender Faktor für die medizinische Versorgung – verlangsamte sich weiter. Im Jahr 2021 stieg die Zahl der Ärztinnen und Ärzte mit ausländischer Staatsangehörigkeit nur um rund 1.100 auf rund 57.200. Dies entspricht einem Plus von lediglich 1,9 Prozent – nach Wachstumsraten von sieben bis acht Prozent in den Vorjahren. Gleichzeitig stieg die Zahl der ins Ausland abgewanderten Ärztinnen und Ärzten nach einem Einbruch im Jahr 2020 wiederan und erreichte mit rund 1.900 Abwanderungen das Niveau der Vorjahre.
Zudem nahmen im Vergleich zu den Vorjahren deutlich mehr Ärztinnen und Ärzte Elternzeit (+7,7 Prozent) in Anspruch. Insgesamt sind rund 132.000 Ärztinnen und Ärzte ohne ärztliche Tätigkeit; davon rund 93.000 im Ruhestand.
Foto/Text Bundesärztekammer
Abbildung: Struktur der Ärzteschaft 31.12.2021 (Zahlen in Tausend)