Sanktionspaket der EU umfasst auch persönliche Sanktionen gegen russische OligarchInnen – Studie zeigt: Unternehmen, gegen deren Leitung Sanktionen ausgesprochen wurden, erfahren stärkere Wertverluste als andere Unternehmen mit OligarchInnen im Vorstand – EU, Großbritannien und USA sollten Sanktionslisten vereinheitlichen und erweitern, wenn sie Druck erhöhen möchten
Die Finanzmärkte reagieren auf die Sanktionen gegen russische OligarchInnen: Unternehmen, die von sanktionierten OligarchInnen geführt werden, haben seit der Ankündigung der Sanktionen deutlich größere Kursverluste erlitten als Unternehmen ohne sanktioniertes Führungspersonal. Das zeigt eine Studie der Abteilung Makroökonomie im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Russische Unternehmen mit sanktionierten OligarchInnen im Vorstand verloren in den Tagen nach der Ankündigung der Sanktionen über 30 Prozent ihres Werts an der Börse, russische Unternehmen ohne sanktionierte Vorstände hingegen nur 19 Prozent.
Nicht weniger deutlich ist der Unterschied bei den Aktienrenditen: Diese fielen bei Unternehmen mit sanktioniertem Führungspersonal um etwa elf Prozentpunkte stärker als bei Unternehmen ohne sanktionierte Vorstände. „Die persönlichen Sanktionen treffen nicht nur die OligarchInnen selbst, sondern auch die von ihnen geleiteten Unternehmen“, sagt Studienautorin Pia Hüttl. „Die Sanktionen wirken also über die persönliche Ebene hinaus und beinträchtigen den Marktwert von Unternehmen, die von sanktionierten OligarchInnen geführt werden.“
Neben PolitikerInnen und Militärs auch OligarchInnen sanktioniert
Warum Unternehmen unter Sanktionen gegen ihr Führungspersonal leiden, ist unklar. „Handelspartner und InvestorInnen können von den Sanktionen abgeschreckt werden“, vermutet Co-Autorin Franziska Bremus. „Ebenso kann es sein, dass sanktionierte OligarchInnen Zeit aufbringen müssen, um Vermögen zu sichern – und sich so weniger für ihre Vorstandstätigkeit engagieren können.“ Die Europäische Union hatte am 23. Februar eine Liste von sanktionierten RussInnen bekanntgegeben. Neben zahlreichen PolitikerInnen und höherrangigen Militärs wurde dabei auch die ökonomische Elite Russlands ins Visier genommen.
Insgesamt belegte die EU 42 russische OligarchInnen mit Sanktionen, beispielsweise dem Einfrieren von Vermögenswerten. Für die Studie untersuchten die Autorinnen 25 Unternehmen, davon 18 mit sanktioniertem Führungspersonal. Für die Liste konnten ausschließlich Unternehmen untersucht werden, die an ausländischen Börsen registriert sind, da die Börse in Moskau kurz nach Kriegsbeginn geschlossen wurde. Für die Studie wurden die erwartbaren Renditen mit den beobachteten in den ersten vier Tagen nach Verkündung der Sanktionen verglichen, um die Marktwertverluste abzuschätzen.
Sanktionslisten müssen harmonisiert werden
„In der Forschung ist umstritten, ob Sanktionen das Handeln der sanktionierten Staaten beeinflussen“, sagt Co-Autorin Franziska Bremus. „Unsere Untersuchung zeigt, dass persönliche Sanktionen auch ökonomische Auswirkungen über die Vermögen der Sanktionierten hinaus haben können.“ Auch wenn die Durchsetzung der Sanktionen gegen Einzelpersonen nach wie vor aufgrund von Informationslücken und rechtlichen Unsicherheiten schwierig ist, habe sich allein die Ankündigung der Sanktionen negativ auf die betroffenen Unternehmen ausgewirkt. „Besonders wichtig ist nun, dass die EU, Großbritannien und die USA ihre Sanktionslisten harmonisieren“, so Bremus. „So könnten Unsicherheiten beim Umgang mit Sanktionierten verhindert und Schlupflöcher gestopft werden.“ Dies stärke letztlich auch die Glaubwürdigkeit der Maßnahmen.
Text/Foto DIW