Wie Wissenschaftler:innen der UniversitĂ€tsmedizin Magdeburg durch ein neuartigen Ansatz NervenschĂ€digungen und Wahrnehmungsstörungen bei Betroffenen frĂŒhzeitig erkennen wollen.
Die Zahl der Menschen mit Diabetes nimmt nach wie vor zu. In Sachsen-Anhalt sind es mit ĂŒber 11 Prozent der Bevölkerung (GKV-Daten der BARMER) besonders viele. Erhöhte Zuckerspiegel fĂŒhren nicht zu eindeutigen Symptomen. Meistens klagen die Betroffenen ĂŒber unspezifische Zeichen wie vermehrtes Wasserlassen, Mundtrockenheit, Sehstörungen und Abgeschlagenheit. HeimtĂŒckisch ist die Erkrankung Diabetes wegen schleichender VerĂ€nderungen an den Nerven und der Entwicklung von Missempfindungen oder dem Verlust von Wahrnehmung an den FĂŒĂen. Damit besteht die Gefahr ernsthafter Verletzungen bei den Betroffenen. Schon zum Zeitpunkt der ersten Diagnose einer Zuckererkrankung können VerĂ€nderungen an den Nerven vorliegen. Mit einem neuartigen Forschungsansatz widmet sich eine Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Peter Mertens, Klinikdirektor der Klinik fĂŒr Nieren- und Hochdruckkrankheiten, Diabetologie und Endokrinologie der UniversitĂ€tsmedizin Magdeburg, diesem Problem. Die Arbeitsgruppe hat ein Register fĂŒr âDiabetes und Nerven“ aufgebaut, in dem schon mehr als 1.100 Betroffene der Region Magdeburg aufgenommen wurden. Ziel ist es, NervenschĂ€den mit Hilfe eines einfach gestalteten Spiels zu erfassen und damit einen frĂŒhzeitigen Nachweis einer NervenschĂ€digung oder einer kognitiven EinschrĂ€nkung zu erbringen. In dem Forschungsprojekt unter dem Titel âNeuropath iA“ werden noch weitere Studienteilnehmer:innen gesucht.
Prof. Mertens erklĂ€rt: âZirka jeder dritte Patient mit Diabetes leidet an einer NervenschĂ€digung. Gut die HĂ€lfte dieser Patienten weiĂ dies jedoch nicht und lĂ€uft somit Gefahr fĂŒr eine ernsthafte FuĂverletzung, wie etwa Verbrennungen. Verletzungen werden dadurch unbemerkt verschleppt und weiten sich leichter aus.“ Laut dem Diabetologen können zudem Nerven durch den Einfluss von erhöhten Blutzuckerwerten aktiviert werden, ohne dass es angebracht wĂ€re. Dies fĂŒhre zu Symptomen wie Ameisenkribbeln, unangenehmem Ziehen bis brennenden Schmerzen, meist verbunden mit Bein- oder FingerkrĂ€mpfen. Bei der Ă€rztlichen Untersuchung wird nach solchen VerĂ€nderungen gefahndet. In der Diagnostik nutzt die Magdeburger Arbeitsgruppe dafĂŒr ein eigens entwickeltes einfaches Spiel. Prof. Mertens erlĂ€utert das Prinzip: âNervenschĂ€den werden unter anderem durch Auslösung der Muskelreflexe oder die Nutzung einer Stimmgabel bestimmt. Unsere Probandinnen und Probanden tragen Schuhe mit speziellen Einlegesohlen, die mit Hilfe von Drucksensoren die Nervenfunktion bei bestimmten BewegungsĂŒbungen messen können. Sind die Wahrnehmungen vermindert, spricht man von einer Polyneuropathie.“ Neben dem 20-minĂŒtigen Bewegungs-Spiel erfolgen eine Ă€rztliche Untersuchung aller Nervenfunktion, eine Testung der kognitiven Funktionen und ein Fragebogen ist ebenfalls auszufĂŒllen. Die Auswertung der Spielergebnisse werden den Studienteilnehmenden unmittelbar mitgeteilt und mit Untersuchungsbefunden der Ărzt:innen verglichen.
Mehr als 200 Probanden haben bisher erfolgreich an der Studie teilgenommen. âWir benötigen knapp 500 Probanden mit Diabetes Typ I oder II, damit wir eine aussagefĂ€hige Kohorte haben“, erklĂ€rt Prof. Mertens. Interessierte sollten im Alter von 18 bis 80 Jahren sein, eine SchuhgröĂe von 36 bis 46 tragen und nicht an FuĂverĂ€nderungen und akuten Erkrankungen leiden. Die Untersuchungen finden an der UniversitĂ€tsmedizin in Magdeburg statt. Die Fahrtkosten können erstattet werden.
Das Projekt mit dem Titel âNeuropath iA“ (Prof. Dr. Peter Mertens, Antao Ming, Claudia Piehler) ist Teil des interdisziplinĂ€ren Forschungsverbundes âAutonomie im Alter“ und wird durch den EuropĂ€ischen Fonds fĂŒr regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.
Kontakt:
Claudia Piehler, Studienzentrum der Klinik fĂŒr Nieren- und Hochdruckkrankheiten, Diabetologie und Endokrinologie am UniversitĂ€tsklinikum Magdeburg A.ö.R., Leipziger Str. 44, Tel.: 0391-67 21745, Mail: claudia.piehler@med.ovgu.de
Titelfoto: Prof. Dr. Peter R. Mertens, Assistenzarzt Ahmad Al Hajjar und Antao Ming, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, sind unter anderem Teil der Forschungsgruppe. (c) Fotografin: Sarah Kossmann/UMMD
Foto 2: Wissenschaftlicher Mitarbeiter Antao Ming demonstriert die Funktionsweise der Sohle in Verbindung mit dem Spiel auf einem Tablet. (c) Fotografin: Sarah Kossmann/UMMD