Rukwied: Bauern investieren kaum noch in die Tierhaltung
Die Stimmungslage unter den deutschen Landwirten hat sich im Herbst 2022 deutlich verschlechtert. Das zeigen die Ergebnisse des DBV-Konjunkturbarometers Agrar fĂŒr den September. Ihre aktuelle wirtschaftliche Lage schĂ€tzen die Landwirte gegenĂŒber dem Sommer zwar etwas besser ein, die zukĂŒnftige wirtschaftliche Situation wird hingegen schlechter beurteilt. Der Indexwert des Konjunkturbarometers Agrar geht im September auf 8,4 zurĂŒck und liegt damit deutlich unter dem Wert der vorangegangenen Erhebung vom Juni mit einem Wert von 11,1. Der Indexwert bildet die EinschĂ€tzung der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung und die Erwartungen an die zukĂŒnftige wirtschaftliche Entwicklung ab.
Der PrĂ€sident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied (Foto), macht sich mit Blick auf die deutlich verschlechterte EinschĂ€tzung groĂe Sorgen: âDiese Zahlen sind deshalb alarmierend, weil kaum noch in die Tierhaltung investiert wird. Wir verlieren damit dramatisch Wertschöpfung und ArbeitsplĂ€tze. Die Landwirte brauchen jetzt dringend Planungssicherheit und eine verlĂ€ssliche Perspektive fĂŒr den Umbau der Tierhaltung.“
Trotz der verschlechterten wirtschaftlichen Stimmungslage steigt die Investitionsbereitschaft der deutschen Landwirte an, und zwar vor allem wegen stark gestiegener Investitionsabsichten in Erneuerbare Energien. Hier wird vor allem in Photovoltaikanlagen, darunter auch in FreiflĂ€chen- und Agri-PV-Anlagen investiert. Der Anteil der Landwirte, der im nĂ€chsten halben Jahr investieren will, liegt bei 34 Prozent (Vorjahr 30 Prozent). Das dabei geplante Investitionsvolumen wird auf 5,7 Mrd. Euro veranschlagt (Vorjahr 5,3 Mrd. Euro). Grund fĂŒr das höhere Investitionsvolumen sind erheblich höhere Investitionen in Erneuerbare Energien (plus 1,4 Mrd. Euro). Dem gegenĂŒber steht ein stark verminderter Kapitaleinsatz bei WirtschaftsgebĂ€uden.
Das geplante Investitionsvolumen in StĂ€lle ist auf einen bislang kaum gekannten Tiefstand gefallen. Mit nur 1,5 Mrd. Euro werden 1,0 Mrd. Euro weniger gegenĂŒber dem ohnehin bereits vergleichsweise niedrigen Vorjahresstand in Wirtschaftsbauten einschlieĂlich Hof- und Stalltechnik investiert. Die offensichtlich verstĂ€rkte InvestitionszurĂŒckhaltung bei WirtschaftsgebĂ€uden kommt auch darin zum Ausdruck, dass es sich bei den geplanten Stallbauinvestitionen zu mehr als zwei Drittel um Erhaltungsinvestitionen handelt.
Auf der Notenskala von 1 bis 5 wird die aktuelle wirtschaftliche Situation im Durchschnitt der Betriebe mit 2,99 deutlich gĂŒnstiger beurteilt als die zukĂŒnftigen Aussichten mit einem Wert von 3,40. Die aktuelle wirtschaftliche Lage hat sich gegenĂŒber Juni in den Veredlungsbetrieben deutlich verbessert. In den Ackerbaubetrieben hat sich die EinschĂ€tzung gegenĂŒber Sommer kaum verĂ€ndert. Unter den Betriebsformen am besten wird die aktuelle wirtschaftliche Situation von den Futterbaubetrieben beurteilt. Im Ausblick auf die nĂ€chsten zwei bis drei Jahre blicken Veredlungsbetriebe wieder deutlich zuversichtlicher in die Zukunft. In Futter- und Ackerbaubetrieben dagegen hat die Skepsis gegenĂŒber Juni zugenommen.
Im Jahresvergleich werden die Erzeugerpreise fĂŒr Milch, Rinder und Schweine deutlich besser bewertet. Erheblich schlechter dagegen fallen die EinschĂ€tzungen zu den DĂŒngemittel- und Energiepreisen, zu den Fremdkapitalzinsen sowie zu den politischen Rahmenbedingungen aus.
Der Ukraine-Krieg hinterlĂ€sst seine Spuren auch in der Landwirtschaft. 72 Prozent der Landwirte befĂŒrworten, AckerstilllegungsflĂ€chen wieder fĂŒr die Produktion zuzulassen (Juni 79 Prozent). 65 Prozent der Landwirte (Juni 53 Prozent) befĂŒrchten, dass öffentliche Mittel zugunsten der Landwirtschaft knapper werden. Nur noch 39 Prozent (Juni 49 Prozent) glauben, dass der gesellschaftliche Stellenwert der Landwirtschaft als Folge des Ukraine-Krieges zunimmt. 38 Prozent der Landwirte (Juni 26 Prozent) wollen wegen den aktuellen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine geplante Investitionen auf unbestimmte Zeit verschieben. Gleichzeitig sehen 16 Prozent der Landwirte (Juni 13 Prozent) neue Marktchancen, verbunden mit Ănderungen in der Anbauplanung.
Das Konjunktur- und Investitionsbarometer Agrar wird vierteljÀhrlich im Auftrag des DBV, des VDMA Fachverbandes Landtechnik und der Landwirtschaftlichen Rentenbank in einer reprÀsentativen Umfrage ermittelt. Zur aktuellen Runde im September 2022 befragte das Marktforschungsinstitut Produkt + Markt dazu 850 Landwirte in ganz Deutschland.
Foto (c) Gero Breloer / DBV