Zur Lage der Menschenrechte in Ägypten sagte die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe, Luise Amtsberg, heute (06.11.):
“ Die heute beginnende Klimakonferenz COP27 in Scharm el-Scheich kommt zu einem Schlüsselmoment im gemeinsamen, internationalen Kampf gegen die Klimakrise. Als arabisches und afrikanisches Land übernimmt Ägypten mit der Ausrichtung dieser Konferenz eine besondere Verantwortung und Führungsrolle, die ich ausdrücklich begrüße.
Gerade beim Klimaschutz, der vom engen Austausch zwischen Politik und Zivilgesellschaft lebt, sind Erfolge aufs Engste mit der Teilhabe aller verknüpft. Internationale Ereignisse wie die Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen müssen ihre Tür für alle Interessierten und Engagierten öffnen, damit die Regierungsvertreterinnen und -vertreter der verhandelnden Staaten ihre Ansätze zur Lösung der Klimakrise gegenüber zivilgesellschaftlichen Vertreterinnen und Vertretern erklären dürfen und dafür einstehen. Nur im offenen Austausch der Ideen und Ansätze kann es uns gelingen, die Klimakrise zu bewältigen. Wo hingegen die Angst vor Repression überwiegt, kann zivilgesellschaftliches Engagement nicht auf Dauer existieren.
Ein bedeutendes Ereignis wie die COP 27 in Scharm el-Scheich rückt unweigerlich das Gastland in all seinen Facetten ins Zentrum: Globale Verantwortung zu übernehmen heißt vor allem auch, Verantwortung für den Schutz von Menschenrechten zu übernehmen. Die Lage der Menschenrechte in Ägypten wird dem jedoch nicht gerecht. Die Situation des Journalisten und Aktivisten Alaa Abdel Fattah und seines Anwalts Mohammed El Baqer, die beide unter teils schwierigsten Bedingungen inhaftiert sind, belegt das beispielhaft: Dass Menschen, die ihre Meinung frei äußern wollen und für dieses Recht eintreten, mit langjährigen Haftstrafen – teils unter menschenunwürdigen Umständen – bestraft werden, ist nicht hinnehmbar. Das gilt umso mehr, wenn ein Land wie Ägypten sich in anderen Bereichen zu seiner internationalen Verantwortung bekennt und dieses Jahr zudem zum „Jahr der Zivilgesellschaft“ erklärt hat. Die Freilassung von Herrn Fattah, der wegen seines Hungerstreiks in akuter Gefahr ist, sowie weiterer politischer Gefangener wäre ein wichtiges Zeichen, dass Ägypten diese Verantwortung ernst nimmt.
Ziviles Engagement und gesellschaftspolitische Kritik sind weder Verbrechen noch Terror. Das berechtigte staatliche Ziel, gegen Terror und dessen Ursachen vorzugehen, darf nicht als Feigenblatt für dauerhafte Eingriffe in Freiheits- und Menschenrechte missbraucht werden. Aus Ägyptens Menschenrechtsstrategie muss sich jetzt konkretes Handeln ableiten, das die Lage für Andersdenkende verbessert. Eine aktive Zivilgesellschaft ist kein Störfaktor, sondern essentieller Bestandteil lebendiger Gesellschaften.
Foto: Luise Amtsberg (c) Timo Wilke