Abnehmwunder oder gefährlicher Hollywood-Trend: Oberärztin klärt über Ozempic auf

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Vom Diabetes- zum Lifestyle-Medikament?

Magdeburg. In kürzester Zeit zur Traumfigur: Was viele Diäten seit Jahrzehnten versprechen, soll nun durch das unter nationalen und internationalen Stars beliebte Medikament Ozempic möglich sein. Aber stimmt das wirklich? Was genau passiert dann im Körper? Und ist der Effekt wirklich nachhaltig? Sylvia Damerau, Oberärztin in der Klinik für Kardiologie und Diabetologie, klärt im Interview auf.

Gefühlt stürzen sich ja seit Monaten alle auf Ozempic. Wie kommt das?

Damerau: Die Grundsubstanz ist eigentlich schon viel länger auf dem Markt, hieß aber nicht Ozempic. Der Vorgänger war bei der Gabe schlicht unbequemer, musste häufiger verabreicht werden. Der massive Gewichtsverlust ist dann erst mit Ozempic bekannt geworden, was ja einmal pro Woche gespritzt wird. Bei Diabetesmedikamenten denken viele an Insulin, was ein aufbauendes Medikament ist. Damit nimmt man also zu. Dass es nun etwas gibt, dass das Gegenteil bewirkt, hat Schlagzeilen gemacht und zu einer unerwarteten Nachfrage geführt. Ich verschreibe das Medikament an Patienten mit Typ-2-Diabetes und Adipositas. Die hatten damals Probleme, da überhaupt noch dranzukommen.

Was genau passiert im Körper, wenn ich mir Ozempic spritze?

Damerau: Ozempic wirkt ähnlich einem körpereigenen Hormon. Es stimuliert die Insulinausschüttung und bewirkt eine Sättigung im Zentralnervensystem. Außerdem wird der Magen-Darm-Trakt verlangsamt. Abhängig davon, wie hoch der Blutzucker ist, wird dieser gesenkt. Mit Ozempic kann man also Insulin einsparen. Durch die verringerte Gabe wird das Gewebe dann wiederum sensibler für Insulin, das kann dann also besser wirken.

Mit welchen Nebenwirkungen muss man rechnen?

Damerau: Ozempic hat soweit wir wissen sehr wenige Nebenwirkungen, allerdings laufen hier noch einige Studien. Es gibt daher auch keine Langzeitstudien, z.B. zu Depressionen, denn wir greifen ja in den Hormonhaushalt ein. Aber man darf nicht vergessen: Unbehandelte Adipositas hat eben auch Folgen, etwa Bluthochdruck oder Probleme mit den Gelenken. Letzteres führt dann eventuell zu Operationen und stark übergewichtige Menschen haben unter der OP ein höheres Risiko für Komplikationen.

Wenn es so wenige (bekannte) Nebenwirkungen gibt, ist das Medikament dann nicht tatsächlich für alle, die Gewicht verlieren wollen, sehr attraktiv?

Damerau: Wenn jemand bloß unzufrieden mit seinem Gewicht ist, aber eben nicht adipös, dann bin ich nicht für die Spritze. Dann ist das wie ungesundes „runterhungern“. Zumal wir darüber die Vorbeugung vergessen, etwa eine Ernährungstherapie. Ozempic ist quasi eine Abkürzung, die viele nehmen wollen. Damit zäumt man aber das Pferd von hinten auf. Was ja viele nicht wissen: Man muss das ein Leben lang nehmen, sonst kommen die Pfunde zurück. Das sind enorme Kosten, die auf einen zukommen, denn die Kassen übernehmen diese nur, wenn du Diabetes hast. Und da uns die Langzeitstudien fehlen, ist auch ein Langzeiteffekt bisher unerforscht.

Welche Probleme sehen Sie grundsätzlich im Klinikalltag?

Damerau: Ich habe Angst, dass Patienten weniger motiviert sind, sich um das zu kümmern, was eigentlich sehr relevant für sie ist – eben selbst zu überlegen, was sie essen sollten. Viele glauben ja auch, dass gesunde Ernährung zu teuer ist. Haferflocken? Naturjoghurt? Das ist nicht teuer. Ozempic hingegen kostet pro Monat 200 Euro, jede Woche musst du dir das spritzen – und das ein Leben lang, sonst nimmst du wieder zu. Einen wirklich nachhaltigen Effekt für die Gesundheit und dein Gewicht erzielst du also nur dann, wenn du ganz traditionell deine Lebensweise hinterfragst und daran etwas änderst.

Foto: Oberärztin Sylvia Damerau (c) Klinik für Kardiologie und Diabetologie

Quelle: Klinikum Magdeburg am 08. April 2025