Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen
Mittwoch, 11. Mai 2022
Leerstand in Bundesliegenschaften soll gesenkt werden
Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen/Ausschuss
Berlin: (hib/JOH) Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) will den Leerstand im bundeseigenen Wohnungsbestand bis Ende des Jahres von rund 12,5 Prozent auf zehn Prozent senken und bis dahin mit dem Neubau von 3.000 Wohnungen begonnen haben. Insgesamt könne die BImA rund 8.000 Wohnungen neu auf bundeseigenen Grundstücken bauen, berichtete der BImA-Vorstandsvorsitzende Christoph Krupp am Mittwoch im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen unter Leitung von Sandra Weeser (FDP). Das Gremium befasste sich auf Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Leerstand in den Liegenschaften des Bundes und dessen Gründen.
Diese seien vielfältig, erläuterte Krupp. So stünden rund 1.100 Wohnungen (2,9 Prozent des Wohnbestandes) fluktuationsbedingt leer und würden bald wieder vermietet. Für etwa 1,1 Prozent sei eine Nutzung als Wohnung nicht automatisch zulässig, etwa bei ehemaligen Kasernen. Diese würden derzeit häufig für die temporäre Unterbringung von Flüchtlingen genutzt. Darüber hinaus besteht laut Krupp bei 6,8 Prozent der Wohnungen Sanierungsbedarf. Ihre Instandsetzung und der zügige Abbau der Leerstände seien derzeit vorrangig.
Krupp verwies auf den 2018 vollzogenen Strategiewechsel, wonach bundeseigene Flächen und Immobilien größtenteils nicht mehr verkauft, sondern vermietet werden. Mit den Mieteinnahmen finanziere die BImA deren Sanierung. Um die Liquidität zu erhöhen, werde derzeit diskutiert, ob die BImA künftig auch Kredite aufnehmen darf. Krupp betonte, rund 60 Prozent der zu verkaufenden Grundstücke und Immobilien gingen an die Kommunen und kommunalen Unternehmen. Ihnen würden die Objekte, die der Bund nicht mehr braucht, zuerst angeboten.
Von Seiten der SPD wurde betont, die BImA kümmere sich um Gebäude, für die Investoren nicht gerade Schlange stünden. Seit knapp zwei Jahren leiste sie ihren Beitrag zur Entlastung des Wohnungsmarktes, indem sie direkt als Vermieterin auftrete.
Die CDU/CSU-Fraktion erkundigte sich konkreter nach den Mieteinnahmen und Sanierungsquoten sowie einer möglichen Verstetigung der Einnahmeseite über die Mieteinnahmen hinaus. Auch wollten die Abgeordneten wissen, wie die BImA damit umgeht, dass zahlreiche Büroflächen offenbar nur selten zu Wohnungszwecken umgebaut werden können.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hob den Perspektivwechsel der BImA positiv hervor. Es sei gut, dass sie die Wohnungen jetzt behalte und damit dazu beitrage, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Allerdings kritisierte sie, dass nur 60 Prozent der verkauften Objekte an die Kommunen gehen. So gebe der Bund Vermögen aus der Hand, anstatt es selbst zu entwickeln.
AfD und FDP fragte nach den Gründen für die aus ihrer Sicht niedrige Sanierungsquote und nach planungsrechtlichen Vorgaben, die einer Nutzung als Wohnung entgegenstehen. Seitens der Linksfraktion wurde die Kritik laut, eine Wende in der Wohnungspolitik der BImA sei nicht erkennbar. Die Leerstände seien weiterhin hoch, die Sanierungen verliefen schleppend und es werde weiter an private Investoren verkauft. Auch der Neubau gehe nur langsam voran.
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Kontroverse um CO2-Abgabe auf bestimmte EU-Importe
Klimaschutz und Energie/Anhörung
Berlin: (hib/HAU) Auf ein unterschiedliches Expertenecho stößt der Vorschlag der EU-Kommission für einen Grenzausgleichsmechanismus für Kohlendioxid (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) für bestimmte Sektoren, um dem Risiko der Verlagerung von Treibhausgasemissionen (Carbon Leakage) entgegenzuwirken. Während bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie am Mittwoch Anne Gläser vom Verein Germanwatch die zeitnahe Einführung eines klimapolitisch ambitionierten und kooperativ ausgerichteten CO2-Grenzausgleichs forderte, plädierte der Wirtschaftswissenschaftler Fritz Söllner von der Technischen Universität Illmenau für einen Verzicht auf CBAM und die Beibehaltung der teilweise kostenlosen Zuteilung von EU-ETS-Zertifikaten als Instrument zur Kompensation der durch die Klimapolitik verursachten Kostennachteile europäischer Unternehmen.
Hauptziel des CBAM ist es, durch Regulierung der herstellungsbedingten Treibhausgas-(THG)-Emissionen von Waren bei ihrer Einfuhr in das Zollgebiet der EU das Carbon-Leakage-Risiko zu verhindern. Darüber hinaus soll der CBAM den EU-Emissionshandel stärken und die Industrie außerhalb der EU und ihre internationalen Partner dazu anregen, ihre Emissionen zu reduzieren. Der CBAM soll das Modell der kostenlosen Zuteilung von EU-Zertifikaten (EUAs) ersetzen.
Aus Sicht von Matthias Blum vom Verband der Chemischen Industrie (VCI) birgt der CBAM eine Reihe ungelöster Probleme in sich. So bestehe etwa das Carbon-Leakage-Risiko für Exporte weiterhin, da nur für Importe eine Regulierung geplant sei. Blum warnte davor, mit dem Grenzausgleichsmechanismus protektionistische Handelshürden aufzubauen, die zu Handelskonflikten führen könnten. Für einen CBAM brauche es ein international abgestimmtes Vorgehen.
Ziel eines Grenzausgleichsmechanismus müsse die umweltpolitische Lenkungswirkung sein, sagte Andreas Bodemer als Vertreter der IG Metall, und forderte, die Einnahmen aus einem Grenzausgleich zweckgebunden für die Gestaltung der Transformation zu verwenden. Der CBAM müsse zudem so gestaltet werden, dass er nicht gegen die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) verstößt. Auch dürfe der Grenzausgleichsmechanismus nicht dazu führen, „dass der Produktionsstandort Europa einen Wettbewerbsnachteil auf dem Weltmarkt erfährt“.
Nach Auffassung von Anne Gläser von Germanwatch ermöglicht CBAM ein zeitnahes Ende der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten „und beschleunigt so die Industrietransformation in Richtung Klimaneutralität“. Unternehmen erhielten bei einem Wegfallen der kostenlosen Zuteilung „das volle Preissignal“ und damit einen stärkeren Anreiz für Investitionen in den klimaneutralen Umbau ihrer Produktion. Statt in den EU-Haushalt, wie aktuell geplant, müssten die Einnahmen gezielt zur Transformation verwandt werden, forderte Gläser.
Vorbehalte gegen den Kommissionsvorschlag gibt es beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Noch fehlten Antworten auf Fragen zu praktischer Umsetzbarkeit, den Auswirkungen auf komplexe Wertschöpfungsnetzwerke und auf handelspolitische Beziehungen sowie die Exporte, sagte BDI-Vertreterin Sigrid Linher. Außerdem könne die WTO-Kompatibilität nicht garantiert werden, was große Unsicherheit schaffe. Linher warb für eine längere Testphase. CBAM sollte aus Sicht des BDI nicht vor 2030 greifen, die freie Zuteilung von Zertifikaten bis dahin fortgesetzt werden.
Als einen ersten Schritt zur Wahrung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der EU als Industriestandort und zur Verhinderung von Produktionsabwanderung aufgrund der hohen europäischen Energiepreise sieht Professor Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, den CBAM an. Der CO2-Grenzausgleich müsse aber nicht nur Grundstoffe, sondern auch nachgelagerte Produkte erfassen. Dies sei jedoch ohne internationale Koordination und gemeinsame Standards schwer umzusetzen. In seiner aktuell vorliegenden Ausgestaltung ist der CBAM nach Ansicht Hüthers nicht geeignet, den bisherigen Schutz vor Carbon Leakage Risiken weiter zu gewährleisten. Der CBAM stelle auch kein Klimaschutzinstrument im engeren Sinne dar, sondern solle den europäischen CO2-Preis flankieren, um für die Beibehaltung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit zu sorgen. Ohne Exportrabattierung würde dieses Ziel jedoch verfehlt.
Julia Metz von der Organisation Agora Industrie hält das CBAM für „sinnvoll und notwendig“. Das aktuelle Carbon Leakage-System mit der kostenlosen Zuteilung sei nicht nachhaltig, betonte sie. Durch das Abschmelzen der kostenlosen Zuteilung könne das CO2-Preissignel seine volle Wirkung entfalten. Die erzielten Einnahmen müssten in eine gesamteuropäische Transformationsstrategie fließen, forderte sie. Außerdem, so Metz, stelle der CBAM einen Anreiz für globalen Klimaschutz dar. Internationale Handelspartner könnten so erkennen, „dass Europa mit seiner Transformation Kurs hält und sich Absatzmärkte für emissionsintensive Produkte schließen werden“.
Der Emissionshandel mit der kostenlosen Verteilung von Zertifikaten habe bisher nicht zur Dekarbonisierung des Industriesektors beigetragen, sagte Viviane Raddatz von WWF Deutschland. Ihrer Ansicht nach sollte die kostenlose Zuteilung ab 2023 ganz eingestellt werden. „Bis dahin sollte der CBAM vollständig in Kraft treten“, so Raddatz. Eine längere Beibehaltung der kostenlosen Zuteilung – oder ihre Abschaffung über mehr als zehn Jahre, wie von der Kommission vorgeschlagen, sei zu langsam und würde Investitionen in die Dekarbonisierung der Industrie verzögern.
Für Professor Fritz Söllner von der TU Ilmenau weist das vorgeschlagene CO2-Grenzausgleichssystem „weitaus mehr Nachteile als Vorteile auf“. Es verursache sehr hohe Kosten, trage nicht zu einer kosteneffizienten Emissionsreduktion bei und setze kaum Anreize zur Emissionsreduktion im außereuropäischen Ausland, befand er. Des Weiteren bestünden Umgehungs- und Missbrauchsmöglichkeiten, welche Anlass zu Streitigkeiten und Handelskonflikten geben könnten. Noch wichtiger, so Zöllner, sei die Gefahr für das Welthandelssystem durch wahrscheinliche Vergeltungsmaßnahmen der Handelspartner der EU, „da die WTO-Konformität des vorgeschlagenen Systems zumindest sehr zweifelhaft ist“.
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Senkung der Energiesteuer von Juni bis August 2022
Finanzen/Gesetzentwurf
Berlin: (hib/HLE) Die Koalition will die Energiesteuer auf Kraftstoffe vom 1. Juni 2022 bis zum 31. August 2022 deutlich senken, da die mit dem völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine erheblich gestiegenen Kraftstoffpreise für viele Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft kurzfristig zu einer unvorhersehbaren Belastung geworden seien. Daher erwarten die Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, dass es mit Verabschiedung des von ihnen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Energiesteuerrechts zur temporären Absenkung der Energiesteuer für Kraftstoffe (20/1741) zu einer erheblichen Senkung der Kraftstoffpreise kommen wird.
Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau seien zu erwarten und seien Zweck des Gesetzes. „Durch das Gesetz sollen die Endpreise für im Straßenverkehr verwendete Kraftstoffe an der Tankstelle signifikant sinken und die Belastung der Bürgerinnen und Bürger sowie der Wirtschaft durch die zuletzt stark gestiegenen Energiepreise abgefedert werden“, heißt es in dem Gesetzentwurf. Gesenkt werden die Steuern für die Kraftstoffe Diesel, Benzin, Erdgas und Flüssiggas sowie deren steuerlich gleichgestellte Äquivalente.
Die Steuermindereinnahmen für den Bundeshaushalt werden auf 3,15 Milliarden Euro beziffert. Mit dem Gesetz würden die Regelungen des europäischen Rechts und der Energiesteuerrichtlinie weiterhin eingehalten.
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Linke: Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen
Recht/Antrag
Berlin: (hib/SCR) Die Fraktion Die Linke unterstützt die von der Ampel-Koalition geplante Aufhebung des sogenannten Werbeverbotes für Schwangerschaftsabbrüche in Paragraf 219a des Strafgesetzbuches (StGB). Darüber hinaus fordert die Fraktion, „die vollständige Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen auf Wunsch der schwangeren Person durch Streichung des Paragrafen 218 StGB“. Die bisherige Beratungspflicht soll ferner durch ein Recht auf Beratung ersetzt werden, der „Beratungszwang“ nach Paragraf 218a Absatz 4 und Paragraf 219 StGB abgeschafft werden. „Reproduktive Gerechtigkeit“ will die Fraktion zum Regierungsziel erklärt wissen. Das geht aus einem Antrag der Fraktion (20/1736) hervor, der am Freitag gemeinsam mit dem entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/1635) sowie einem Antrag der Unionsfraktion (20/1017), der sich gegen die Aufhebung ausspricht, auf der Tagesordnung steht.
Wie die Fraktion zur Begründung ausführt, hätten „das über 150 Jahre geltende grundsätzliche Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen in § 218 StGB sowie die fast ein Jahrhundert andauernde Wirkung des Regelungsinhalts des § 219a StGB […] tiefe Spuren in der Versorgungslage für Schwangere, die einen Abbruch wünschen, hinterlassen“. Daher seien weitere Maßnahmen von Nöten, „um körperliche und sexuelle Selbstbestimmung, Entscheidungsfreiheit und ausreichende Versorgung mit Schwangerschaftsabbrüchen tatsächlich sicherzustellen“, schreibt die Fraktion.
Neben einem Ausbau von Beratungsangeboten fordert die Fraktion „den wirksamen Schutz vor Belästigung von Schwangeren und medizinischem oder beratendem Personal in Form von Gehsteigbelästigung vor Beratungsstellen und Praxen beziehungsweise Kliniken oder Belästigung im digitalen Raum durch aggressive Fehlinformation und Hassrede, insbesondere den Gebrauch von Holocaust verharmlosender Polemik in Bezug auf Schwangerschaftsabbrüche“.
Zudem sprechen sich die Abgeordneten für eine Verbesserung der „Versorgungslage mit Schwangerschaftsabbrüchen“ aus, etwa durch die Verankerung von Schwangerschaftsabbrüchen in der Ausbildung von Medizinerinnen und Medizinern. Zudem müsse ein flächendeckendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs sichergestellt werden. „Wenn nötig ist dies durch weitere Regelungen, die Kliniken in öffentlicher Hand verpflichten, die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen zu ermöglichen, zu realisieren“, fordert die Fraktion. Ferner verlangt die Fraktion, dass die Kosten für Schwangerschaftsabbrüche durch die gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden sollten.
Die hib-Meldung zum Regierungsentwurf: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-892626
Die hib-Meldung zum Unions-Antrag: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-885932
Zu den beiden Anträge und der Gesetzentwurf findet am Mittwoch, 18. Mai, eine öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss statt: https://www.bundestag.de/ausschuesse/a06_recht/anhoerungen/891746-891746
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Linke will Lesbarkeit parlamentarischer Vorlagen verbessern
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung/Antrag
Berlin: (hib/VOM) Für eine bessere Lesbarkeit von Vorlagen für die parlamentarische Beratung tritt die Fraktion Die Linke ein. Dazu will sie mit einem Antrag (20/1732) die Geschäftsordnung des Bundestages ändern. Gesetzentwürfen und Änderungsanträgen zu Gesetzen solle eine Lesefassung mit der Gegenüberstellung des geltenden und des beabsichtigten Gesetzeswortlauts beigefügt werden. Änderungen an einem Gesetzentwurf, die ein Ausschuss in seiner Beschlussempfehlung für das Plenum vorschlägt, sollen nach dem Willen der Fraktion ebenfalls durch eine Gegenüberstellung des geltenden Gesetzeswortlauts, des beabsichtigten Wortlauts im Gesetzentwurf und des Wortlauts der vom Ausschuss empfohlenen Änderung sichtbar gemacht werden.
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