Aktuelle Nachrichten aus dem Bundestag

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Neues aus AusschĂŒssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 26. Januar 2022

  1. Lage an belarussisch-polnischer Grenze bleibt angespannt
    Menschenrechte / Ausschuss

    Berlin: (hib/JOH) Die humanitĂ€re Lage an der belarussisch-polnischen Grenze bleibt aus Sicht der Bundesregierung angespannt. Nach SchĂ€tzungen der Internationalen Organisation fĂŒr Migration (IOM) wĂŒrden sich noch immer rund 1.500 GeflĂŒchtete und Migrantinnen und Migranten in Belarus befinden, die auf eine Einreise in die EU hofften, sagte eine Vertreterin des AuswĂ€rtigen Amtes (AA) am Mittwochmorgen im Menschenrechtsausschuss. 628 von ihnen seien in einem sogenannten Logistikzentrum nahe der polnischen Grenze untergebracht, das unter anderem wegen mangelhafter Hygienestandards auf Dauer nicht fĂŒr eine Unterbringung geeignet sei. In Polen seien nach Kenntnis der Bundesregierung 1.670 Personen in geschlossenen und 1.076 in offenen Aufnahmeeinrichtungen untergebracht. Da die Regierung den Zugang eingeschrĂ€nkt habe, sei die humanitĂ€re Lage dort schwer einzuschĂ€tzen. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) habe sich aus diesem Grund bereits aus der polnisch-belarussischen Grenzregion zurĂŒckgezogen.

Die EU wirft dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, die GeflĂŒchteten absichtlich ins Grenzgebiet zur EU geschleust und sie bei der irregulĂ€ren Migration aktiv unterstĂŒtzt zu haben, nachdem die EuropĂ€ische Union zuvor Sanktionen gegen sein Regime verhĂ€ngt hatte. Wie die AA-Vertreterin erklĂ€rte, seien in der Folge 2021 mindestens 20.000 Menschen ĂŒber Belarus in die EU gekommen, 11.000 von ihnen seien irregulĂ€r nach Deutschland eingereist. Insgesamt habe allein Polen im vergangenen Jahr mehr als 39.000 versuchte illegale GrenzĂŒbertritte verzeichnet. Polen, Litauen und Lettland hĂ€tten daraufhin den Grenzschutz verstĂ€rkt und Notstandsmaßnahmen wie die EinschrĂ€nkung des Asylrechts ergriffen.

Der Beschluss Polens im November 2021, den Zugang zum Grenzgebiet per Gesetz zu beschrĂ€nken und sogenannte Pushbacks, also das ZurĂŒckdrĂ€ngen von GeflĂŒchteten und Migranten nach Belarus, zu legalisieren, verstĂ¶ĂŸt nach Ansicht der Bundesregierung allerdings gegen europĂ€isches und internationales Recht, betonte die Außenamts-Vertreterin. EU-Kommission, EU-Grenzschutzagentur Frontex sowie unabhĂ€ngigen Beobachtern mĂŒsse der Zugang zum Grenzgebiet gewĂ€hrt und geltendes Recht beim Umgang mit den GeflĂŒchteten eingehalten werden, fasste sie die Forderungen der Bundesregierung zusammen.

Von den Abgeordneten zur Haltung der Bundesregierung gegenĂŒber dem Vorschlag der EU-Kommission gefragt, der vorsieht, das EU-Recht an den Grenzen zu Belarus vorĂŒbergehend auszusetzen, sagte sie, die Positionierung der Bundesregierung befinde sich noch in der Abstimmung. Doch unterstĂŒtze diese die Kommission in ihrer Haltung, physische Grenzbefestigungen, wie die von Polen geplante 186 Kilometer lange Mauer an der Grenze zu Belarus, nicht mitzufinanzieren.

Die Abgeordneten zeigten sich besorgt ĂŒber die Lage im Grenzgebiet und kritisierten insbesondere die fehlenden Zugangsmöglichkeiten. Es sei schwer zu akzeptieren, dass Polen einen Blick auf die Lage vor Ort verwehre, obwohl es sich um die gemeinsame EU-Außengrenze handle, betonte ein Vertreter der Unionsfraktion. Die Bundesregierung mĂŒsse Polen gegenĂŒber außerdem die illegalen Einreisen nach Deutschland („Pushthroughs“) thematisieren. GeflĂŒchtete und Migranten dĂŒrften nicht ohne Titel nach Deutschland kommen.

Die SPD verwies auf Berichte ĂŒber illegale Pushbacks durch Polen nach Belarus und die Internierung Asylsuchender in Haftanstalten. Das Aufnahmeverfahren und die Kriterien fĂŒr die Internierung seien intransparent.

Ein Abgeordneter der Fraktion BĂŒndnis 90/Die GrĂŒnen, der nach eigenen Angaben ins Grenzgebiet reisen konnte, sagte, GeflĂŒchtete hĂ€tten in GesprĂ€chen Berichte ĂŒber gewaltsame Pushbacks und schwere Misshandlungen durch SicherheitskrĂ€fte auf beiden Seiten bestĂ€tigt. Ein Vertreter der Linksfraktion sprach von einem faktisch rechtslosen Raum und einem traurigen Kapitel in der EU-Geschichte. In den Aufnahmelagern wĂŒrden die HĂ€ftlinge Nummern und Handschellen tragen, was dem Charakter eines GefĂ€ngnisses entspreche. Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Ausnahmeregelung wĂŒrde das Stellen eines Asylantrags nahezu unmöglich machen.

Die FDP verlangte mehr Informationen, wie viele Menschen in den Aufnahmelagern festgehalten wĂŒrden, und fragte nach der Wirksamkeit der Sanktionen. Diese wĂŒrden sich auch gegen drei staatliche belarussische Industrieunternehmen richten, allerdings wachse der Außenhandel zwischen Deutschland und Belarus sowie zwischen Polen und Belarus weiter, betonte eine Abgeordnete.

Die AfD-Fraktion verteidigte das polnische Agieren. Das Land verhindere illegale GrenzĂŒbertritte und sorge damit auch fĂŒr die Sicherheit Deutschlands, betonte ein Fraktionsvertreter. Er forderte mehr UnterstĂŒtzung der Bundesregierung fĂŒr Polen.

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  1. Erkenntnisse zum Cyberangriff auf die Ukraine
    Digitales/Ausschuss
    Berlin: (hib/LBR) Die Erkenntnisse des Bundesinnenministeriums und des AuswĂ€rtigen Amts zum Cyberangriff auf die Ukraine Mitte Januar haben den Digitalausschuss des Bundestages am Mittwochmorgen beschĂ€ftigt. Bei dem Angriff handelte es sich um eine massive Cyberattacke auf Internetseiten der ukrainischen Regierung, bei dem mehrere Webseiten, auch die des Katastrophenschutzes, nicht mehr abrufbar gewesen waren. VorĂŒbergehend seien Botschaften, dass alle Daten auf dem Computer zerstört seien in ukrainischer, russischer und polnischer Sprache zu lesen gewesen.

Ein Vertreter des Innenministeriums berichtete, dass bei dem Angriff in der Nacht vom 13. auf den 14. Januar 2022 etwa 70 Stellen von dem Angriff betroffen gewesen seien. In zehn FĂ€llen habe es sogenannte Defacements gegeben, also grafische Verunstaltungen. Der Angriff habe dazu gefĂŒhrt, dass die Seiten nicht mehr verfĂŒgbar waren. Am 14. Januar habe die Ukraine Russland und Belarus als Urheber der Angriffe benannt.

Das Ausmaß des Schadens sei deutschen Behörden nicht bekannt, man wisse aber, dass vier Tage nach dem Angriff 95 Prozent der betroffenen Systeme wiederhergestellt werden konnten. Da es sich um Angriffe auf eine zivile Behördeninfrastruktur gehandelt habe, habe die Bundesregierung Amtshilfe durch das Bundesamt fĂŒr Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) angeboten. Diese betreffe etwa UnterstĂŒtzung bei der AufklĂ€rung mittels forensischer Analysen und Bereitstellen sicherer Telekommunikation. Bislang habe es dazu aber keine RĂŒckmeldung gegeben und man rechne kurzfristig auch nicht mehr damit.

Derzeit könnten keine Indikatoren festgestellt werden, dass Ereignisse Àhnlicher Art auch in Deutschland stattfinden, sagte er weiter. Bei dem konkreten Angriff werde zudem nicht angenommen, dass er sich weltweit verbreite und Schaden anrichte.

Eine Vertreterin vom AuswĂ€rtigen Amt fĂŒhrte weiter aus, dass der Angriff im Gesamtkontext der erhöhten Spannungen mit Russland zu sehen sei. Es gebe keine Anzeichen der Deeskalation von Seiten Russlands, fĂŒr Februar sei ein gemeinsames MilitĂ€rmanöver von Russland und Belarus in der NĂ€he von Kaliningrad angekĂŒndigt worden. Austausch von Forensik mit der Ukraine zum Angriff habe es jedoch nicht gegeben. Cyberangriffe seien vor Ort immer wieder vorgekommen, zuletzt auch mit erheblichen Auswirkungen wie etwa durch Angriffe auf die ElektrizitĂ€tsversorgung, sagte sie weiter. Die EuropĂ€ische Union werde sich in dieser Woche mit konkreter UnterstĂŒtzung fĂŒr die Ukraine befassen. Dies umfasse etwa den technischen Bereich, Expertenaustausche und eine kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen der EU-Cybersicherheitsagentur und der Ukraine.

Die Abgeordneten interessierten sich in ihren Nachfragen vor allem dafĂŒr, wie die Bedrohungslage fĂŒr Deutschland beziehungsweise eine weltweite Verbreitung eingeschĂ€tzt werde, fĂŒr Details zu europĂ€ischen CyberĂŒbungen, mögliche UnterstĂŒtzung durch die Bundeswehr sowie fĂŒr Beweise fĂŒr den Ursprung des Angriffs.

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  1. Rund 20 Millionen Menschen noch nicht geimpft
    Gesundheit/Ausschuss
    Berlin: (hib/PK) Die Bundesregierung geht davon aus, dass die geplante allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus rechtssicher ausgestaltet werden kann. Es sei verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig und angemessen, zu einer Impfpflicht zu kommen, um einer Dauerschleife mit neuen Infektionswellen entgegenzuwirken und schrittweise zur NormalitĂ€t zurĂŒckkehren zu können, sagte Gesundheits-StaatssekretĂ€r Edgar Franke am Mittwoch in einer Online-Sitzung des Gesundheitsausschusses des Bundestages.

Mit Blick auf die Orientierungsdebatte zur Impfpflicht an diesem Mittwoch im Bundestag und die geplanten fraktionsĂŒbergreifenden GruppenantrĂ€ge dazu bekrĂ€ftigte Franke, die Bundesregierung wolle keinen eigenen Vorschlag machen. Er warb aber fĂŒr die allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus, um einen möglichen Lockdown bei einer erneuten Infektionswelle in der Zukunft auszuschließen.

Laut Franke sind derzeit rund 20 Millionen Menschen in Deutschland noch nicht gegen das Coronavirus geimpft, darunter etwa drei Millionen BĂŒrger ĂŒber 60 Jahre, die bei einer Ansteckung als besonders gefĂ€hrdet gelten. Vor allem Menschen ohne Grundimmunisierung brĂ€uchten dringend eine Impfung, um schwere VerlĂ€ufe zu verhindern. Franke versicherte, Deutschland sei sehr gut mit Impfstoffen versorgt und auch fĂŒr die Zukunft gut gerĂŒstet.

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  1. Kein gesetzlicher Zwang zur Einrichtung von BetriebsrÀten
    Petitionen/Ausschuss
    Berlin: (hib/HAU) Der Petitionsausschuss spricht sich mehrheitlich fĂŒr verbesserte Möglichkeiten zur Einrichtung eines Betriebsrates aus und lehnt zugleich einen gesetzlichen Zwang zur Schaffung eines solchen Gremiums ab. In der Sitzung am Mittwochmorgen beschloss der Ausschuss mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, BĂŒndnis 90/Die GrĂŒnen, FDP und Die Linke, eine dahingehende Petition mit dem zweithöchsten Votum „zur ErwĂ€gung“ an das Bundesministerium fĂŒr Arbeit und Soziales zu ĂŒberweisen, „soweit es um die Verbesserung der Möglichkeit geht, BetriebsrĂ€te einzurichten“ und das Petitionsverfahren „im Übrigen abzuschließen“. Die Fraktionen von CDU/CSU und AfD votierten gegen die entsprechende Beschlussempfehlung an den Bundestag.

Mit der öffentlichen Petition wird konkret verlangt, in Deutschland ansĂ€ssige Unternehmen aller Berufssparten zu verpflichten, ab einer StĂ€rke von 15 Arbeitnehmern einen Betriebsrat zu errichten. Zur BegrĂŒndung fĂŒhrt der Petent an, dass es in Deutschland zwar gesetzliche Vorgaben zur Bildung eines Betriebsrates gebe, „allerdings keine gesetzliche Verpflichtung hierzu“. Eine solche ist aus seiner Sicht jedoch notwendig, da Unternehmen ohne Betriebsrat unzulĂ€ssige Vorteile gegenĂŒber Unternehmen mit Betriebsrat hĂ€tten. Zudem sei es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ohne Betriebsrat nur unter erschwerten Bedingungen möglich, sich gegen arbeitsrechtliche Maßnahmen zur Wehr zu setzen. Ein Betriebsrat könne bereits im Vorfeld eine durch den Arbeitgeber geplante Maßnahme abwenden, wĂ€hrend dies ohne Betriebsrat nur nachtrĂ€glich unter hohen Kosten durch Anrufung des zustĂ€ndigen Arbeitsgerichts möglich sei, heißt es in der Eingabe.

Der Petitionsausschuss verweist in der BegrĂŒndung zu seiner Beschlussempfehlung auf das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), welches keine Verpflichtung zur GrĂŒndung eines Betriebsrates vorsieht. Der Gesetzgeber habe nach Paragraf 1 Absatz 1 BetrVG den beschĂ€ftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vielmehr das Recht eingerĂ€umt, „in Betrieben mit in der Regel mindestens fĂŒnf stĂ€ndigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wĂ€hlbar sind, einen Betriebsrat zu wĂ€hlen“. Entschließe sich die Belegschaft eines betriebsratsfĂ€higen Betriebes dazu, einen Betriebsrat zu wĂ€hlen, sei der Arbeitgeber verpflichtet, dies zu dulden, AuskĂŒnfte zu erteilen, zu unterstĂŒtzen und die Kosten zu tragen

Die Errichtung eines Betriebsrats obliege nach dem Betriebsverfassungsgesetz den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, heißt es weiter. Dies sei sinnvoll, „weil der Betriebsrat ReprĂ€sentant und Organ der Belegschaft ist“. Sowohl Einrichtung als auch die Arbeit im Betriebsrat dienten dem Ziel einer aktiven Interessenwahrnehmung durch die Arbeitnehmer. Ein sogenannter „Zwangsbetriebsrat“ wĂŒrde deshalb dem „Geist“ des Betriebsverfassungsgesetzes zuwiderlaufen, befinden die Abgeordneten. „Insoweit vermag sich der Ausschuss nicht fĂŒr eine GesetzesĂ€nderung im Sinne der Petition auszusprechen“, schreiben die Parlamentarier. Soweit es jedoch darum geht, die bestehenden Möglichkeiten der Errichtung eines Betriebsrates zu verbessern, hĂ€lt der Ausschuss die Eingabe nach eigener Aussage fĂŒr geeignet, „um in diesbezĂŒgliche Diskussionen und politische Entscheidungsprozesse einbezogen zu werden“.

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  1. Löschpraxis und Grundrechte auf Online-Plattformen
    Recht/Antwort
    Berlin: (hib/SCR) Die PrĂŒfung, ob Richtlinien von Plattformbetreibern wie YouTube mit der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit vereinbar sind, ist Aufgabe der Gerichte. Darauf weist die Bundesregierung in einer Antwort (20/467) auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (20/312) hin. Wie die Bundesregierung in der Antwort weiter ausfĂŒhrt, teile sie die Ansicht der Rechtssprechung, „dass eine mittelbare Drittwirkung der Grundrechte auf die vertragliche Beziehung zwischen marktbeherrschenden Plattformen wie Youtube und seinen Nutzenden besteht“. Nutzende seien demnach vor Löschungen zu schĂŒtzen, welche von der Meinungsfreiheit gedeckt sind.

Die AfD-Fraktion hatte sich unter anderem danach erkundigt, ob die Bundesregierung „die YouTube-Richtlinie zu medizinischen Fehlinformationen“ mit der Wissenschafts- und Meinungsfreiheit fĂŒr vereinbar hĂ€lt. Hintergrund der Anfrage sind gerichtliche Auseinandersetzungen um die Löschung von Videos der „KĂŒnstleraktion #allesaufdentisch“ durch YouTube mit Verweis auf die Richtlinie.

Wie die Bundesregierung ausfĂŒhrt, setze sie sich fĂŒr die Plattform-Regulierung auf europĂ€ischer Ebene im Rahmen der Verhandlungen des Digital Services Act (DSA) ein. Dabei soll nach Willen der Bundesregierung im DSA unter anderem geregelt sein, „dass Online-Plattformen im Zusammenhang mit (beabsichtigten) Löschungen geordnete Verfahren bereitstellen und anwenden mĂŒssen“. Insbesondere setze sich die Bundesregierung dafĂŒr ein, dass Anbieter von Hosting-Diensten den betroffenen Nutzenden des Dienstes eine klare und spezifische BegrĂŒndung fĂŒr BeschrĂ€nkungen liefern mĂŒssen, heißt es in der Antwort.