Seit über drei Wochen finden in zahlreichen Städten Proteste gegen Rechtsextremismus statt, an denen sich bislang insgesamt mehr als eine Million Menschen beteiligt haben. Das Anliegen dieser Großdemonstrationen trifft auf breite Unterstützung in der Bevölkerung: Sieben von zehn wahlberechtigten Deutschen geben an, Verständnis dafür (72 Prozent) zu haben – nur gut zwei von zehn (21 Prozent) haben kein Verständnis für das Anliegen dieser Demonstrationen. Das hat eine repräsentative Umfrage von infratest dimap für den ARD-DeutschlandTREND unter 1.303 Wahlberechtigten von Montag bis Mittwoch dieser Woche ergeben.
Diese große Unterstützung findet sich unter den Anhängern und Anhängerinnen beinahe aller Parteien: Die Mehrheit der Anhänger der Grünen (97 Prozent), der SPD-Anhänger (91 Prozent) und Anhänger der CDU/CSU (83 Prozent) gibt an, Verständnis für das Anliegen der Demonstrationen zu haben. Auch unter Wahlberechtigten, die sich grundsätzlich vorstellen könnten, das Bündnis Sahra Wagenknecht zu wählen, hat eine Mehrheit von 58 Prozent Verständnis für das Anliegen der Demonstrationen. Umgekehrt sieht es bei Anhängern der AfD aus: Nur 18 Prozent geben an, Verständnis für das Anliegen der Demonstrationen zu haben, eine Mehrheit von 76 Prozent der AfD-Anhänger hat kein Verständnis dafür.
Auch über Alters- und Einkommensgrenzen hinweg treffen die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus mehrheitlich auf Unterstützung, jedoch mit Abstufungen: Während unter den 18-34-jährigen 69 Prozent Verständnis für das Anliegen der Demonstrationen haben, sind es bei den über 65-Jährigen 82 Prozent. Unter Befragten mit einem monatlichen Haushaltseinkommen von unter 1.500 Euro haben immer noch 56 Prozent Verständnis, unter denjenigen, die mehr als 3.500 Euro im Monat verdienen, haben 76 Prozent Verständnis für das Anliegen der Demonstrationen.
Rechtsextremismus als größte Gefahr für Demokratie wahrgenommen
Die Proteste richten sich vor allem gegen Rechtsextremismus in Deutschland. Dieses Thema wird derzeit auch als die größte Gefahr für die Demokratie in Deutschland angesehen: 39 Prozent halten Rechtsextremismus und Rechtspopulismus aktuell als größte Gefahr für die Demokratie. Das ist ein Anstieg um 19 Prozentpunkte im Vergleich zu Oktober 2022. Darüber hinaus werden auch weitere Gefahren für die Demokratie in Deutschland angegeben: Unter anderem falsche Politik oder Abgehobenheit von Politik (18 Prozent, +7 im Vgl. zu Oktober 2022), Migration (5 Prozent, +2 im Vgl. zu Oktober 2022), soziale Ungleichheit und Armut (4 Prozent, -7 im Vgl. zu Oktober 2022).
Die insgesamt gestiegene Problemwahrnehmung, dass vor allem Rechtsextremismus und Rechtspopulismus die Demokratie bedrohen, spiegelt sich auch im Blick der Deutschen auf die Proteste wider: 75 Prozent der wahlberechtigten Deutschen halten es für ein gutes Zeichen, dass derzeit so viele gegen Rechtsextremismus auf die Straße gehen, nur 19 Prozent teilen diese Überzeugung nicht. Gut die Hälfte der Deutschen (51 Prozent) geht aber davon aus, dass die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus bald wieder abklingen werden, 36 Prozent teilen diese Überzeugung nicht. Vier von zehn Deutschen (44 Prozent) sind darüber hinaus der Überzeugung, dass die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus von den eigentlichen Problemen im Land ablenken; 49 Prozent stimmen dem jedoch nicht zu.
Auch Klimawandel bereitet vielen Sorge
Neben den generellen Gefahren für die Demokratie treiben die Deutschen aktuell auch weitere Sorgen um: Sechs von zehn wahlberechtigten Deutschen (61 Prozent) machen sich derzeit Sorgen, dass der Klimawandel ihre Lebensgrundlagen zerstört. Fast ebenso viele (60 Prozent) sind besorgt, dass man ausgegrenzt wird, wenn man bei bestimmten Themen seine Meinung sagt. Gut die Hälfte der Deutschen (53 Prozent) macht sich Sorgen, dass sie ihren Lebensstandard nicht halten können, fast ebenso viele sorgen sich aktuell darum, dass zu viele fremde Menschen nach Deutschland kommen (52 Prozent). Jeder zweite (50 Prozent) ist darüber hinaus besorgt, dass wir einen Verlust der deutschen Kultur und Sprache erleben werden.
Diejenigen, die kein Verständnis für die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus haben, haben jedoch eine andere Problemwahrnehmung: So ist nach Ansicht dieser Bevölkerungsgruppe die größte Gefahr für die Demokratie nicht Rechtsextremismus (4 Prozent), sondern falsche Politik und Abgehobenheit von Politik (35 Prozent). Auch die generelle Sorgenwahrnehmung unterscheidet sich: Nur 33 Prozent machen sich Sorgen, dass der Klimawandel die Lebensgrundlagen zerstört.
Eine Mehrheit von 86 Prozent derjenigen, die kein Verständnis für das Anliegen der Demonstrationen haben, macht sich jedoch Sorgen, dass man ausgegrenzt wird, wenn man bei bestimmten Themen seine Meinung sagt, ebenso machen sich 82 Prozent Sorgen darüber, dass wir einen Verlust der deutschen Sprache und Kultur erleben werden. Auch die Sorge darüber, dass zu viele fremde Menschen nach Deutschland kommen (81 Prozent) und darüber, dass man seinen Lebensstandard nicht halten kann (78 Prozent), ist bei denjenigen, die kein Verständnis für die Demonstrationen haben, verbreiteter.
Quelle: WDR Kommunikation
Foto: Darmstadt, 23.01.2024 Mehr als 17000 Menschen haben sich in Darmstadt auf dem Karolinenplatz versammelt, um gegen die AfD (Alternative fuer Deutschland), gegen Rassismus und gegen Nazis zu demonstrieren. Hier: Ein Plakat mit der Aufschrift „Fuer die Demokratie – Gegen Rechtsextremismus“ (c) WDR / Fotograf: Peter Jülich/laif