Zehn Tage vor dem Wahlsonntag hat die CDU/CSU gute Chancen, in Deutschland erneut stärkste Kraft bei einer Europawahl zu werden. Wenn schon am Sonntag Europawahl wäre, käme die Union auf 29 Prozent (Europawahl 2019: 28,9 Prozent). Die Grünen kämen auf 14 Prozent (2019: 20,5 Prozent). Die SPD läge aktuell bei 15 Prozent (2019: 15,8 Prozent). Die AfD würde sich auf 14 Prozent verbessern (2019: 11 Prozent). Die FDP läge bei 4 Prozent (2019: 5,4 Prozent); die Freien Wähler bei 3 Prozent (2029:2,2). Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das bislang noch nicht an einer Europawahl teilgenommen hat, käme aktuell auf 6 Prozent. Auf alle anderen Parteien würden 12 Prozent entfallen (2019: 10,7 Prozent). Das hat die repräsentative Vorwahlbefragung von infratest dimap unter 1.515 Wahlberechtigten zur Europawahl für den ARD-DeutschlandTREND von Montag bis Mittwoch dieser Woche ergeben.
Bei dieser Umfrage handelt es sich ausdrücklich um keine Prognose, sondern um die politische Stimmung in der laufenden Woche. Die Sonntagsfrage misst aktuelle Wahlneigungen und nicht tatsächliches Wahlverhalten. Sie ermittelt einen Zwischenstand im Meinungsbildungsprozess der Wahlbevölkerung, der erst am Wahlsonntag abgeschlossen ist. Rückschlüsse auf den Wahlausgang sind damit nur bedingt möglich.
Eine große Bedeutung hat zudem die letzte Phase des Wahlkampfs mit der gezielten Ansprache von unentschlossenen und taktischen Wählern. Aktuell schließt jeder sechste Wahlberechtigte eine Änderung seiner Parteipräferenz nicht aus. Gut jeder Vierte tendiert derzeit zur Nichtwahl bzw. lässt bislang keine Neigung zu einer Partei erkennen. Für gut die Hälfte der Wahlberechtigten steht die Wahlentscheidung nach eigenen Angaben bereits fest.
Bei den wahlentscheidenden Themen zeigt sich eine Verschiebung zur Europawahl vor fünf Jahren. Angesichts einer veränderten Bedrohungslage hat die Friedenssicherung mit 26 Prozent für die Wähler einen größeren Stellenwert (+4 im Vgl. zu Mai 2019). Knapp jeder vierte Wähler (23; +3) will sich an Fragen der sozialen Sicherheit orientieren. An Bedeutung gewonnen hat ebenfalls das Thema Zuwanderung (17; +5). Dagegen hat der Klima- und Umweltschutz, 2019 Wahlthema Nummer Eins, für die Wähler deutlich an Gewicht eingebüßt. Vor fünf Jahren hatten noch 23 Prozent diesem Thema Bedeutung für die eigene Wahlentscheidung zugewiesen; aktuell sind es 14 Prozent. Mit 13 Prozent (+3) spielt diesmal für etwa ebenso viele Wirtschaftswachstum die größte Rolle.
Das Europawahlinteresse ist seit Monatsbeginn gestiegen: 62 Prozent (+13) äußern sehr starkes oder starkes Interesse, 36 Prozent (-12) haben weniger oder gar kein Interesse an der kommenden Wahl.
Vorteile für Deutschland verbinden mit der EU-Mitgliedschaft aktuell vier von zehn Bundesbürgern (41 Prozent; Mai 2019: 46 Prozent), für 19 Prozent überwiegen die Nachteile (Mai 2019: 14 Prozent). Für ein Drittel gleichen sich Vor- und Nachteile aus (Mai 2019: 37 Prozent).
Eine vertiefte europäische Integration mit der Übertragung weiterer Kompetenzen auf die EU-Ebene favorisieren aktuell 48 Prozent, nach 55 Prozent vor fünf Jahren. Unverändert jeder siebte Bundesbürger (14 Prozent) will am bestehenden Integrationsniveau festhalten. 30 Prozent (2019: 26 Prozent) unterstützt eine Rückverlagerung von Zuständigkeiten an die Mitgliedsländer.
Ursula von der Leyen ist seit 2019 EU-Kommissionspräsidentin. Eine weitere Amtszeit, wie sie von der Europäischen Volkspartei für die Zeit nach der Europawahl unterstützt wird, stößt bei den Wahlberechtigten in Deutschland auf ein geteiltes Echo. 42 Prozent fänden eine weitere Amtszeit gut, darunter Mehrheiten aus den Reihen von Union, SPD und Grünen. Ebenso viele Wahlberechtigte (41 Prozent) lehnen eine nochmalige Amtszeit von der Leyens als Kommissionspräsidentin dagegen ab.
Text/Foto: WDR Kommunikation am 30. Mai 2024