Magdeburg/ST. Am Samstag werden in Deutschland die letzten drei Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 sowie Emsland wie geplant vom Netz genommen. Sachsen-Anhalts Energieminister Prof. Dr. Armin Willingmann (Foto) begrĂŒĂt den Vollzug des bereits 2011 vom Bundestag mit breiter Mehrheit beschlossenen Atomausstiegs, fordert aber den Bund auf, nun auch den Bau wasserstofffĂ€higer Gaskraftwerke zu beschleunigen.
âAtomkraft war auch in hoch entwickelten LĂ€ndern immer riskant und teuer. Sie ist inzwischen fĂŒr die Absicherung der Energieversorgung in Deutschland nicht notwendig und hat auch aufgrund der europĂ€ischen Regulatorik auf den Strompreis keine signifikant bremsende Wirkung. Deshalb ist es nur konsequent, den nach der Fukushima-Katastrophe gefassten Beschluss des Bundestages aus der Regierungszeit von Kanzlerin Angela Merkel umzusetzen und jetzt aus der Atomkraft auszusteigenâ, erklĂ€rte Willingmann am Freitag. âWir werden noch Jahrzehnte mit der Frage befasst sein, wo der radioaktive MĂŒll aus 60 Jahren Nutzung der Kernkraft dauerhaft in Deutschland entsorgt wird. Zugleich erwarte ich, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zeitnah darlegt, wie der Zubau wasserstofffĂ€higer Gaskraftwerke â die fĂŒr unsere Industriegesellschaft unverzichtbar sind â beschleunigt werden soll.â
Willingmann verwies in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Bundeskanzlers vom 17. Oktober 2022. Olaf Scholz hatte mittels seiner Richtlinienkompetenz nicht nur die Diskussion um die LaufzeitverlĂ€ngerung der am Netz verbliebenen Atomkraftwerke beendet. Der Kanzler kĂŒndigte in seinem Schreiben an die Bundesminister Habeck, Lemke und Lindner zugleich an, dass die Bundesregierung die Voraussetzung fĂŒr den Zubau neuer, wasserstofffĂ€higer Gaskraftwerke schaffen werde. âDas war keine Floskel! Auch wenn wir unseren Strombedarf aktuell ohne Atomkraft decken können, dĂŒrfen wir nicht auĂer Acht lassen, dass wir in den kommenden Jahren nach dem Ende der Steinkohle-Förderung in Deutschland auch aus der energetischen Nutzung der Braunkohle aussteigen wollen, zugleich aber der Strombedarf beispielsweise durch die Elektrifizierung des Verkehrs weiter steigtâ, so Willingmann. âDeshalb teile ich die Auffassung des Bundeskanzlers, dass wir flexibel steuerbare und zugleich wasserstofffĂ€hige Gaskraftwerke benötigen, die zum Einsatz kommen, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. HierfĂŒr mĂŒssen jetzt die Weichen gestellt werden.â
Das Bundeswirtschaftsministerium hatte jĂŒngst angekĂŒndigt, eine Kraftwerksstrategie vorlegen zu wollen. Ersten Ăberlegungen zufolge sollen durch Modernisierung Ă€lterer Gaskraftwerke und Ersatz von Kohleanlagen bis zu 25 Gigawatt an steuerbaren Kraftwerken gebaut werden. BranchenverbĂ€nde gehen aktuell davon aus, dass durch den Atom- und Kohleausstieg bis 2031 mindestens 15 Gigawatt an gesicherter Leistung wegfallen. âWir werden hierzu mit dem Bundeswirtschaftsministerium im Austausch bleiben und das Thema auch bei der Energieministerkonferenz im September 2023 in Wernigerode wieder auf die Agenda setzenâ, erklĂ€rte Willingmann. Der Minister ist in diesem Jahr der Konferenzvorsitzende.
Der Anteil von Atomstrom am deutschen Energiemix lag im Januar und Februar 2023 lediglich bei vier Prozent, im Jahr 2022 bei maximal 6,5 Prozent. Berechnungen des Ăko-Instituts zufolge fĂŒhrte der âStreckbetriebâ der verbliebenen Kernkraftwerke lediglich zu einer Senkung des Strompreises von 0,5 bis 0,8 Prozent, das IFO-Institut hatte zuvor mit einem positiven Preiseffekt von vier Prozent kalkuliert. Die Verbraucherzentralen gehen davon aus, dass sich die Strompreise trotz des Atomausstiegs weiter entspannen. Sie rechnen mit Preisen leicht oberhalb der 30-Cent-Marke. Aktuell sind ausreichend KraftwerkskapazitĂ€ten in Deutschland vorhanden, um die Stromversorgung sicherzustellen. So lag die maximale Stromlast zuletzt mit 80 Gigawatt deutlich unterhalb der verfĂŒgbaren gesicherten KapazitĂ€t der Gas- und Kohlekraftwerke von 100 Gigawatt. Diese Ausgangslage hat dazu gefĂŒhrt, dass Deutschland in erheblichen Umfang die durch den Ausfall von französischen Kernkraftwerken eingetretene Energieknappheit im Nachbarland Frankreich auffangen musste und konnte.
Quelle: Ministerium fĂŒr Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt
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