(djd). Es war eine aufsehenerregende Aktion im April 2019: Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel trennte sich von zwei Gemälden von Emil Nolde (1867-1956), die seit Jahren als Leihgaben in ihrem Amtszimmer hingen. Der Hintergrund: Über den Maler war bekannt geworden, dass er in der NS-Zeit zwar als „entarteter Künstler“ galt, aber gleichzeitig bis Kriegsende Anhänger der Nationalsozialisten und zudem Rassist war. Noldes kleinformatige, farbstarke Aquarelle, seine sogenannten „Ungemalten Bilder“, sind Bestandteil des von ihm selbst gepflegten Mythos vom verfolgten Künstler. Zu sehen sind sie im Museum Lyonel Feininger im Herzen der Welterbestadt Quedlinburg, dem einzigen Feininger-Museum weltweit und einem international beachteten Spezialmuseum für die Klassische Moderne. Parallel zur Nolde-Ausstellung gibt das Museum einen Überblick über das vielseitige künstlerische Schaffen Lyonel Feiningers (1871-1956). Alle Infos: www.museum-feininger.de
Emil Nolde: „Mythos und Wirklichkeit. Die Ungemalten Bilder“, bis zum 4 September 2023
Von keinem anderen Maler wurden in der NS-Zeit so viele Arbeiten beschlagnahmt wie von ihm. Zugleich war Nolde seit 1934 Mitglied der Nationalsozialistischen Arbeitsgemeinschaft Nordschleswig (NSAN) und verlor bis zum Kriegsende nicht seinen Glauben an das NS-Regime. Mit der Ausstellung soll an die Aufklärungsarbeit zu Leben und Werk Noldes angeschlossen werden. Die „Ungemalten Bilder“ sind eng verstrickt mit der von Nolde selbst kolportierten Geschichte, sie seien während seines Berufsverbots zwischen 1941 und 1945 entstanden, als er vermeintlich nur im Verborgenen malen konnte. Tatsächlich waren einige der Aquarelle bereits ab 1930, noch vor Hitlers Machtübernahme, gemalt worden, und Nolde arbeitete auch zwischen 1941 und 1945 und darüber hinaus künstlerisch kontinuierlich weiter – ein Malverbot gab es nicht.
Lyonel Feininger: „Meister der Moderne“
Mit 16 Jahren kam der in New York geborene Künstler nach Deutschland, wo er seine Karriere als Karikaturist, Grafiker, Maler, Bauhausmeister und Fotograf begann. Mitmachstationen laden in der Ausstellung zum Sehen, Hören und Entdecken des facettenreichen Werks ein. Zudem werden auch die kreative Künstlerfamilie Feininger sowie die wechselvolle Geschichte des Museums beleuchtet. Als Feiningers Werke 1937 von den Nationalsozialisten als „entartet“ diffamiert wurden, kehrte er in die USA zurück. Vor der Ausreise übergab er ein umfangreiches Konvolut seiner Arbeiten an seinen Freund Hermann Klumpp, der es in seiner Heimatstadt Quedlinburg verborgen hielt und so vor der Vernichtung rettete. Ergänzt wird die Ausstellung durch die Mitmachausstellung: „Form, Farbe, Feininger“.
Foto: Emil Noldes farbstarke Aquarelle, seine sogenannten Ungemalten Bilder, sind Teil des von ihm selbst gepflegten Mythos vom verfolgten Künstler. Zu sehen sind sie im Museum Lyonel Feininger in Quedlinburg. (c) djd/Museum Lyonel Feininger/Kulturstiftung Sachsen-Anhalt/Ray Behringer/VG Bild-Kunst