Vor ihrer Abreise nach Kiew und Moskau sagte Außenministerin Annalena Baerbock (heute 17.01.):
“ Voraussetzung für Diplomatie ist es, die Sichtweise des Gegenübers zu verstehen, auch wenn man zum Teil völlig entgegengesetzter Meinung ist. Deshalb sind Antrittsbesuche wie diese gerade in so schwierigen Zeiten wichtig. Ich werde meinen Gesprächspartnern genau zuhören, in Moskau wie in Kiew. Ich werde aber auch in aller Klarheit die Haltung erläutern, die wir in der EU, in den G7 und im transatlantischen Bündnis geschlossen vertreten.
Wir sind bereit zu einem ernsthaften Dialog über gegenseitige Vereinbarungen und Schritte, die allen in Europa mehr Sicherheit bringen, auch Russland. Aber wir können und werden keine Abstriche machen von den Grundprinzipien der Helsinki-Schlussakte, die Europa in den letzten 50 Jahren vor dem Alptraum eines großen Kriegs bewahrt haben. Dazu gehören die territoriale Unverletzlichkeit, die freie Bündniswahl und der Verzicht auf Gewaltandrohung als Mittel der Politik. Und wir sind entschlossen zu reagieren, wenn Russland stattdessen den Weg der Eskalation geht.
Ich will vor Ort ausloten, ob es die Bereitschaft gibt, auf diplomatischem Weg zu Lösungen zu kommen – vor allem den Normandie-Prozess wieder mit Leben zu füllen und endlich bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen voranzukommen.
In Kiew will ich deutlich machen: Wir führen keine Gespräche über die Ukraine an der Ukraine vorbei. Und als neue Bundesregierung setzen wir unser Engagement nicht nur fort – der heutige 30. Jahrestag unserer diplomatischen Beziehungen ist eine gute Gelegenheit für ein Update. Das heißt für mich vor allem auch dazu beizutragen, das Potenzial der Ukraine zu stärken. Ich will daher über Initiativen für die nachhaltige Modernisierung des ukrainischen Energiesektors sprechen, über die Entwicklung des grünen Wasserstoffmarkts und Unterstützungsangebote bei der Cyberabwehr.
Bei meinen Gesprächen in Moskau geht es mir auch um eine Positionsbestimmung. Als neue Bundesregierung wollen wir substanzielle und stabile Beziehungen mit Russland. Die Liste der Konfliktthemen, über die wir zu sprechen haben, ist lang. Sie haben zuletzt einen immer dunkleren Schatten auf die Chancen für eine Zusammenarbeit geworfen, die den Menschen in unseren beiden Ländern zugutekommt: In Wissenschaft und Kultur, bei Handel und Investitionen, bei erneuerbaren Energien, im Kampf gegen die Klimakrise, die auch in Russland immer stärker spürbar wird. Gerade die Zusammenarbeit der Zivilgesellschaft liegt uns am Herzen. Auch über diese Chancen will ich mit meinem russischen Kollegen sprechen – und wie wir die Voraussetzungen schaffen, sie besser zu nutzen.
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