Magdeburg. Die heute im Bundeskabinett beschlossene Kindergrundsicherung bedeutet für viele Familien nicht mehr als eine Verwaltungsreform, mit der Antragsverfahren zusammengelegt werden. Ein erheblicher Teil der geplanten Mehrausgaben wird in die Finanzierung der Verwaltungsausgaben fließen. Entscheidende Schwachstelle der Reform ist der Verzicht auf die versprochene Neuermittlung der kindlichen Bedarfe. Mit den bestehenden Leistungen, und daran wird sich zukünftig nun kaum etwas ändern, funktioniert gutes Aufwachsen nicht und lässt sich soziale Teilhabe nicht realisieren.
„Das erhoffte Ziel, mit der Kindergrundsicherung alle Kinder aus der Armut zu holen, wird mit dem vorliegenden Entwurf nicht nur wegen der fehlenden Neuberechnung verfehlt. Bestehende Ungleichheiten und Benachteiligungen, vor allem der Kinder und jungen Menschen, die besonders auf Unterstützung angewiesen sind, werden so verfestigt. Überhaupt nicht oder nur unzureichend erreicht werden Kinder und junge Menschen wie z.B. Kinder und Jugendliche im laufenden Asylverfahren, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, Kinder- und Jugendliche in stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und sogenannte care leaver. Auch die Situation vieler Alleinerziehenden und ihrer Kinder, die besonders von Armut betroffen sind, wird sich nicht verbessern“, fasst Barbara Höckmann (Foto), Vorsitzende des Präsidiums des AWO Landesverbandes Sachsen-Anhalts zusammen.
Ob eine erhöhte Inanspruchnahme und damit wenigstens eine Verminderung der verdeckten Armut erreicht werden kann, bleibt zu hoffen. In Sachsen-Anhalt lebt jedes vierte Kind in Armut. Um für die junge Generation gute Lebensperspektiven zu schaffen, braucht es eine echte Sozialreform. Die Neubemessung des tatsächlichen soziokulturellen Existenzminimums von Kindern und Jugendlichen sowie die Anpassung des Leistungsniveaus in der Kindergrundsicherung sind dringend erforderlich und dürfen nicht weiter in die Zukunft verschoben werden.
Zudem verlangt die Bekämpfung von Kinderarmut die Einbettung der Kindergrundsicherung in eine Gesamtstrategie – wie sie mit dem Nationalen Aktionsplan „Neue Chancen für Kinder“ erarbeitet werden soll.
Auch über die monetäre Armutsbekämpfung hinaus besteht akuter Handlungsbedarf. Neben auskömmlichen (Mindest-)Löhnen, die mit der Inflation Schritt halten müssen, der Bereitstellung von bezahlbarem, familiengerechtem Wohnraum ist der Ausbau einer bedarfsgerechten, Sozial- und Bildungsinfrastruktur von besonderer Bedeutung.
„Kindergrundsicherung und Infrastruktur ergänzen sich im Kampf gegen Kinderarmut. Für beides braucht es aus unserer Sicht erheblich mehr Geld, politischen Gestaltungswillen und Mut“, so Barbara Höckmann.
Text/Foto: AWO Landesverband Sachsen-Anhalt e.V. / Cathleen Paech