Deutschland steht vor einer großen Herausforderung: Auf der einen Seite wächst der Bedarf an Pflege und auf der anderen Seite sinkt die Zahl derer, welche die anspruchsvolle Aufgabe der Pflege von Menschen übernehmen können.
Magdeburg/ST. „Die aktuellen Reformvorhaben zur Pflegeversicherung liefern nicht die nötigen Antworten, wie die Herausforderung gemeistert werden soll.“, stellt Barbara Höckmann, Vorsitzende des Präsidiums des AWO Landesverbandes Sachsen-Anhalt, fest. „Es wurde wieder die Chance einer grundlegenden nachhaltigen Lösung der Finanzierung der Pflege verpasst. Selbst die Vorhaben des Koalitionsvertrages, die die Pflegeversicherung finanziell von „Fremdleistungen“, wie beispielsweise den Ausbildungskosten, entlastet hätten, sind nicht in das Pflegeunterstützungs- und entlastungsgesetz, das am 5.4.2023 das Bundeskabinett passiert hat, aufgenommen worden.
Damit werden pflegebedürftige Menschen weiterhin in die Armut gedrängt. Die geplanten Erhöhungen von Pflegegeld und Sachleistungsbeträgen in der Höhe von 5 Prozent stellen nur einen Tropfen auf dem heißen Stein dar und fangen die Kostensteigerungen der letzten Jahre nicht genügend auf. Das freiwillige Engagement pflegender Angehöriger wird zu wenig wertgeschätzt und unterstützt. Selbst das bereits im Gesetzesentwurf enthaltende „Entlastungsbudget“ in Form eines Jahresbetrages in der Höhe von 3.386 Euro, das pflegenden Angehörigen mehr Flexibilität und Erleichterung in der Pflegearbeit gegeben hätte, wurde wieder gestrichen. Zudem erfolgt nach wie vor eine Ungleichbehandlung pflegebedürftiger Menschen mit Behinderung, die in bestimmten Wohnformen der Eingliederungshilfe leben, indem sie nicht den vollen Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung erhalten, wie andere pflegebedürftige Menschen.
In Gesprächen mit Bundestagsabgeordneten in den Pflegeeinrichtungen vor Ort in den AWO Kreis- und Regionalverbänden Harz, Salzlandkreis, Mansfeld-Südharz und Halle-Merseburg hat die AWO mit der Infooffensive zur Pflege auf die Schieflagen aufmerksam gemacht und Lösungsvorschläge unterbreitet. Dabei sind wir auf offene Ohren gestoßen. Allerdings fehlt es am durchgreifenden politischen Handeln. Aber steter Tropfen höhlt den Stein- wir werden weiterhin den Dialog suchen und mit Nachdruck auf Lösungen aufmerksam machen.“, so lautet das Versprechen von Barbara Höckmann zum Tag der Pflege.
Die AWO versorgt in Sachsen-Anhalt fast 3.000 Menschen in 58 stationären, teilstationären und ambulanten Einrichtungen und Diensten.
Unsere wichtigsten Lösungsvorschläge für die Pflege
Dauerhafte Sicherung der Finanzierung ‐ Solidarische Bürgerversicherung
Es ist eine grundlegende Umgestaltung des Finanzierungs‐ und Leistungssystems der Pflegeversicherung notwendig. Die Pflegeversicherung muss zu einer solidarischen Bürgerversicherung ausgebaut werden. Das bedeutet, dass alle Berufsgruppen in die Finanzierung der Pflege einbezogen werden müssen.
Stärkere finanzielle Entlastung der Pflegebedürftigen
Die Begrenzung der Eigenanteile ist in der Höhe wie in der Dauer notwendig, um Pflege und deren Kosten für die Betroffenen planbar zu machen. Es sind alle pflegebedingten Kosten über die Pflegeversicherung zu finanzieren! Das bewirkt eine finanzielle Entlastung der Pflegebedürftigen, der Angehörigen und der Kommunen, welche mit Sozialhilfe unterstützen.
Bereinigung der Pflegeversicherung um versicherungsfremde Leistungen
Die Pflegeversicherung muss um Kosten entlastet werden, welche nicht in diesen Bereich hineingehören. Medizinische Leistungen, wie z. B. der Verbandswechsel oder die Gabe von Medikamenten, dürfen nicht zu Lasten der Pflegeversicherung gehen, so wie es derzeit in der stationären Pflege der Fall ist. Diese medizinischen Leistungen sind über die Krankenversicherung zu finanzieren.
Auch Ausbildungskosten dürfen nicht den pflegebedürftigen Menschen aufgebürdet werden. Die Ausbildung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und damit eine pflegeversicherungsfremde Leistung. Die Ausbildungskosten in der Pflege sollten deshalb steuerfinanziert werden. Die Investitionskosten (z.B. Kosten für notwendige Umbaumaßnahmen, Instandhaltung und Modernisierung) gehen derzeit auch zu Lasten der pflegebedürftigen Menschen. Diese müssen durch das Land übernommen werden.
Mehr Unterstützung für pflegende Angehörige
Pflegende Angehörige müssen durch einen finanziellen Ausgleich mehr unterstützt werden, in dem deren Pflegearbeit bezahlt wird. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin aus dem Jahr 2022 ist jeder 5. pflegende Angehörige armutsgefährdet. Längst überfällig ist eine Gleichstellung von Menschen mit Behinderung beim Anspruch auf Pflegeleistungen – unabhängig vom Wohnort. Ihnen müssen die gleichen Leistungsbeträge gezahlt werden, wie flegebedürftigen Menschen in stationären Altenpflegeeinrichtungen.
Text: AWO Landesverband Sachsen-Anhalt e.V. / Cathleen Paech
Symbolfoto/pixabay