Magdeburg. Kurz vor dem 20-jährigen Bestehen der Beratenden Kommission für NS-Raubgut hat Sachsen-Anhalts Staatsminister und Minister für Kultur Rainer Robra (Foto) die Arbeit der Kommission gewürdigt und zugleich Reformbedarf benannt. Robra sagte, Bund, Länder und Kommunen seien sich mit der Kommission einig, dass die Rechte der Nachfahren von NS-Opfern weiter gestärkt werden sollen. Die Kommission selbst hatte in einer gestern veröffentlichten Erklärung die aktuellen Arbeitsbedingungen und bisherigen Ergebnisse als unbefriedigend bezeichnet.
Robra bedauerte, dass die Kommission sich entschieden habe, kurz vor dem Abschluss der Meinungsbildung von Bund und Ländern unabgestimmt eigene Vorstellungen zu präsentieren. „Ich hätte es im Interesse der Sache begrüßt, wenn es dazu im Vorfeld Gespräche zwischen allen Beteiligten gegeben hätte, um eine tragfähige gemeinsame Position zu entwickeln.“
Er sieht den Reformprozess auf einem guten Weg. Bund, Länder und Kommunen hätten sich auf Arbeitsebene auf eine gemeinsame Position verständigt. Für Oktober sei ein aus seiner Sicht abschließendes Kulturpolitisches Spitzengespräch mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien Claudia Roth geplant, in das nun die Positionen der Kommission einzubeziehen seien.
Bund und Länder hätten bereits einen internationalen Vergleich veranlasst, insbesondere mit den anderen europäischen Restitutionskommissionen mit dem Ziel eines Best Practice-Ansatzes, und wissenschaftliche Expertise hinzugezogen. Vieles, was zwischen Bund, Ländern und Kommunen vereinbart wurde, decke sich mit den Überlegungen der Kommission. Für diskussionsbedürftig halte Robra insbesondere Vorstellungen der Kommission zu einem Restitutionsgesetz.
Die „Beratende Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgut, insbesondere aus jüdischem Besitz“ ist 2003 von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden eingerichtet worden, um bei Differenzen über die Rückgabe von Kulturgütern zu vermitteln. Sie kann von Einrichtungen und Privatpersonen bei Meinungsverschiedenheiten über die Rückgabe von NS-Raubgut angerufen werden.
Es sei die gemeinsame Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen, gerechte und faire Lösungen umfassend zu ermöglichen. Durch Meldungen des in Magdeburg ansässigen Deutschen Zentrums Kulturgutverluste (Stand Mitte August 2023) sei bekannt, dass seit den Washingtoner Prinzipien von 1998 in Deutschland im Bereich NS-Raubkunst mehr als 7.455 Kulturgüter im Museumsbereich restituiert wurden; hinzu kämen mehr als 24.470 Bücher und anderes Bibliotheksgut sowie eine zahlenmäßig nur schwer bestimmbare Menge an Archivalien.
Insgesamt liege die Gesamtzahl der Restitutionen sicherlich höher, da nicht alle gelösten Fälle öffentlich gemacht werden. Trotz dieser positiven Bilanz betonte auch Robra, dass die Bemühungen um die Identifizierung von NS-verfolgungsbedingten Kulturgütern weiter intensiviert werden müssen. Das Land unterstützt die Kulturgutbewahrenden Einrichtungen des Landes hier u. a. durch die Finanzierung der Koordinierungsstelle für Provenienzforschung, angesiedelt beim Museumsverband Sachsen-Anhalt.
Text/Foto: Staatskanzlei und Ministerium für Kultur