In Deutschland können bald Fahrzeuge mit autonomer Fahrfunktion zugelassen werden. Die Länder haben der „Verordnung zur Regelung des Betriebs von Kraftfahrzeugen mit automatisierter und autonomer Fahrfunktion und zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften“ im Bundesratsplenum am 20. Mai 2022 zugestimmt. Sie haben ihre Zustimmung allerdings an eine Reihe von Änderungsmaßgaben geknüpft.
Gesetzliche Grundlagen bereits in Kraft
Mit dem Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und des Pflichtversicherungsgesetzes – Gesetz zum autonomen Fahren – ist am 28. Juli 2021 der neue Rechtsrahmen für den Einsatz von autonomen, d. h. fahrerlosen Kraftfahrzeugen in Kraft getreten (TOP 71, 1005. Sitzung). Damit wurden die grundlegenden Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Kraftfahrzeuge mit autonomer Fahrfunktion im Regelbetrieb im öffentlichen Straßenverkehr – auf festgelegten Betriebsbereichen – fahren können.
Umsetzung des Gesetzes durch Detailregeln
Das Gesetz enthält Ermächtigungsgrundlagen zum Erlass von Rechtsverordnungen, die insbesondere Verfahrensvorschriften und technische Anforderungen im Einzelnen regeln. Ohne diese Vorgaben kann das Gesetz noch nicht in die Praxis umgesetzt werden.
Verfahrensvorschriften und technische Anforderungen
Die Regierungsverordnung, der der Bundesrat zugestimmt hat, konkretisiert den Rechtsrahmen zum autonomen Fahren, legt Verfahrensvorschriften sowie technische Anforderungen im Einzelnen fest und ermöglicht somit die tatsächliche Zulassung von Kraftfahrzeugen mit autonomer Fahrfunktion. Sie enthält beispielsweise Voraussetzungen und Verfahrensregeln für die Erteilung einer Betriebserlaubnis für autonome Fahrzeuge durch das Kraftfahrtbundesamt und für die Festlegung eines Betriebsbereiches; Letztere erfolgt durch den Halter und bedarf der Genehmigung durch die zuständige Behörde.
Änderungsmaßgaben des Bundesrates
Die Verordnung kann nur in Kraft treten, wenn die Bundesregierung die beschlossenen Änderungswünsche des Bundesrates umsetzt.
So wollen die Länder etwa bei der Feststellung der Geeignetheit von Betriebsbereichen unvorhersehbare Umstände, zum Beispiel in Folge höherer Gewalt, unberücksichtigt lassen, da die Behörde die Geeignetheit eines Betriebsbereichs nicht für alle denkbaren Fälle beurteilen könne.
Auch soll die sogenannte “erweiterte Abfahrkontrolle“, die eine Probefahrt und die Überprüfung zahlreicher sicherheitsrelevanter Systeme umfasst, nicht mehr vor jedem Fahrtantritt durchgeführt werden müssen: Es reicht nach dem Beschluss des Bundesrates aus, wenn diese täglich vor Betriebsbeginn erfolgt.
Entschließung
In der begleitenden Entschließung spricht sich die Länderkammer für einige Änderungen im Rahmen einer künftigen Überarbeitung der Verordnung durch die Bundesregierung aus.
Konkretisierung der Betriebsbereiche
Darin begrüßt der Bundesrat zwar, dass die Verordnung die Möglichkeit bietet, große, über Kommunal- oder Landesgrenzen hinausgehende Betriebsbereiche festzulegen, die auch Autobahnen oder Bundesstraßen enthalten können. Die Regelungen zu deren Genehmigung seien jedoch nicht eindeutig und nicht hinreichend konkret, warnen die Länder.
Die für die Genehmigung zuständigen kommunalen Behörden verfügten in der Regel nicht über den Sachverstand, um die Eignung eines Betriebsbereiches für ein spezielles Fahrzeug mit autonomer Fahrfunktion hinreichend bewerten zu können. Gleiches gelte für den Nachweis der erforderlichen Funk-Netzabdeckung im Betriebsbereich.
Auch sei es diesen Behörden nicht zumutbar, bereits genehmigte Betriebsbereiche permanent zu überwachen und Änderungen der Infrastruktur oder der Beschilderung stets mit der Genehmigung abzugleichen und beim Betrieb des Fahrzeugs permanent berücksichtigen zu müssen.
Verkehrszeichenerkennung
Es müsse davon ausgegangen werden, dass Fahrzeuge mit autonomer Fahrfunktion alle vorhandenen Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen im Betriebsbereich erkennen und beim Geschwindigkeits- und Fahrtverlauf berücksichtigen. Sie sollen auch mit solchen Veränderungen zurechtkommen, die erst nach Genehmigung des Betriebsbereiches erfolgen. Die Fahrzeuge müssen mindestens denselben Anforderungen gerecht werden, die an fahrzeugführende Personen gerichtet sind.
Verhältnis zur StVO
Außerdem bittet der Bundesrat die Bundesregierung um zeitnahe Klarstellung des Verhältnisses der Verordnung zur Straßenverkehrsordnung (StVO). Die derzeitigen Regelungen der StVO orientierten sich am Vorhandensein eines Fahrzeugführers.
In diesem Zusammenhang seien insbesondere die Verhaltenspflichten der StVO, zum Beispiel die Anforderungen an die Absicherung der Unfallstelle bei Unfällen mit autonomen Fahrzeugen zu nennen. Unklar sei auch, inwieweit bei Vorliegen von Betriebsbereichsgenehmigungen weiterhin StVO-Ausnahmegenehmigungen zum Beispiel für Lieferroboter zum Befahren von Gehwegen notwendig seien.
Kosten für Verkehrsunternehmen
Der Einsatz von Fahrzeugen mit autonomen Fahrfunktionen biete große Chancen für den öffentlichen Personennahverkehr, insbesondere dort, wo herkömmliche Angebote an wirtschaftliche Grenzen stoßen. Allerdings entstünden für die Genehmigung von Fahrzeugen mit autonomen Fahrfunktionen möglicherweise Kosten im Millionenbereich. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, zu prüfen, ob durch geeignete finanzielle Unterstützung insbesondere für kleine und mittelständische Verkehrsbetriebe der Regelbetrieb von Fahrzeugen mit autonomer Fahrfunktion in diesen Bereichen gefördert werden kann.
Gefahren durch Alkoholisierung
Außerdem soll die Regierung prüfen, wie gesetzliche Regelungen Verkehrsgefahren vorbeugen können, die durch alkoholisierte oder durch Betäubungsmittel beeinflusste so genannte technische Aufsichten verursacht werden.
Nächste Schritte
Setzt die Bundesregierung die Änderungsmaßgaben der Länder um, kann die Verordnung wie geplant am Tag nach der Verkündung in Kraft treten. Die begleitende Entschließung wurde der Bundesregierung zugeleitet. Sie entscheidet, wann sie sich damit befasst. Feste Fristen gibt es insofern nicht.
Foto (c) Bundesrat