BUSCHMANN/DÜRR-Statement: Friedrich Merz hat die Wirtschaftswende für Deutschland abgesagt

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Der designierte FDP-Generalsekretär Dr. Marco Buschmann MdB und das Präsidiumsmitglied Christian Dürr MdB gaben nach der Präsidiumssitzung das folgende Statement ab: 

Buschmann: „Das Präsidium der Freien Demokraten hat die politische Lage insbesondere vor dem Hintergrund des sogenannten Sondierungspapiers von Union und SPD beraten. […]  Uns machen die Inhalte dieser Vereinbarung große Sorgen. Denn sie werden Schleifspuren für die nächsten Jahre in der Substanz unseres Landes hinterlassen.

Zunächst muss man festhalten, dass es im Bundestagswahlkampf drei große Themen gab, über die die Bürgerinnen und Bürger abgestimmt haben. Das erste war die Wirtschaftspolitik. Es ging um die Frage, wie dieses Land wieder Wirtschaftswachstum erreichen kann, um Jobs und Aufstiegsperspektiven zu sichern. Und obwohl die SPD das schlechteste Wahlergebnis in ihrer Geschichte eingefahren hat und die Union ja der Sieger des Wahlabends war, muss man sagen, ist die Union im Bereich der Wirtschaftspolitik stehend K.o. gegangen. Es zeichnet sich im Papier ganz klar die Konzeption einer linken Wirtschaftspolitik ab. Dafür steht das sogenannte Sondervermögen Infrastruktur, das ja in Wahrheit nichts anderes ist, als eine Kasse um eine keynesianische, nachfrageorientierte Politik zu betreiben, wo der Staat Stimuli setzt.

Von Strukturreformen liest man nichts Konkretes. Es werden einzelne Buzzwords wie Bürokratieabbau oder Steuerreform genannt, aber nichts Konkretes wird vorgelegt. Es werden keine Strukturreformen der sozialen Sicherungssysteme skizziert. Im Gegenteil: versicherungsfremde Leistungen werden ausgeweitet. Es droht sogar, dass Selbstständige künftig gegen ihren Willen in die Sozialversicherungssysteme hineingedrängt werden. Das halte ich deshalb für ein besonderes Problem, weil wir ja in Deutschland im Moment einen starken Brain Drain haben. Insbesondere junge, hochqualifizierte und unternehmerisch aktive Menschen verlassen unser Land. Und wenn junge Menschen, die unternehmerisch sich engagieren wollen, künftig in die deutschen Sozialversicherungssysteme gegen ihren Willen gedrängt werden, dann wird das diesen Brain Drain noch verstärken. […] Das macht mir große Sorgen. Denn es gibt kein Beispiel in der Wirtschaftsgeschichte dafür, dass mit einer solchen linken Wirtschaftspolitik nachhaltiges Wachstum generiert wird und ein Land davon profitiert.

Das zweite große Thema, um das sich der Bundestagswahlkampf gedreht hat, war die Migrationspolitik. Und hier gab es große Hoffnungen, auch aufgrund der sehr vollmundigen Ankündigungen des Kanzlerkandidaten der Union, dass sich hier etwas tut. Auch hier muss man sagen, ist das Ergebnis der Sondierungen dann doch eher eine große Enttäuschung. Versprochen wurde eine Migrationswende. Was jetzt gekommen ist, ist die Ankündigung mehrerer einzelner Maßnahmen, die für sich genommen nicht falsch sind. Die Inhalte des Entwurfs für ein Zustrombegrenzungsgesetz umzusetzen, ist nicht falsch. Aber es ist eben nicht die Migrationswende. Freiwillige Aufnahmeprogramme zu beenden, Familiennachzug auszusetzen, ist nicht falsch. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Nur die Zahlen, um die es geht, werden eben keine echte Migrationswende bewirken.

Das, was jetzt beim Thema Zurückweisungen an deutschen Grenzen vereinbart worden ist, nämlich, dass das auch für Asylbewerber gelten soll in Abstimmung mit den europäischen Partnern, ist letztendlich […] eins zu eins die Formel, mit der Angela Merkel das Drängen von Horst Seehofer im Jahr 2018 abmoderiert hat. Wir wissen nämlich, dass die Abstimmung mit den europäischen Partnern immer das gleiche Ergebnis haben wird, damals wie heute: dass nämlich die europäischen Partner damit nicht einverstanden sein werden. Deshalb ist das eine Formel, die nichts anderes bewirkt, als dass der Status quo fortgesetzt wird. Das bedeutet, es wird keine Migrationswende geben. Hier gibt es erhebliches Enttäuschungspotenzial. Das macht mir große Sorgen, weil das Thema der irregulären Migration eine destabilisierende Wirkung für unsere Demokratie besitzt, wenn man es nicht in den Griff bekommt. Nach dieser Bundestagswahl folgt eine nächste und ich kann nur dringend appellieren, das Thema in den Griff zu bekommen, wenn die Rechtspopulisten nicht noch weitere Erfolge feiern sollen. Aber mit dieser Formel von Union und SPD […] wird es keine Migrationswende geben.

Das dritte große Thema ist das Thema der äußeren Sicherheit. Europa befindet sich sicherheitspolitisch in einer Situation, die so prekär ist wie eigentlich noch nie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Ursachen sind klar: Einerseits ist es so, dass Russland bislang schon erhebliche Anstrengungen unternommen hat, um, wie Sicherheitsexperten sagen, in fünf bis zehn Jahren in der Lage zu sein, die NATO potenziell anzugreifen. Das war ein Szenario, das noch davon ausging, dass die USA ein verlässlicher Partner in der NATO sind.

Und das war ein Szenario, das noch davon ausgegangen ist, dass der Konflikt in der Ukraine deutlich länger dauert. Ob das heute alles noch der Fall ist, ist unklar. Und deshalb ist die sicherheitspolitische Situation prekärer geworden.

Deshalb muss Deutschland und muss Europa mehr für seine eigene Sicherheit tun. Das setzt voraus, dass man in der Lage ist, diese Anstrengungen zu finanzieren. Das hält die FDP auch für richtig. Ich will daran erinnern, dass wir ja selber das Sondervermögen Bundeswehr mit konzipiert haben, um dafür zu sorgen, dass zusätzliche Finanzmittel für die Verteidigung zur Verfügung stehen, dass der Finanzminister Christian Lindner der erste Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland war, der das Zwei-Prozent-Ziel der NATO nicht nur erreicht, sondern übertroffen hat, und dass wir jeder planmäßigen Ausgabe, die für eine konkrete Beschaffungsmaßnahme vorgesehen war […] immer den Weg bereitet haben.

Was jetzt allerdings vorgeschlagen wird, ist offenbar nur ein Schleusentor, um mehr Spielraum im Haushalt zu haben für andere Aufgaben. Denn wenn jetzt gesagt wird, ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts möchte man im Kernhaushalt abbilden und was darüber hinausgeht, solle nicht mehr der Schuldenbremse unterliegen, lässt völlig offen, was mit diesem Instrument geschehen soll. Es gibt keine politische Vereinbarung auf ein Ziel, was man investieren möchte. Es gibt keinen Anreiz, im Kernhaushalt möglichst stabile Verteidigungsausgaben zu hinterlegen. Es ist nichts übrig geblieben von der Ankündigung von Friedrich Merz, dass man im Kernhaushalt zwei Prozent abbilden kann. All das findet sich in den Beschlüssen nicht wieder.

Deshalb werden die Freien Demokraten einen eigenen Vorschlag machen, um die Finanzierung der Bundeswehr in Zukunft sicherzustellen, aber um eben auch sicherzustellen, dass Verteidigungsausgaben nicht permanent an der Schuldenbremse […] vorbei finanziert werden, sondern dass der Kernhaushalt seine Verpflichtungen übernimmt. Im Kern geht es darum, das Sondervermögen Bundeswehr fortzuentwickeln zu einem Verteidigungsfonds, der in einer Größenordnung von 300 Milliarden Euro Mittel zur Verfügung stellt unter der Bedingung, dass im Kernhaushalt aber zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung abgebildet werden. Das versetzt uns in die Lage, einerseits künftigen NATO-Zielen für die Verteidigung nachzukommen, wenn die steigen sollten. Das versetzt uns in die Lage, auch den gesteigerten Anforderungen für die äußere Sicherheit finanziell nachzukommen. Aber es setzt auch voraus, dass im Haushalt entsprechende Prioritäten vorgenommen werden und dass nicht die Ausgaben im jetzigen Kernhaushalt, die bei etwa 1,5 Prozent des BIPs liegen, noch abgesenkt werden, um im Kernhauhalt weniger für Verteidigung auszugeben, um dieses Volumen für Umverteilung und für die Zementierung des Status quo in den sozialen Sicherungssystemen zu finanzieren. Das wäre völlig verantwortungslos. […]

Also wenn man es resümiert, was im Lichte der drei großen Themen des Bundestagswahlkampfes bei diesen Sondierungen herausgekommen ist, nämlich Wirtschaft, nämlich Migration und die Sicherstellung der äußeren Sicherheit, auch in finanzieller Hinsicht, muss man sagen: Die Union ist auf einen Kurs linker Wirtschaftspolitik eingeschwenkt, der alleine mit mehr Staatsschulden und mehr Staatsausgaben versucht, die Wirtschaft anzukurbeln. Beim Thema Strukturreformen und angebotsorientierter wettbewerbsstärkender Politik bleibt das Papier seltsam schweigsam und konkret wird es immer nur dann, wenn es um die Ausweitung des Sozialstaates geht – beispielsweise mehr versicherungsfremde Leistungen in der Rente oder auch, dass man Selbständige künftig zwingt, in die sozialen Sicherungssysteme einzuzahlen gegen ihren Willen.

Bei der Migration muss man sagen: Was versprochen wurde, war eine Migrationswende. Was jetzt rausgekommen ist, sind ein paar kleine Maßnahmen, die nicht falsch sind, die aber keine Migrationswende darstellen. Man muss sagen, die FDP hat in der Ampel mehr migrationspolitische Veränderungen durchgesetzt als das, was die sogenannte Große Koalition jetzt in Aussicht stellt. Und beim Thema Verteidigung und äußere Sicherheit ist viel zu unklar, wofür die Finanzierungsinstrumente, die dort angesprochen werden, wirklich eingesetzt werden sollen. Es ist völlig unklar, und deshalb braucht es hier einen Alternativvorschlag, den die Freien Demokraten machen und zu dem Christian Dürr unter anderem jetzt auch nähere Ausführungen machen wird. […]“

Dürr: „[…] Man muss es so deutlich sagen: Friedrich Merz hat die Wirtschaftswende für Deutschland abgesagt. Echte wirtschaftliche Strukturreformen wird es mit der kommenden Bundesregierung offensichtlich nicht geben und sie sind auch nicht angestrebt. Das Gegenteil ist sogar richtig: Marco Buschmann hat vorhin zu Recht gesagt, dass das, was dort vorgeschlagen wird, sich nach linker Wirtschafts- und Finanzpolitik anhört, sich so anfühlt und am Ende wahrscheinlich genau das sein wird. Da die Menschen in Deutschland aber nicht linke Wirtschafts- und Finanzpolitik gewählt haben, führt das ganz automatisch zu Enttäuschung, die man aus meiner Sicht hätte vermeiden können.

Ich kann die Verhandlungstaktik […] des Kanzlerkandidaten der Union an dieser Stelle nicht ganz nachvollziehen. Wenn ich mir anschaue, was im Detail drinsteht und auch jetzt an konkreten Vorschlägen schon da ist: 15 Euro Mindestlohn. Ich selbst komme aus einem Agrarland. Der Deutsche Bauernverband hat sich dazu schon geäußert und zeigt auf, welche Probleme das Ganze verursacht. Wenn ich mir anschaue, dass das Wort Lieferkettengesetz und die Frage, ob es nicht endlich abgeschafft gehört, gar nicht im Sondierungspapier vorkommt, und echte Bestrebungen zum Bürokratieabbau allenfalls in der Überschrift stehen, aber nicht im konkreten Handeln, dann kann man nicht davon ausgehen, dass es am Ende ein Koalitionsvertrag wird, der eine echte wirtschaftspolitische Wende einleitet.

Vor diesem Hintergrund macht mir große Sorgen, dass bereits im Sondierungspapier der zusätzliche Finanzspielraum durch die Verschuldungspolitik ausgenutzt wird – beispielsweise indem über zusätzliche Subventionen gesprochen wird. Es findet keine echte wirtschaftliche Reformpolitik statt, sondern es gibt zusätzliche Subventionen. Von einem Subventionsabbau ist überhaupt nicht die Rede – im Gegenteil, weitere Subventionen werden vorgeschlagen.

Ich halte das auch deshalb für problematisch, weil es einerseits die junge Generation betrifft, andererseits aber bereits wirtschaftspolitisch […] in den kommenden Jahren Auswirkungen haben wird. Wir sehen jetzt bereits, dass in Deutschland allein wegen der Ankündigung die Bauzinsen steigen. Das wird der Baukonjunktur nicht helfen, sondern betrifft viele Millionen Menschen in Deutschland ganz konkret. Und wenn das, was hier vorgeschlagen wird, am Ende Recht und Gesetz wird, können wir davon ausgehen, dass es auch Inflationstendenzen nach sich zieht. Das heißt, die Menschen werden für diese Wirtschafts- und Finanzpolitik zahlen müssen. Und deshalb bitte ich herzlich, dies noch einmal grundsätzlich zu überdenken im Rahmen der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD.

Ich will nun etwas zum Thema Verteidigungspolitik sagen. Es ist richtig, dass sich Union und SPD dieses Themas annehmen. Angesichts der geopolitischen Lage in der Welt muss gehandelt werden. Das haben die Freien Demokraten auch immer wieder in der Koalition mit SPD und Grünen unterstrichen. Das gilt jetzt umso mehr, gerade angesichts neuer geopolitischer Situationen – wenn ich allein die Situation im Oval Office bedenke oder Ähnliches mehr. Umso wichtiger ist es, dass Deutschland verteidigungspolitisch handlungsfähig wird.

Allerdings ist das, was vorgeschlagen wird, dass ein Prozent der Wirtschaftsleistung im Bundeshaushalt für Verteidigung zur Verfügung stehen soll, viel zu wenig. Allein während der Regierungszeit von Angela Merkel, als man noch von einer Friedensdividende gesprochen hat, waren es 1,3 Prozent. Das heißt, man bleibt hier hinter den Ambitionen einer damaligen Großen Koalition in der Verteidigungspolitik in Wahrheit zurück und eröffnet lediglich neue Verschuldungsspielräume für alles Mögliche. Das darf nicht sein, und deswegen ist das, was vorgeschlagen wird, zu wenig.

Sich darum zu kümmern, ist gleichwohl richtig. Ich werde deshalb meiner Bundestagsfraktion empfehlen, SPD und Union einen eigenen konkreten Vorschlag zu machen, und zwar die Bildung eines Verteidigungsfonds für Deutschland in Höhe von 300 Milliarden Euro. Zusätzlich sollten in Zukunft zwei Prozent der Wirtschaftsleistung im Bundeshaushalt abgebildet werden. Wir wären damit vorbereitet auch auf höhere NATO-Verpflichtungen, auch auf eine NATO-Quote in Höhe von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts und höher. Deutschland wäre vorbereitet auf mögliche Bündnisverpflichtungen in der Zukunft und das Ziel, die Bundeswehr so auszustatten und so aufzurüsten, wie es in Zukunft notwendig ist. Diesem Ziel käme man damit direkt nach. Deswegen werden wir, sofern meine Fraktion das unterstützt, Union und SPD genau diesen Vorschlag machen. […]

In jedem Fall muss hier mehr auf die Verteidigungsfähigkeit geachtet werden. Es kann nicht sein, dass man […] die Verteidigungsfähigkeit zwar als Anlass nimmt, aber in der Konsequenz doch eher neue Schuldenberge für alles Mögliche anhäuft. Und es kann nicht das Ziel sein, die Verteidigungsfähigkeit, die notwendig für unser Land ist, zu nutzen, um am Ende politisch mit viel Geld eine Koalition zusammenzuhalten.

Diesen konkreten Vorschlag werden wir Union und SPD machen. Mein Wunsch wäre, dass das nicht nur Beachtung findet, sondern dass das sehr konkret geprüft wird. Denn das würde auch jetzt, in der Zwischenzeit des Deutschen Bundestages zwischen zwei Wahlperioden, Handlungsfähigkeit bedeuten. Und wir könnten direkt auf die auch neuere geopolitische Lage antworten.“

Text/Foto: Freie Demokratische Partei am 10. März 2025