Drei Wochen nach den Wahlen in Sachsen und ThĂŒringen wird an diesem Sonntag auch in Brandenburg ein neuer Landtag gewĂ€hlt. SPD und AfD liefern sich ein Kopf-an-Kopf Rennen. Die AfD könnte erneut stĂ€rkste Kraft werden. Dietmar Woidke hat bereits angekĂŒndigt, als MinisterprĂ€sident zurĂŒcktreten zu wollen, sollte seine SPD hinter der AfD landen.
Wird seine Strategie aufgehen, kann die SPD die Mehrheit der Menschen in Brandenburg noch erreichen? Warum wĂ€hlen so viele, gerade auch junge Menschen die in Teilen rechtsextreme AfD? Und welche Folgen wird das Wahlergebnis fĂŒr die Ampel in Berlin haben?
Joachim Gauck
Von 2012 bis 2017 war Joachim Gauck Deutschlands elfter BundesprĂ€sident. Vor der Wende arbeitete er als Pastor. Von seiner Kirche gingen 1989 die wöchentlichen Massendemonstrationen in Rostock aus. Gauck war MitbegrĂŒnder des Neuen Forums und kurzzeitig Volkskammerabgeordneter fĂŒr BĂŒndnis 90 im ersten frei gewĂ€hlten Parlament der DDR. Nach der Wende leitete er zehn Jahre die Stasi-Unterlagen-Behörde. Gauck sagte immer, was er denkt â egal ob als Pastor in der DDR, BundesprĂ€sident oder jetzt im Ruhestand. Bei einem Staatsbesuch in der TĂŒrkei kritisierte er Erdogan fĂŒr dessen demokratische Defizite, in Deutschland forderte er mehr Eigenverantwortung, eine andere AuĂen- und Sicherheitspolitik und warnte bereits vor zehn Jahren vor Putins imperialistischen Ambitionen.
Als BundesprĂ€sident gab er dem Amt seine WĂŒrde zurĂŒck, welches durch die RĂŒcktritte seiner VorgĂ€nger Wulff und Köhler Schaden genommen hatte. Am Abend der Landtagswahl in Brandenburg wird Gauck die Menschen an ihre Selbstverantwortung erinnern, die es braucht, um in einer freiheitlichen Demokratie zu leben â jenseits aller Parteienpolitik.
Julia Reuschenbach
Die Politikwissenschaftlerin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Otto-Suhr-Institut der Freien UniversitĂ€t Berlin, wo sie schwerpunktmĂ€Ăig zu Parteien, WahlkĂ€mpfen und politischer Kommunikation lehrt und forscht. Zusammen mit dem Radiojournalisten Korbinian Frenzel hat sie kĂŒrzlich das Buch âDefekte Debatten: Warum wir als Gesellschaft besser streiten mĂŒssenâ veröffentlicht. Darin untersuchen sie, woran die deutsche Streitkultur krankt. Den etablierten Parteien rĂ€t Reuschenbach, positive Visionen ihrer Politik zu zeichnen und mehr auf Emotionen zu setzen â sonst gerieten sie in Gefahr, gegen populistische Parteien unterzugehen. Sie erwartet nicht, dass die Landtagswahl in Brandenburg groĂe Auswirkungen auf den Bund hat.
Steffen Mau
Der Soziologe befasst sich in seiner Forschung intensiv mit Ostdeutschland. Seine These: Ost- und Westdeutschland bleiben anders, auch dauerhaft. Mau spricht von einem Fortbestand zweier Teilgesellschaften und begrĂŒndet das unter anderem mit groĂen Unterschieden in Sozialstruktur, Demographie und politischer Kultur. Und genau hier wĂŒrden populistische oder auch rechte und rechtsextreme Parteien ansetzen. In dem sie beispielsweise enttĂ€uschten, gerade auch jungen Menschen eine Stimme gĂ€ben. So sei die AfD im Osten zum Teil einer Jugendprotestkultur geworden. Der Professor fĂŒr Makrosoziologie an der Humboldt-UniversitĂ€t zu Berlin glaubt, dass sich das Parteiensystem in Deutschland dauerhaft verĂ€ndern wird.