Kein Thema treibt die Bevölkerung derzeit so um wie die irreguläre Migration nach Deutschland: In einer aktuellen Umfrage sprechen sich 82 Prozent der Befragten dafür aus, die Zuwanderung nach Deutschland zu beschränken. Der Versuch von Bundesregierung und Opposition, auf einem Asyl-Gipfel zu einer wirksamen Lösung zu kommen, ist vorerst gescheitert. Stattdessen haben sich Ampel und Union mit rechtlich umstrittenen Lösungsansätzen und öffentlich formulierten Ultimaten publikumswirksam zerlegt. Zurück bleibt der Ampel-Vorschlag zu beschleunigten Asylverfahren an den Grenzen. Aber welchen Effekt können diese haben? Wie will die Union für ihren Vorschlag der Zurückweisungen weiterkämpfen? Und wie blicken die europäischen Nachbarn auf die deutschen Vorhaben?
Hendrik Wüst
Seit Oktober 2021 ist der CDU-Politiker Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, wo er mit einer schwarz-grünen Koalition regiert. Neben Parteichef Friedrich Merz und dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder gilt er als einer der Anwärter für die Kanzlerkandidatur der CDU bei der nächsten Bundestagswahl. Wüst beobachtet eine “doppelte Zäsur”: Auf der einen Seite das Attentat von Solingen, auf der anderen Seite das Wahlergebnis in Thüringen mit dem Wahlsieg der AfD. Er analysiert: “Die gemeinsame Schnittmenge ist das Thema Migration, die unsere Gesellschaft zusehends überfordert und auch verunsichert.” Wüst hatte nach dem in seinem Bundesland verübten Messeranschlag politische Konsequenzen angekündigt. In dieser Woche stellte er im Düsseldorfer Landtag ein Maßnahmenpaket für Sicherheit und Migration vor.
Gerald Knaus
Der österreichische Migrationsforscher berät als Gründungsdirektor der Denkfabrik “European Stability Initiative” Regierungen auf dem gesamten Kontinent in Fragen zu Flucht, Migration und Menschenrechten. Er gilt als einer der Vordenker des 2016 in Kraft getretenen Flüchtlingspaktes zwischen EU und Türkei. Die aktuell in Deutschland geführte Migrationsdebatte sieht Knaus kritisch. Sowohl die Ampel-Koalition als auch die Union setzten mit ihren neu vorgelegten Konzepten auf falsche Rezepte. Er befürchtet eine Zerreißprobe für die ohnehin brüchige Solidarität innerhalb der EU.
Gilda Sahebi
Die Autorin und freie Journalistin blickt mit Sorge auf die aktuelle Migrationsdebatte. Sahebi sieht die Bundesrepublik diesbezüglich an einem Scheideweg, was für ein Land man nicht nur jetzt, sondern auch in den nächsten Generationen sein möchte. Sie beobachtet, dass Menschen mit Migrationsgeschichte in Deutschland oftmals für strukturelle Probleme verantwortlich gemacht werden. Statt diese Probleme zu lösen, reagiere die Politik mit Begrenzung und Ausweisung – aus ihrer Sicht ein Fehler.