Der erste DTM-Champion aus Südafrika: Sheldon van der Linde

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  • Die van der Lindes: Eine Familie mit Benzin im Blut 
  • Erfolgs-Wohngemeinschaft in Kempten: Zwischen Rivalität und Geschwisterliebe
  • Ein langer Kampf: Der Weg zum ersten DTM-Titel 

Hockenheim (11.10.2022). Der DTM-Meisterschaftspokal: Von dieser Trophäe hatte er schon als kleiner Junge geträumt, und für diesen Pokal hatte er im Wohnzimmer immer einen Platz freigehalten. In Hockenheim beim Saisonfinale hat Sheldon van der Linde seinen Traum verwirklicht: Er ist der DTM-Champion 2022. Fast wie ein Märchen hört die Geschichte des 23-Jährigen an: Sein Vater Shaun, sein Großvater Hennie und Onkel Etienne van der Linde waren über viele Jahre als Rennfahrer in seiner Heimat Südafrika unterwegs. Der Opa holte in den Achtzigern sogar drei nationale Tourenwagen-Titel.

 
Mit sechs Jahren drehte Sheldon das erste Mal an einem Lenkrad. In den folgenden Jahren wurde er mehrfach südafrikanischer Kart-Champion, baute anschließend sein Können im südafrikanischen Volkswagen Polo Cup aus. Mit 15 Jahren kürte er sich zum jüngsten Titelträger im Polo-Cup. Dann ging es nach Europa, inklusive Umzug nach Deutschland, Umstellung vom Rechts- auf Linkslenker sowie anfänglicher Sprachbarriere. 

Die Geschichte von Sheldon van der Linde lässt sich nie ohne die wichtigste Person in seinem Leben erzählen: Bruder Kelvin. Gemeinsam bilden sie eine echte Rennfahrer-WG. Die Wohngemeinschaft in Kempten führte die zwei fortan zu zunehmend großen Erfolgen und zwei glänzenden Motorsport-Karrieren in Deutschland. Ein Rundgang durch die gute Stube gleicht einem Ausflug in die noch junge Vergangenheit. Pokal an Pokal reiht sich im Wohnzimmer der van der Linde-Brüder, Zeugnisse mit emotionalem Wert und Sinnbild für die erfolgreiche Laufbahn des Bruderpaares. Und nun ragt künftig ein Pokal hervor, der von beiden so sehr begehrt wurde: die Trophäe des DTM-Gesamtsiegers. Der ältere Bruder Kelvin hatte ein Jahr zuvor beim Finale am Norisring bereits eine Hand an diesem Pokal, jetzt hat Sheldon ihn fest in beiden Händen. Ein Rennsimulator neben dem Bett zeugt von Ehrgeiz und dem unabdingbaren Fokus, einer der besten Rennfahrer der DTM zu werden. Denn wer Profi werden und Profi bleiben will, muss auch abseits der Rennstrecke immer hundert Prozent geben.

2016 startete Sheldon im damaligen Audi Sport TT Cup, im Rahmenprogramm der DTM. Bald darauf wird er von Audi unterstützt, bei der Marke mit den vier Ringen werden er und sein Bruder im Jahr 2018 sogar Teamkollegen. Nur ein Punkt fehlte den beiden damals, um den Traum von einem gemeinsamen Meisterschaftstitel wahrwerden zu lassen. Nur ein Jahr später klopft BMW an. Werksfahrer für die Traditionsmarke aus München ist seine neue Aufgabe. Damit schafft er es dann 2019 endlich in die DTM. Aber: Dieser Schritt lässt ihn und seinen Bruder wieder zu Konkurrenten werden. Auf der Strecke wird hart gefightet, zuhause herrscht dafür meist idyllische Harmonie. Und das bringt auch besondere Talente abseits der Strecke hervor: Sheldon ist der Küchenchef, der die Kochlöffel schwingt und für das leibliche Wohl der beiden Südafrikaner sorgt. „Die beste Lasagne auf der Welt“, die gibt es oft in der Kemptener WG, wenn es nach Bruder Kelvin geht. 


Doch in der gleichen Branche arbeiten und zusammenwohnen, das birgt auch Zündstoff. Streit gibt es selten, der ist auch recht schnell wieder behoben, betonen Sheldon und Kelvin. Zwei Kinder die gegeneinander Rennen fahren: Das bedeutet auch ein gewisses Herzinfarkt-Risiko für Mama. Wenn es zu heftig zur Sache geht, gibt es schon mal den einen oder anderen Anruf aus Südafrika. „Kräftig die Leviten lesen“ ist dann angesagt.

Ein ruhiger, fast schon normaler Typ, so würden ihn Menschen aus seinem Umfeld beschreiben – ganz gleich seinem Vater Shaun. Im Gespräch eher im Schatten seines großen Bruders, weiß er sich aber zu behaupten. Sheldon ist der Typ, der immer freundlich und bedacht spricht, nie aufbrausend oder provozierend, ganz normal eben. Gemeinsam mit BMW Erfolge feiern, das war der Plan, und das hat funktioniert. Wer, wenn nicht eine der BMW-DTM-Legenden, sollte ihm da zur Seite stehen: Ex-DTM- und Formel-1-Fahrer Timo Glock. Der Lehrmeister und sein Lehrling. Eine fruchtbare Zusammenarbeit, denn mit ihm als Unterstützer ging es weiter bergauf, ein Erfolg nach dem anderen konnte Sheldon verzeichnen. 

All die Arbeit, die Perfektion, die Sheldon hingelegt hat, zahlen sich nun aus. Nach einer schwierigen DTM-Saison 2021, ohne Siege und mit nur wenigen Punkten, geht er mit neuer Motivation in das neue Jahr, mit einem neuen Team, Schubert Motorsport, und mit dem neuentwickelten BMW M4. Schon am zweiten DTM-Rennwochenende auf dem Lausitzring stellen sich gleich zwei Siege ein, die sich als Grundstein auf dem Weg zum großen Triumpf erweisen, ein Weg, auf dem er über weite Strecken an der Spitze der Punktetabelle verweilen konnte, bis zuletzt, bis zum Fallen der letzten Zielflagge der Saison beim Finale in Hockenheim.

Die Konkurrenz war groß, denn insgesamt zehn Fahrer hatten vor Hockenheim noch Titelchancen. Entsprechend groß war der Druck, der auf ihm lastete. Dabei half ihm auch sein Bruder Kelvin, mit guten Gesprächen, mit seiner Erfahrung aus dem Vorjahr, als er um den Titel kämpfte. Sheldon, der ruhige Typ, hielt seine Nerven im Zaum, behielt kühlen Kopf. Der dritte Platz im letzten Saisonrennen reichte, um sich zum DTM-Champion 2022 zu krönen. Ein Titel, den er sich so lange gewünscht hat und der nun endlich seiner ist. Denn Sheldon van der Linde ist der erste Südafrikaner, die die international hochangesehene DTM gewonnen hat und damit die ganze Familie van der Linde stolz gemacht hat.

Foto: Doppel-Triumph: Sheldon van der Linde gewinnt die Fahrer-Wertung, das BMW-Team Schubert Motorsport die Team-Wertung © DTM