Eigentlich sollte das âSolarpaket 1â, mit dem die Regierung den flĂ€chenmĂ€Ăigen Ausbau der Photovoltaik (PV) beschleunigen will, schon kurz vor Weihnachten 2023 eingetĂŒtet werden. Aufgrund der Verzögerungen um die Genehmigung des Bundeshaushalts 2024 wurden die 2. und 3. Lesung im Bundestag jedoch auf die Sitzungswoche Ende Februar 2024 verlegt. Mit der abschlieĂenden Abstimmung wird Ende MĂ€rz gerechnet.
Da sowohl die Parteien der Ampelregierung als auch die christlichen Oppositionsparteien dem Gesetz positiv gegenĂŒberstehen, ist eine Verabschiedung ohne groĂe Korrekturen zu erwarten. Solarpaket 1 enthĂ€lt weitreichende Erleichterungen fĂŒr PV-Dachanlagen und Solaranlagen ĂŒber FreiflĂ€chen. Wichtig fĂŒr die Millionen Mieter hierzulande sind die Fortschritte, die die sogenannten Balkonkraftwerke betreffen.
Was ist ein Balkonkraftwerk?
Balkonkraftwerke fĂŒr grĂŒnen Strom sind steckerfertige Mini-PV-Anlagen, die aus zwei oder mehr Modulen, einem Wechselrichter, einer Haltevorrichtung und einigen Metern Kabeln bestehen. Sie lassen sich am BalkongelĂ€nder beziehungsweise an der Fassade anbringen und können im Garten aufgestellt oder auf dem Garagendach befestigt werden.
Mit einem Balkonkraftwerk werden bis zu 40 Prozent des Stromverbrauchs eines Haushalts mit nachhaltig produzierter und kostenloser Energie gedeckt. Dadurch können auch Verbraucher ohne eigene DachflÀchen direkt von der Energiewende profitieren.
Wie funktioniert eine Stecker-Solaranlage?
GrundsĂ€tzlich arbeitet ein Balkonkraftwerk nach demselben Prinzip wie eine herkömmliche PV-Anlage. Die Module aus Silizium produzieren aus den Sonnenstrahlen Gleichstrom. Der Wechselrichter wandelt diesen in gebrauchsfĂ€higen Wechselstrom um. Zugleich sorgt er dafĂŒr, dass nicht mehr als die derzeit zulĂ€ssigen 600 Watt/Peak (Wp) ins Hausnetz eingespeist werden.
Nachdem die Halterung angeschraubt und die Anlage gemÀà der Herstellerangaben zusammengesteckt wurde, wird der Wechselrichter ĂŒber ein Stromkabel mit einer Steckdose verbunden. Der so produzierte Strom sorgt dafĂŒr, dass der ZĂ€hler langsamer lĂ€uft und die Stromrechnung sinkt.
Wann rechnet sich ein Balkonkraftwerk?
Ein Balkonkraftwerk rechnet sich eigentlich immer. Die Höhe des Ertrags lĂ€sst sich jedoch nicht so ohne Weiteres definieren, weil dabei Faktoren wie der Standort, die Ausrichtung zur Sonne, die Höhe des Eigenverbrauchs und die installierte Leistung den Ausschlag geben. VerlĂ€ssliche Erfahrungswerte zeigen jedoch, dass sich eine Investition in ein Balkonkraftwerk zwischen drei und fĂŒnf Jahren amortisiert.
Balkonkraftwerke als Teil der Energiewende
Oft wird von Skeptikern die Wirkung von Balkonkraftwerken auf die Energiewende infrage gestellt. Es wird bezweifelt, ob sich der ganze Aufwand lohnt, zumal viele Mini-Solaranlagen aufgrund der begrenzten Anbringungsmöglichkeiten keine optimalen ErtrÀge erzielen. Diese Fragestellung muss eindeutig bejaht werden.
In Deutschland gibt es zwischen 25 und 30 Millionen Balkone. WĂŒrden diese flĂ€chendeckend mit 800-Watt-Anlagen bestĂŒckt, die im Schnitt 500 Kilowattstunden Strom produzieren, könnten diese etwa 12.500 bis 15.000 Gigawattstunden zusĂ€tzliche Energie im Jahr erzeugen. Eine Energiemenge, die ganz Berlin mit seinen annĂ€hernd vier Millionen Einwohnern versorgt. Und dabei wĂŒrden brachliegende, schon vorhandene FlĂ€chen genutzt, sodass keine EinschrĂ€nkungen der BiodiversitĂ€t zu befĂŒrchten sind.
Was ist bei der Standortwahl zu beachten?
Der Standort ist entscheidend fĂŒr die Menge an Strom, die mit einem Balkonkraftwerk generiert werden kann. Dabei gilt es, den folgenden Aspekten Beachtung zu schenken:
- In mitteleuropĂ€ischen Breiten wird die meiste Sonnenstrahlung aufgefangen, wenn die Module gen SĂŒden ausgerichtet sind.
- Bei Haushalten, deren Bewohner sich tagsĂŒber auĂer Haus befinden, wird empfohlen, dass zwei Module nach Osten und zwei Module nach Westen zeigen.
- Der höchste Ertrag wird erzielt, wenn sich die Module um 35° nach hinten neigen.
- Schatten von BĂ€umen, HauswĂ€nden oder SatellitenschĂŒsseln reduzieren den Ertrag spĂŒrbar.
Ist ein Batteriespeicher sinnvoll?
Fast alle Hersteller bieten Wechselrichter an, die mit einem Anschluss fĂŒr eine Speicherlösung ausgestattet sind. Damit kann der saubere und kostenlose Strom auch nachts genutzt werden. Allerdings kosten Solarbatterien mindestens 750 Euro, sodass die RentabilitĂ€t im Einzelfall geprĂŒft werden muss.
Erleichterungen fĂŒr Balkonkraftwerke, die schon umgesetzt sind
Doch zurĂŒck zu den Verbesserungen, die mit der neuen Solarstrategie des Bundes in Verbindung zu bringen sind. Schon 2023 wurden einige MaĂnahmen getroffen und Entscheidungen gefĂ€llt, die fĂŒr die Photovoltaik im Allgemeinen und fĂŒr Stecker-Solaranlagen im Speziellen von Vorteil sind.
Aussetzung der Mehrwertsteuer auf PV-Produkte
So hat zu Beginn des letzten Jahres die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf PV-Produkte und den damit verbundenen Dienstleistungen dafĂŒr gesorgt, dass Balkonkraftwerke quasi ĂŒber Nacht um 19 Prozent billiger wurden. Nicht zuletzt deshalb wurden hierzulande bis Ende 2023 schon rund eine Viertelmillion Balkonkraftwerke verkauft.
Einfacher Schuko-Stecker anstatt teure Wieland-Steckdose
Jahrelang blockierte der einflussreiche Verband fĂŒr Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik e.V. (VDE) die rasche Ausbreitung von Mini-Solaranlagen. Der Verein bestand darauf, dass ein Balkonkraftwerk nur mittels eines Wieland-Steckers mit dem Hausnetz verbunden werden darf.
Ein solcher ist kostenintensiv und muss von einem Fachbetrieb installiert werden, wodurch die RentabilitĂ€t eines Balkonkraftwerks entscheidend geschmĂ€lert wird. Seit Mitte letzten Jahres dĂŒrfen nun auch einfache Schuko-Stecker verwendet werden.
Balkonkraftwerke werden nicht mehr als Bauprodukte eingestuft
Ende 2023 gab das Deutsche Institut fĂŒr Bautechnik (DIBt) bekannt, dass Balkonkraftwerke zukĂŒnftig nicht mehr als Bauprodukte bewertet werden. Diese Entscheidung hat die Konsequenz, dass Balkonkraftwerke auch in einer Höhe von ĂŒber vier Metern platziert werden können. Ăberdies dĂŒrfen ab diesem Jahr moderne Module mit ĂŒber zwei Quadratmetern FlĂ€che ans BalkongelĂ€nder geschraubt werden.
Verbesserungen, die im Solarpaket 1 enthalten sind
Die folgenden Punkte erlangen mit der Verabschiedung von Solarpaket 1 GĂŒltigkeit.
Vereinfachter Zugang fĂŒr Mieter
Balkonkraftwerke werden im BĂŒrgerlichen Gesetzbuch (BGB) und im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) in den âKatalog fĂŒr privilegierte MaĂnahmenâ aufgenommen. Damit wird das Recht der Mieter auf die Installation einer Mini-Solaranlage garantiert. Trotzdem ist es ratsam, den Vermieter aus GrĂŒnden der Konfliktvermeidung vorab zu informieren, zumal, wenn in die Bausubstanz eingegriffen werden sollte.
Steigerung sowohl der Wechselrichter- als auch der Modulleistung
Die wohl wichtigste Ănderung ist die mit dem Solarpaket verbundene Leistungssteigerung fĂŒr Balkonkraftwerke. Diese wird in Bezug auf den Wechselrichter von 600 auf 800 Wp gesteigert. Damit wird die Leistung dem in der EU gĂŒltigen Wert angeglichen.
Bei PV-Anlagen ist es sinnvoll, wenn die Modulleistung die Wechselrichterleistung um einiges ĂŒbertrifft. Dies garantiert, dass auch bei bedecktem Wetter ausreichend Strom generiert wird. Die jetzt erlaubten 1.200 Watt Leistung werden auf 2.000 Watt erhöht. Damit es zu keinen Ăberlastungen des Hausnetzes kommt, wird die Einspeisung vom Wechselrichter bei 800 Watt gedrosselt. ĂberschĂŒssige Mengen werden entweder ins öffentliche Netz geleitet oder, falls vorhanden, zur Ladung eines Speichers genutzt.
Weniger BĂŒrokratie
Derzeit muss ein Balkonkraftwerk noch doppelt angemeldet werden. Eine Registrierung bei der Bundesnetzagentur ist und bleibt verpflichtend. Die Anmeldung beim regionalen Versorger dagegen wird zukĂŒnftig nicht mehr notwendig sein.
Keinen ZĂ€hleraustausch
Mini-PV-Anlagen sind aus administrativen GrĂŒnden nicht dafĂŒr vorgesehen, ĂberschĂŒsse ins öffentliche Netz abzugeben. Trotzdem kann dies bei guter Wetterlage passieren. Daher ist es vorgeschrieben, auf Rechnung des regionalen Versorgers einen ZĂ€hler mit RĂŒcklaufsperre einzubauen.
Aufgrund der groĂen Nachfrage sind die Versorger allerdings ĂŒberlastet. Daher darf eine Anlage zukĂŒnftig sofort nach der Installation in Betrieb genommen werden, auch wenn nur ein rĂŒckwĂ€rts laufender Ferraris-ZĂ€hler zur VerfĂŒgung steht.
Titelfoto: Mit einem Balkonkraftwerk produzieren Mieter und Bewohner von Etagenwohnungen sauberen und kostenlosen Strom!
Text: pedom