Yasmin Fahimi sieht „volkswirtschaftlichen Schaden“ – Harsche Kritik an Arbeitgebern: „Es mangelt an Selbstkritik“
OsnabrĂŒck (ots) – In der Debatte um ausufernde Sozialversicherungsabgaben warnt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) vor Einschnitten fĂŒr die Arbeitnehmer. „Es ist unredlich, wenn die BeschĂ€ftigten jetzt die Suppe auslöffeln sollen, die andere angerĂŒhrt haben. Sie sind nicht Ursache der wirtschaftlichen SchwĂ€che“, sagte die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi im Interview mit der „Neuen OsnabrĂŒcker Zeitung“ (NOZ). Eine Deckelung von Sozialabgaben ziele auf eine reine Entlastung der Arbeitgeber. „Denn die BeschĂ€ftigten wĂ€ren gezwungen, die Einschnitte durch zusĂ€tzliche private Vorsorge oder Eigenleistungen zu kompensieren. Das aber können sich immer weniger Menschen leisten“, betonte die DGB-Chefin. Die Arbeitgeberseite hatte bei den SozialversicherungsbeitrĂ€gen zuletzt wiederholt eine RĂŒckkehr zur 40-Prozent-Grenze angemahnt.
Wolle man die Sozialversicherungssysteme und damit die BeitrĂ€ge entlasten, „sollten die Sozialkassen endlich angemessene SteuerzuschĂŒsse fĂŒr die versicherungsfremden Leistungen erhalten“, sagte Fahimi der NOZ. Zudem gelte es, „mehr Menschen in vollzeitnahe BeschĂ€ftigung zu bringen, etwa indem sozialversicherungsfreie Minijobs endlich abgeschafft werden“. Menschen in Minijobs könnten schlieĂlich keine keine RentenansprĂŒche aufbauen. AuĂerdem wĂŒrden viele Frauen durch Minijobs in sehr geringer ErwerbstĂ€tigkeit gehalten, anstatt wirtschaftliche UnabhĂ€ngigkeit zu erreichen. „Im Ăbrigen wird dann auch keine entsprechende Einkommensteuer gezahlt, und die Kaufkraft ist geringer“, betonte Fahimi. So destabilisiere das hohe MaĂ an sozialversicherungsbefreiter BeschĂ€ftigung die Sozialversicherungssysteme und es entstehe auch ein volkswirtschaftlicher Schaden.
Mit den Arbeitgebern geht die DGB-Chefin hart ins Gericht. „Ich nehme wahr, dass sich im Arbeitgeberlager einige am liebsten aus der Sozialpartnerschaft verabschieden wĂŒrden. Das provoziert zunehmend Konfliktsituationen, die unserem Land mit Sicherheit nicht guttun“, sagte Fahimi. In der Folge entstĂŒnden Unruhe und Planungsunsicherheit. Es gebe aber „ĂŒberhaupt keinen Grund, den BeschĂ€ftigten soziale Rechte abzusprechen, noch ihnen vorzuwerfen, faul, krank und teuer zu sein“.
Weiter sagte Fahim der NOZ: „Die, die nie ihren Frieden mit dem Sozialstaat gemacht haben, scheinen gerade Morgenluft zu wittern. Da soll im Windschatten der wirtschaftlichen Herausforderungen vieles an sozialem Fortschritt revidiert werden, was aus ihrer einseitigen Sicht nur als Kostenfaktor gilt“. Dabei sei der soziale Ausgleich und die gesellschaftliche StabilitĂ€t immer ein Standortvorteil Deutschlands gewesen. „Das gerĂ€t nun zunehmend in Gefahr“, warnte Fahimi.
„Die FĂ€higkeit zur Selbstkritik ist bei vielen Arbeitgebern wenig ausgeprĂ€gt. Und sie stellen gerne viele hohe AnsprĂŒche an andere, nicht aber an sich selbst. Sonst wĂ€ren Managementfehler, die viele Unternehmen in die Krise gefĂŒhrt haben, ein gröĂeres Thema“, sagte Fahimi. Als Beispiel nannte sie Volkswagen.
Gleichzeitig forderte die DGB-Vorsitzende Unternehmer auf, in den verbleibenden Wochen bis zu Bundestagswahl noch deutlicher Position gegen die AfD zu beziehen. Der von der Partei propagierte Austritt aus der EU und eine RĂŒckkehr zur D-Mark, so die DGB-Chefin, „wĂ€ren der Ruin Deutschlands. Deshalb appelliere ich auch an die Arbeitgeber, sich noch klarer als bisher gegen die AfD zu positionieren“.
Foto: Yasmin Fahimi (c) DGB