Studie untersucht, wie private Haushalte in Deutschland durch steigende Energiepreise belastet und durch Hilfen der Bundesregierung entlastet werden â Einkommensschwache Haushalte und HĂ€rtefĂ€lle sollten gezielter unterstĂŒtzt werden
Haushalte mit geringen Einkommen sind von den aktuell hohen Energiepreisen deutlich stĂ€rker betroffen als Haushalte mit hohen Einkommen â selbst dann, wenn man die Entlastungspakete der Bundesregierung einbezieht. Das ist das Ergebnis umfassender Simulationsberechnungen am Deutschen Institut fĂŒr Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) auf Basis von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP). Demnach mĂŒssen alle privaten Haushalte in Deutschland mittelfristig im Durchschnitt 2,1 Prozent ihres Nettoeinkommens mehr fĂŒr Energie ausgeben. Ohne die staatlichen Entlastungen wĂ€ren es 3,4 Prozent.
Bei den einkommensschwĂ€chsten zehn Prozent der Haushalte machen die Energiepreissteigerungen sogar 6,7 Prozent des Nettoeinkommens aus und selbst bei BerĂŒcksichtigung der Entlastungen verbleiben noch rund drei Prozent Nettobelastung. DemgegenĂŒber mĂŒssen die reichsten zehn Prozent der Haushalte gemessen an ihrem Einkommen durchschnittlich nur zwei Prozent mehr fĂŒr Energie ausgeben â da auch sie von den staatlichen Hilfen profitieren, sind es unter dem Strich nur 1,3 Prozent. Die Berechnungen beziehen sich auf die kommenden zwölf bis 18 Monate, da die Preissteigerungen nicht fĂŒr alle Haushalte zum selben Zeitpunkt wirksam werden. So tanken sie beispielsweise zu unterschiedlichen Zeitpunkten Heizöl nach oder mĂŒssen als Gas-BestandskundInnen spĂ€ter als NeukundInnen höhere Tarife zahlen.
âDie deutlich gestiegenen Energiepreise schlagen insbesondere bei Ă€rmeren Haushalten erheblich zu Buche â ganz zu schweigen von den Preiserhöhungen bei weiteren Produkten wie Lebensmittelnâ, sagt DIW-Ăkonom Stefan Bach, der die Studie gemeinsam mit Jakob Knautz erstellt hat. âDie Entlastungspakete der Bundesregierung helfen Haushalten mit wenig Einkommen mittelfristig nur bedingt. Es gibt also weiteren Handlungsbedarf fĂŒr die Politik, wenn die Energiepreise wie zu erwarten hoch bleiben. KĂŒnftige MaĂnahmen sollten stĂ€rker auf die Geringverdienenden konzentriert werdenâ, so Bach.
Entlastungspakete sind umfangreich, aber wenig zielgenau
FĂŒr ihre Simulationsberechnungen haben die Studienautoren die Energiepreise mit Stand Mitte April berĂŒcksichtigt. Zu diesem Zeitpunkt war beispielsweise der Liter Super E10 an den Tankstellen um 51 Cent oder 36 Prozent teurer als im Durchschnitt des Jahres 2019. Beim Diesel waren es 71 Cent beziehungsweise 55 Prozent. Der Preis fĂŒr Heizöl hat sich sogar verdoppelt und beim Gas werden die gĂŒnstigeren Tarife bei den BestandskundInnen sukzessive angepasst werden, so dass ebenfalls eine Verdopplung der Heizkosten zu erwarten ist. Im Falle eines Energieembargos oder Lieferstopps durch Russland wĂŒrden die Gaspreise noch ungleich stĂ€rker steigen.
âAngesichts der Belastungen fĂŒr die öffentlichen Haushalte spricht einiges dafĂŒr, Besser- und Hochverdienende nicht zu entlasten und mittelfristig die Steuern auf sehr hohe Einkommen und Vermögen anzuheben.â Stefan Bach
Um die Menschen in Deutschland zu entlasten, hat die Bundesregierung zwei Entlastungspakete geschnĂŒrt. Mit rund 24 Milliarden Euro kommt der gröĂte Teil davon den privaten Haushalten zugute. Die MaĂnahmen umfassen unter anderem die Abschaffung der EEG-Umlage beim Strom, höhere Sozialleistungen, geringere Einkommensteuern, eine Energiepreispauschale, eine Spritsteuersenkung und ein stark vergĂŒnstigtes ĂPNV-Monatsticket. Zwar profitieren einkommensschwache Haushalte davon in Relation zu ihrem Nettoeinkommen am stĂ€rksten, wie die Berechnungen zeigen, unter dem Strich verbleibt aber eine höhere Belastung infolge der stark gestiegenen Energiepreise als bei reicheren Haushalten.
GeringverdienerInnen mĂŒssen einen gröĂeren Anteil ihres Einkommens fĂŒr Energie aufwenden und sind somit von den Preissteigerungen stĂ€rker betroffen. Gleichzeitig ist es ihnen mangels Ersparnisse und Vermögen kaum möglich, die höheren Preise aufzufangen. Deshalb sollte diesen Haushalten nach Ansicht der Studienautoren gezielter geholfen werden. Wichtig sei vor allem, das bereits vereinbarte Klimageld nun zĂŒgig auf den Weg zu bringen, um neue Leistungen schnell und unbĂŒrokratisch gezielt einsetzen zu können. Zudem sollten nicht Besser- und Hochverdienende unterstĂŒtzt werden, die höhere Energiepreise schultern können. Die Steuerentlastung bei den Kraftstoffen beispielsweise sei in der Hinsicht fragwĂŒrdig, zudem reduziert sie Anreize zum Energiesparen, bemĂ€ngeln die Autoren. Auch beim Neun-Euro-ĂPNV-Ticket seien erhebliche Mitnahmeeffekte zu erwarten. âAngesichts der Belastungen fĂŒr die öffentlichen Haushalte spricht einiges dafĂŒr, Besser- und Hochverdienende nicht zu entlasten und mittelfristig die Steuern auf sehr hohe Einkommen und Vermögen anzuhebenâ, so Bach.
Foto/Text DIW Berlin