DIW-Studie untersucht Auswirkungen einer Gasmangellage – Ohne Entlastungen im Durchschnitt bis zu 1500 Euro Mehrkosten für Haushalte jährlich – Pauschale Entlastungen unzureichend für Mehrkosten in schlecht gedämmten Wohnungen, könnten aber auf arme Haushalte beschränkt werden – Eine alternative Gaspreisgarantie sollte maximal 80 Prozent des Verbrauchs abdecken, um weiter Anreize zum Gassparen zu setzen
Viele Menschen in Deutschland blicken mit Sorge auf die steigenden Gaspreise. Stellt Russland tatsächlich die weiteren Gaslieferungen ein, werden viele Haushalte in existenzielle Nöte geraten. Durchschnittliche Mehrkosten von jährlich bis zu 1500 Euro erwarten WissenschaftlerInnen des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und der Humboldt-Universität zu Berlin, die verschiedene Entlastungsszenarien durchgerechnet haben. Dafür wurden sechs verschiedene Maßnahmen auf Basis der Haushaltsbefragung des Sozio-oekonomischen Panels analysiert, unter ihnen eine Pauschalzahlung in Höhe der erwartbaren Mehrkosten und eine Gaspreisgarantie, die den Gaspreis für den Grundbedarf auf einem bezahlbaren Niveau halten soll. „Untätigkeit wäre eine schlechte Option“, warnt Karsten Neuhoff, Studienautor und Leiter der Abteilung Klimapolitik im DIW Berlin. In diesem Fall würden vor allem arme Haushalte in eine Notlage geraten. Entscheidend sei zudem, dass die Maßnahmen Anreize setzen, Gas einzusparen. „Sollten die russischen Gaslieferungen eingestellt werden, gäbe es nicht genügend Alternativen, um die Versorgung von Haushalten und Industrie sicherzustellen“, so Neuhoff. „Um akute Engpässe zu vermeiden, müssen daher auch Privathaushalte mindestens 20 Prozent ihres Gasverbrauchs einsparen.“
Ausgleichszahlungen an arme Haushalte günstigste Maßnahme
Zuletzt wurde vermehrt der Vorschlag diskutiert, Ausgleichszahlungen an Haushalte zu zahlen, um die steigenden Gaspreise aufzufangen. Die Berechnungen der DIW-ForscherInnen zeigen jedoch, dass eine Pauschalzahlung an alle Haushalte mehr als 20 Milliarden Euro kosten würde. „Wenn die Zahlungen auf die ärmsten Haushalte begrenzt werden, könnten die nötigen Ausgaben auf etwa vier Milliarden Euro beschränkt werden“, analysiert Maximilian Longmuir, Co-Autor und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Humboldt-Universität zu Berlin. Doch auch unter den Haushalten nahe der Armutsschwelle würden nicht alle Haushalte gleichermaßen profitieren. „Bei Menschen, die in schlecht isolierten oder sehr großen Wohnungen leben, würde die Pauschalzahlung nicht genügen, die Mehrkosten auszugleichen“, so Longmuir. „Andere Haushalte würden dagegen mehr Ausgleichszahlungen erhalten, als ihnen überhaupt Mehrkosten entstanden sind.“
Gaspreisgarantie verbindet Entlastungen mit Anreizen, Gas zu sparen
Alternativ könnte eine Gaspreisgarantie einen umfassenderen Ausgleich bieten. Bei dieser würden die Gaspreise für einen Grundbedarf für alle Haushalte auf einem bezahlbaren Niveau eingefroren werden. Alle Haushalte, die mit Gas heizen, würden dann adäquat zu ihrem Verbrauch entlastet werden. „Damit trotzdem Anreize entstehen, Gas einzusparen, sollten die gesenkten Preise nur für 80 Prozent des Vorjahresverbrauch gelten und für einen maximalen Verbrauch von 8000 kWh pro Kopf“, sagt Franziska Schütze, Co-Autorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im DIW Berlin. Für das Gas, das über dieser Grenze verbraucht wird, würden die hohen Marktpreise fällig werden. Für die ärmsten Haushalte könnten die Mehrkosten so auf etwa 570 Euro beschränkt werden. Da mehr Haushalte profitieren würden, wäre die Gaspreisgarantie aber auch teurer: etwa 17,5 Milliarden Euro müsste der Staat für sie ausgeben. „Eine Gaspreisgarantie für den Grundbedarf von 80 Prozent des bisherigen Verbrauchs verbindet Entlastungen mit Anreizen, weniger Gas zu verbrauchen“, so Schütze. „So wird nicht nur ein Apell formuliert, sondern auch konkrete Anreize gesetzt, wie die Einsparziele umgesetzt werden können.“
Die Politik muss also entscheiden, welche Schwerpunkte sie bei der Entlastung setzen möchte. „Mit einer Pauschalzahlung könnte sie gezielt arme Haushalte erreichen, aber wäre mit dem Problem konfrontiert, dass die Ausgleichszahlung nicht für alle Haushalte adäquat wäre“, bilanziert Mats Kröger, Co-Autor und wissenschaftlicher Mitarbeiter am DIW Berlin. „Eine Gaspreisgarantie würde die Diversität bei den Wohnungen auffangen und würde alle Haushalte, die mit Gas heizen, erfassen, aber wäre auch mehr als viermal so teuer.“ Wie groß die Effekte der verschiedenen Maßnahmen auf das Einsparverhalten der BürgerInnen wären, konnte auf der Basis der vorhandenen Daten nicht berechnet werden. Wichtig sei es daher, dass unabhängig davon, wie die Regierung die BürgerInnen entlasten möchte, der finanzielle Ausgleich von Maßnahmen wie regelmäßigeren Informationen über den Gasverbrauch und über die Energieeffizienz, einer stärkeren Förderung energetischer Sanierungen und einem Umstieg auf erneuerbare Energien im Heizungsbereich begleitet wird.
Text/Foto: DIW