DKG: Die gute und flächendeckende Versorgung von Frühchen wird gefährdet

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Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) lehnt den Beschluss des Gemeinsamen Bundesauschusses (G-BA) zur Qualitätssicherungsrichtlinie für Früh- und Reifgeborene ab. Dazu erklärt der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß (Foto):

„Die Überarbeitung der Qualitätssicherungsrichtlinie für Früh- und Reifgeborene gefährdet mittelfristig die aktuell im internationalen Vergleich noch gute Versorgung von Frühchen in Deutschland. Dies ist das Ergebnis des Beschlusses des G-BA. Mit dem Versuch, kleinteilige Qualitätsanforderungen im Sinne des GKV-Spitzenverbands in Verbindung mit sehr hohen finanziellen Sanktionen auf die Spitze zu treiben, gefährdet die neue Richtlinie zahlreiche Perinatalzentren in ihrer Existenz.

Die nunmehr festgelegten Personalvorgaben für die Pflege sind schlicht und ergreifend auch absehbar nicht flächendeckend erfüllbar. Fällt in bestimmten Situationen beispielsweise auch nur eine einzige Pflegekraft für die vorgegebene 1:1-Betreuung eines einzigen Patienten aus, so wird der Neugeborenen-Intensivstation die gesamte Vergütung für alle Patienten für diesen Tag entzogen. Damit drohen unverhältnismäßige, finanzielle Sanktionen für die betroffenen Standorte und auch die Schließung bisher noch vorhandener Perinatalzentren.

Nicht nur die Krankenhausträger, auch die Länder haben sich bis zuletzt vehement gegen diesen unangemessenen Vorschlag gewandt. Der GKV-Spitzenverband drückt damit ein Konzept durch, das die maßgebliche medizinische Leitlinie der AWMF als Sanktionsinstrument zweckentfremdet und missbraucht. Noch dazu enthält der Vorschlag Forderungen, die weit über diese Leitlinie hinausgehen und jeglicher Evidenz entbehren. Erneut soll die Qualitätssicherung des G-BA als Instrument zur Standortschließung missbraucht werden.

Seit 2017 ist bekannt, dass die Perinatalzentren in Deutschland fast alle Anforderungen der Qualitätsrichtline annähernd flächendeckend erfüllen. Im aktuellen Datenjahr 2022 lag der Erfüllungsgrad bei den meisten Kriterien bei 98 Prozent. Dies beinhaltet sämtliche Anforderungen hinsichtlich der vorzuhaltenden Infrastruktur, der Versorgung durch Ärztinnen und Ärzte sowie Hebammen. Die einzige wesentliche Abweichung ist und bleibt die Anforderung an die pflegerische Versorgung in der Neonatologie, die von weniger als der Hälfte der Personalzentren in Deutschland eingehalten werden kann. Und dies nicht, weil die Zentren es nicht einhalten wollten, sondern weil es schlicht unmöglich ist die in der Richtlinie formulierten Personalvorgaben zu erfüllen.

Gleichzeitig zeigen wissenschaftliche Untersuchungen aber auch, dass die Behandlungsqualität für die kleinen Patienten deshalb nicht beeinträchtigt ist. Wenn also die Anforderungen selbst nach jahrelangen gemeinsamen Anstrengungen unerfüllbar bleiben, und sich zeigt, dass trotzdem die Behandlungsqualität durch die Kliniken gehalten wird, dann sollte man bei den unerfüllbaren Anforderungen abspecken und damit die Realitäten anerkennen. Denn an den kritischen Rahmenbedingungen – der Arbeitsmarktsituation und den überhohen Anforderungen der Richtlinie – hat sich nichts geändert. Wir müssen feststellen, dass die Anforderungen, die vorgegeben sind, nicht erfüllbar sind. Zentrale Gründe sind u.a.:

  • die nicht ausreichende Anzahl an Pflegefachpersonen mit Vertiefung Pädiatrie und insbesondere Pflegefachpersonen der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege auf dem Arbeitsmarkt
  • die nicht ausreichende Anzahl an Pflegefachpersonen mit Fachweiterbildung „Pädiatrische Intensiv- und Anästhesiepflege“
  • Einschränkungen durch das Pflegeberufegesetz: keine Einsatzmöglichkeiten ohne Vertiefung kurzfristig stark schwankende Patientenzahlen
  • Ausscheiden von hochqualifizierten Kräften in den Ruhestand
  • erhöhte Krankenstände seit der Pandemie

Es wäre nun an der Zeit für die Kostenträger, aber auch für die Unparteiischen im G-BA, sich der Wirklichkeit zu stellen. Theoretische begründete Konstrukte vom Schreibtisch, die sowohl die reale Arbeitsmarktlage als auch die echte Versorgungssituation negieren, dürfen nicht Grundlage für die Richtlinie und Sanktionen sein. Anstatt die Qualität der Versorgung zu sichern, werden bewährte Standorte für die flächendeckende Versorgung von Frühgeborenen gefährdet. Wenn sich jetzt tatsächlich durchsetzt, was die Krankenkassen wollen und die Unparteiischen mittragen, hätte dies spätestens ab 2027 Lücken in der Patientenversorgung zur Folge.

Dann muss damit gerechnet werden, dass einige Perinatalzentren vollständig aus der Versorgung ausscheiden werden, ohne dass sich die Pflegefachkräfte von dort auf andere Standorte verteilen. Risikoschwangere würden mit drohenden Frühgeburten abgewiesen oder müssten verlegt werden. Frühgeborene müssten in andere Perinatalzentren verlegt werden und das unter extrem hohen Transportrisiken. Auch andere pädiatrisch Intensivpatienten können nicht aufgenommen werden und adäquat versorgt werden. Sich dieser Realität nicht zu stellen und weiter bei unrealistischen Maximalforderungen zu bleiben, ist unredlich sowohl den Kliniken als auch vor allen Dingen den kleinen Patienten gegenüber.

Wie einseitig der so genannte Kompromissvorschlag ist, zeigt sich auch in Zahlen. Zwischen GKV-Spitzenverband auf der einen Seite und DKG und Ländern auf der anderen Seite gab es 145 dissente Punkte. In 122 Fällen entschieden die Unparteiischen zu Gunsten des GKV-Spitzenverbands. Und es sind nicht die kleinen Punkte, sondern, wie dargelegt, die maßgeblichen Stellschrauben.

Wir fordern, dass die Richtlinie an die aktuelle medizinische Evidenz angepasst wird und die bereits vorhandene hohe Behandlungsqualität von Frühgeborenen anerkennt. Wir wollen die Qualität der Versorgung von Früh- und Reifgeborenen weiterhin nicht nur sichern, sondern wir müssen auch die flächendeckende Versorgung in diesem Bereich aufrechterhalten. Das wird mit dem jetzt beschlossenen Text nicht möglich sein. Wir rufen die Kostenträger und die Unparteiischen auf, ihre Position zu überdenken und sich der Realität zu stellen.“

Text/Foto: DKG am 18. Juli 2024