Im vergangenen Jahr sind in Deutschland mindestens 299 Menschen ertrunken. Das sind 79 TodesfĂ€lle im Wasser weniger als noch im Jahr davor, wie die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) am Donnerstag (17.3.22) in Hannover bekanntgegeben hat. „Damit haben wir fĂŒr das Jahr 2021 den niedrigsten Stand seit 2000 verzeichnet, als wir anfingen, die Zahlen systematisch zu erheben“, sagte die PrĂ€sidentin der DLRG, Ute Vogt, und schob einschrĂ€nkend hinterher: „In der Statistik nicht enthalten sind jedoch die Opfer der schrecklichen Hochwasser-Katastrophe im vergangenen Jahr.“ Viele der mehr als 180 Menschen, die Mitte Juli in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ums Leben kamen, seien zwar wahrscheinlich ertrunken, fĂŒr die DLRG lieĂe sich das jedoch nicht genau beziffern.
Dieses seltene Ereignis herausgenommen ertranken im Vorjahr rund 20 Prozent weniger Menschen als 2020. Insgesamt sank die Zahl der Ertrunken das dritte Jahr in Folge. Dazu die DLRG PrĂ€sidentin: „Das ist schon ĂŒberraschend fĂŒr uns, denn wir hatten bedingt durch die Pandemie mit mehr UnfĂ€llen gerechnet. Doch die Menschen haben sich an und in den GewĂ€ssern offensichtlich mehrheitlich umsichtig verhalten, wozu hoffentlich auch die unermĂŒdliche AufklĂ€rungsarbeit der DLRG ihren Beitrag geleistet hat.“
255 der erfassten tödlichen UnglĂŒcke – das sind rund 85 Prozent – ereigneten sich 2021 in BinnengewĂ€ssern. Mit 131 TodesfĂ€llen waren in Seen und Teichen die meisten Opfer zu beklagen (2020: 175). In FlĂŒssen verloren 95 (130) Menschen ihr Leben, in BĂ€chen und GrĂ€ben 13 (16) sowie in KanĂ€len 16 (14). Vogt: „Das gröĂte Risiko zu ertrinken, besteht weiterhin in Seen und FlĂŒssen. Nur verhĂ€ltnismĂ€Ăig wenige GewĂ€sser werden von Rettungsschwimmerinnen und Rettungsschwimmern bewacht – und wenn, dann auch nur eingeschrĂ€nkt.“
In SchwimmbĂ€dern (von sechs auf sieben) und im Meer (von 21 auf 26) ist die Zahl der UnglĂŒcksfĂ€lle zwar leicht gestiegen, doch sind diese weiter vergleichsweise sicher. WĂ€hrend in den BĂ€dern meist hauptberufliches Personal fĂŒr Sicherheit sorgt, sind es an der KĂŒste von Anfang Mai bis Ende September tausende Freiwillige, allein rund 5.000 ehrenamtliche Rettungsschwimmer an 80 Stationen der DLRG zwischen Borkum und Usedom. Tödliche UnfĂ€lle ereignen sich hier mehrheitlich abseits der bewachten StrĂ€nde oder auĂerhalb der Dienstzeiten der Lebensretter.
Todesopfer infolge der Hitze
Wie groĂ der Zusammenhang von Wetterlagen und ErtrinkungsunfĂ€llen sein kann, zeigt ein Blick auf die Sommermonate. Knapp zwei von drei Opfern (63%) wurden von Juni bis September verzeichnet. Die 189 Ertrunkenen im relativ kĂŒhlen und nassen Sommer bedeuten einen RĂŒckgang in diesem Zeitraum um 69 TodesfĂ€lle. Im Juni gab es jedoch einen deutlichen Anstieg: In dem Monat mit der einzigen andauernden Hitzewelle des Jahres starben mindestens 76 Menschen im Wasser, 30 mehr als im Juni 2020. „Das verdeutlicht, wie die Bilanz hĂ€tte bei weiteren Hitzeperioden auch ausfallen können“, so die PrĂ€sidentin der DLRG.
AuffĂ€llig im Vergleich nach Altersgruppen: 57 Prozent der Opfer mit bekanntem Alter waren Ă€lter als 50 Jahre. Vogt: „Damit sind Menschen in der zweiten LebenshĂ€lfte ĂŒberdurchschnittlich in der Statistik vertreten. Unvorsichtiges Verhalten und die ĂberschĂ€tzung der eigenen LeistungsfĂ€higkeit sind also nicht nur bei jĂŒngeren Menschen anzutreffen. Bei Ă€lteren Menschen spielen jedoch auch Vorerkrankungen eine wichtige Rolle, die hĂ€ufig vermutlich noch nicht bekannt waren.“
Sorge um den Nachwuchs
Kinder sind vergleichsweise wenige unter den Opfern. Es ertranken 17 Jungen- und MĂ€dchen zwischen null und zehn Jahren, sechs weniger als im Jahr davor. Unter den elf- bis 20-JĂ€hrigen gab es jedoch einen Anstieg von 26 auf 30 TodesfĂ€lle. „Die UnglĂŒcke mit so jungen Menschen sind besonders tragisch. In diesem Zusammenhang betrachten wir mit groĂer Sorge, dass heute immer weniger Kinder sicher schwimmen können“, sagte die Chefin der DLRG, die deshalb langfristig mehr Heranwachsende unter den Opfern befĂŒrchtet. Vogt: „Das darf auf keinen Fall passieren. Schwimmen ist eine Kulturtechnik wie das Lesen, Schreiben und Rechnen. Jedes Kind muss das bis zum Ende der Grundschule sicher beherrschen können.“ DafĂŒr brauche es in der ganzen Republik mehr SchwimmbĂ€der und mehr ausgebildetes Personal an den Schulen. Zudem mĂŒssten die Anstrengungen fortgefĂŒhrt werden, den RĂŒckstand aufzuholen, der wĂ€hrend der Corona-Pandemie entstanden ist. Nach ihrer Ausbildungskampagne mit bundesweit mehr als 2.000 zusĂ€tzlichen Schwimmkursen im vergangenen Jahr werde die DLRG auch 2022 ab Mai wieder so viele Extra-Kurse wie möglich anbieten.
Komplett gelöst werden könnte das Problem, dass nur 40 Prozent der ZehnjĂ€hrigen sicher schwimmen können, so aber nicht: „Dauerhaft zu deutlich mehr sicheren Schwimmern unter den Kindern kommen wir erst, wenn der Schwimmunterricht in den Schulen wieder flĂ€chendeckend stattfindet“, ist die DLRG PrĂ€sidentin ĂŒberzeugt.
MÀnner ertrinken hÀufiger
Absolut betrachtet ertranken 2021 die meisten Menschen in Bayern. 60 Opfer bedeuten jedoch knapp ein Viertel weniger als im Vorjahr. Bemerkenswert sind die deutlichen RĂŒckgĂ€nge in Rheinland-Pfalz (-62,5%), Nordrhein-Westfalen (-48,9%) und Niedersachsen (-48%). Mehr TodesfĂ€lle als 2020 gab es insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern (von 21 auf 30) und Sachsen-Anhalt (von vier auf zwölf).
Wie in der Vergangenheit gibt es einen klaren Unterschied zwischen den Geschlechtern: 241 mĂ€nnlichen Personen stehen 58 weibliche gegenĂŒber. Somit sind weiterhin vier von fĂŒnf Menschen, die ertrinken, mĂ€nnlich.
Ăber die DLRG
Die DLRG ist mit ĂŒber 1,7 Millionen Mitgliedern und Förderern die gröĂte Wasserrettungsorganisation der Welt. Seit ihrer GrĂŒndung im Jahr 1913 hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen vor dem Ertrinken zu bewahren. Schirmherr ist BundesprĂ€sident Frank-Walter Steinmeier. Die DLRG ist der gröĂte private Anbieter in der Schwimmausbildung und die Nummer eins in der Rettungsschwimmausbildung in Deutschland. Von 1950 bis 2020 hat sie ĂŒber 22,7 Millionen SchwimmprĂŒfungen und fast fĂŒnf Millionen RettungsschwimmprĂŒfungen abgenommen. In rund 2.000 Gliederungen leisten die ehrenamtlichen Helfer pro Jahr fast rund sechs Millionen Stunden freiwillige Arbeit fĂŒr die Menschen in Deutschland. Die Kernaufgaben der DLRG sind die Schwimm- und Rettungsschwimmausbildung, die AufklĂ€rung ĂŒber Wassergefahren sowie der Wasserrettungsdienst. Rund 41.000 Mitglieder wachen jĂ€hrlich etwa ĂŒber zwei Millionen Stunden ĂŒber die Sicherheit von BadegĂ€sten und Wassersportlern.
Text/Grafik (c) DLRG – Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft