Jahr fĂŒr Jahr sterben hunderte Menschen in Deutschland, weil sie kein Spenderorgan bekommen. Der Film beleuchtet ein System des Mangels, das vom Engagement Einzelner lebt, wĂ€hrend die Politik sich scheut, die SolidaritĂ€t der Gesellschaft einzufordern. Seit Jahrzehnten zĂ€hlt Deutschland zu den Schlusslichtern in Europa, was die Zahl der Organspenden betrifft. Patienten mit Organversagen sind hier deutlich schlechter versorgt als anderswo.
WĂ€hrend in den meisten europĂ€ischen LĂ€ndern die sogenannte Widerspruchslösung gilt, hat sich Deutschland bislang diesem Weg verwehrt. Diese Regelung verlangt dem BĂŒrger zu Lebzeiten einen Widerspruch ab, wenn er im seltenen Fall des Hirntodes nicht zum Organspender werden möchte. Viele Experten sehen in der Widerspruchsregelung einen wichtigen Faktor fĂŒr höhere Spenderzahlen, mit dem die Organspende vom Ausnahme- zum Normalfall werden könnte. Gegner hingegen warnen vor einem Eingriff ins Selbstbestimmungsrecht.
Organspende: Rund 8.500 Menschen stehen in Deutschland auf der Warteliste
Deutschland profitiert im Verbund Eurotransplant, der in acht europÀischen LÀndern Organe an Patienten vermittelt, von der Spendenbereitschaft seiner Nachbarn. Doch weil es als bevölkerungsreichstes Land Schlusslicht ist, fehlen Organe. Rund 8.500 Menschen stehen hier auf der Warteliste. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit.
Besonders dramatisch zeigt sich der Organmangel im Berliner Paulinenkrankenhaus: Hier lebt und wartet Larissa als Hochdringlichkeitspatientin auf ein Herz â seit mehr als 330 Tagen. Larissa hat einen angeborenen Herzfehler. War die 28-JĂ€hrige am Anfang noch mit groĂer Motivation und Hoffnung in die Wartezeit gestartet, kommt sie inzwischen jeden Tag aufs Neue an ihre Grenzen. Sie weiĂ: Gibt sie auf und verlĂ€sst die Klinik vorzeitig, wird sie in absehbarer Zeit sterben.
Der Film zeigt auch, welche strukturellen Schwierigkeiten Transplantationen verhindern. In der Organspende zeigen sich die SchwĂ€chen des deutschen Gesundheitssystems: Personalnotstand, zu viele kleine Kliniken ohne Expertise in der Hirntoddiagnostik, die Voraussetzung fĂŒr eine Organspende ist. Dazu kommen bĂŒrokratische HĂŒrden und eine Priorisierung des Datenschutzes, die ein bereits ineffizientes System noch trĂ€ger machen.
In Deutschland fehlt eine Kultur der Organspende
Experten betonen zudem, dass in Deutschland eine Kultur der Organspende fehlt â ein Bekenntnis von Gesellschaft und Politik, sich mit den Themen Tod und Sterben auseinanderzusetzen. Stattdessen wird die Verantwortung auf Mediziner abgewĂ€lzt, die Angehörigen von Hirntoten die Frage stellen mĂŒssen, ob der Verstorbene sich zu Lebzeiten fĂŒr eine Organspende entschieden hĂ€tte.
Die „ARD Story“ von Carl Gierstorfer und Mareike MĂŒller dokumentiert die Folgen des Organmangels, beleuchtet die Ursachen und zeigt mögliche LösungsansĂ€tze fĂŒr eine der drĂ€ngendsten gesundheitspolitischen Fragen unserer Zeit. Modernste Medizin kann in Deutschland ohne die SolidaritĂ€t der Gesellschaft â und jedes Einzelnen â nicht ihr volles Potential ausschöpfen. Der Preis dafĂŒr ist hoch: Hunderte Tote, Jahr fĂŒr Jahr.
Ein Film von Carl Gierstorfer und Mareike MĂŒller