Berlin. So kann es nicht weitergehen: In seiner letzten Zusammenkunft des Jahres hat der Beirat Gesundheit des Bundesverbandes Der Mittelstand. BVMW nochmal eine maĂgebliche Reform des deutschen Gesundheitssystems gefordert. „Die generellen Strukturprobleme unseres Gesundheitsbereichs sind durch die Corona-Pandemie etwas aus den Augen geraten – aber sie sind immer noch da“, machte Professor Alexander Ehlers (Foto), Sprecher des Beirats Gesundheit, deutlich. „Im Zentrum der Gesundheitspolitik darf nicht nur eine Pandemielösung stehen, sondern vielmehr eine Strukturlösung“, kritisierte der Gesundheitsexperte die einseitige Fokussierung des Bundesgesundheitsministeriums unter Bundesminister Karl Lauterbach.
„Das chaotische Vorgehen der Bundesregierung wĂ€hrend der Corona-Pandemie darf sich beim Umgang mit den grundlegenden Herausforderungen des Gesundheitswesens nicht wiederholen“, so Ehlers weiter: „Wir steuern sehenden Auges auf einen Abgrund zu, die demographische Entwicklung und die EngpĂ€sse in der ambulanten Versorgung sind ja nicht erst seit gestern bekannt.“ An die Stelle endloser Sonntagsreden, die zwar die Problematik adressieren, aber an der Gesamtsituation nichts Ă€ndern, mĂŒssten nun endlich notwendige Reformen treten. Ehlers: „Dabei sind auch Entscheidungen zu treffen, die kaum auf Gegenliebe stoĂen werden, aber zwingend sind, um einen Kollaps des Gesundheitssystems zu vermeiden. Ein Beispiel ist unter anderem die stĂ€rkere Zusammenlegung von KrankenhĂ€usern. Das System in dieser Art ist nicht mehr zu finanzieren.“
Kritisch sieht der Verband, dass auch im Gesundheitswesen die immer weiter ansteigende BĂŒrokratie echten Fortschritt lĂ€hmt: Ein aktuelles Beispiel dafĂŒr ist unter anderem die neue europĂ€ische Medizinprodukteverordnung (MDR). Das eigentliche Ziel, durch höhere technische und qualitative Anforderungen den Markt zu bereinigen, werde zwar erzielt, die dafĂŒr in Kauf genommenen wirtschaftlichen Kosten sind aber weder eingepreist noch kalkulierbar, erklĂ€rte der Sprecher des BVMW-Beirats Gesundheit. Zudem wĂŒrden auch Produkte verschwinden, die fĂ€lschlicherweise der neuen MDR-Regulierung zum Opfer fallen. Ehlers: „Bereits jetzt ist der administrative Aufwand bei Herstellern und benannten Stellen erheblich gestiegen. Aufgrund von Ressourcenmangel und administrativer HĂŒrden beim Ăbergang in die neue Verordnung wird die Innovation in der Medizintechnik in Europa erheblich verlangsamt. Der daraus resultierende volkswirtschaftliche Schaden ist jedoch noch viel gravierender und wird auf dem RĂŒcken der kleinen und mittelstĂ€ndischen Unternehmen ausgetragen.“
„Die Innovationskraft in Deutschland und Europa wird durch die MDR zumindest zeitweise massiv eingeschrĂ€nkt, was sich langfristig auf die WettbewerbsfĂ€higkeit des Standortes Deutschland insgesamt auswirkt“, so Ehlers weiter. Zwar sei allgemein bekannt, dass Deutschland keine natĂŒrlichen Ressourcen besĂ€Ăe und daher noch stĂ€rker auf Innovationen setzen mĂŒsse, um die ProsperitĂ€t der deutschen Volkswirtschaft zu erhalten. „Werden aber diese Ressourcen durch die MDR gebunden, stehen sie fĂŒr innovative TĂ€tigkeiten nicht mehr zur VerfĂŒgung. Dabei besitzt Deutschland die gröĂte Zahl an kleinen und mittelstĂ€ndischen Unternehmen in der Medizintechnik in Europa“, sagte Ehlers und erklĂ€rte: „Der Beirat Gesundheit des BVMW fordert daher von der Politik eine Anpassung der Fristen, die Modifizierung der Anforderungen und die benannten Ausnahmen fĂŒr den Ăbergang in die neue Regulierung noch einmal klar abzustecken.“
Ăber den Verband:
Der Mittelstand. BVMW e. V. ist die gröĂte politisch unabhĂ€ngige und branchenĂŒbergreifende Interessenvereinigung der kleinen und mittleren Unternehmen. Im Rahmen der Mittelstandsallianz vertritt der Dachverband BVMW politisch zudem mehr als 30 mittelstĂ€ndisch geprĂ€gte VerbĂ€nde mit insgesamt 900.000 Mitgliedern.
Text/Foto BVMW