Magdeburg. Der Lohnzettel fĂŒr Bauarbeiter in Magdeburg sieht diesmal in einem entscheidenden Punkt anders aus: Zum ersten Mal bekommen Bauarbeiter im Februar eine Lohnabrechnung, auf der die Kilometer eine Rolle spielen, die sie im Januar auf ihrem Weg zu den Baustellen zurĂŒckgelegt haben. âDas ist eine Premiere fĂŒr den Bau: Endlich gibt es eine EntschĂ€digung fĂŒr die Fahrstrecken und damit vor allem fĂŒr die vielen Stunden, die Maurer, Betonbauer, KranfĂŒhrer & Co. Monat fĂŒr Monat auf der StraĂe unterwegs sind. Denn bislang hat ein GroĂteil der Bauarbeiter Zeit und Nerven investiert, um zu den Baustellen zu kommen. Und das alles zum Null-Tarif. Denn die meisten Bauarbeiter haben ihre Zeit fĂŒr die Fahrten zur Baustelle dem Chef einfach geschenktâ, sagt MichĂ©l Eggert. FĂŒr den Bezirksvorsitzenden der IG BAU Altmark-Börde-Harz ist die EntschĂ€digung der Wegezeit âein wichtiger Schritt nach vorn, um die Arbeit auf dem Bau vom Lohn her attraktiver und gleichzeitig auch gerechter zu machenâ.
Immerhin sind die Strecken, die Bauarbeiter auf ihrem Weg zu den Baustellen zurĂŒcklegen, enorm, so die IG BAU Altmark-Börde-Harz. Die Bau-Gewerkschaft weiĂ, wovon sie spricht: Sie hat die Fahrstrecken beim Pestel-Institut (Hannover) untersuchen lassen. Demnach sind rund 2.700 Bauarbeiter â und damit neun von zehn BeschĂ€ftigten der Baubranche â in Magdeburg an 200 Arbeitstagen unterwegs, um zu den GebĂ€uden, StraĂen und BrĂŒcken zu kommen, die sie bauen und sanieren sollen. FĂŒr die einfache Fahrt legen sie dabei im Schnitt 11 Kilometer zurĂŒck. Die Wissenschaftler vom Pestel-Institut kommen dabei auf rund 12,0 Millionen âBaustellen-Kilometerâ im Jahr. âRein rechnerisch fahren die Bauarbeiter aus Magdeburg damit rund 299 Mal um die Erde. Klar, mal liegt die Baustelle um die Ecke, oft ist sie aber auch weit entferntâ, so MichĂ©l Eggert von der IG BAU Altmark-Börde-Harz. Bei der Untersuchung sind, so das Pestel-Institut, fĂŒr die MobilitĂ€t von BaubeschĂ€ftigten relevante Faktoren wie die Siedlungsdichte berĂŒcksichtigt.
âDas Ergebnis macht deutlich, dass die, die auf dem Bau arbeiten, viel Extra-Zeit am Steuer vom Pkw oder im Baubulli verlieren. Dabei ist die Wegezeit nichts anderes als fĂŒr den Bau-Job investierte Lebenszeitâ, sagt Carsten Burckhardt. Er ist im IG BAU-Bundesvorstand fĂŒr die Bauwirtschaft zustĂ€ndig und spricht von âenorm Kilometer-aktiven Bau-Jobsâ. Die Fahrten zu den Baustellen seien âechte Zeitfresserâ. Trotzdem sei es ein âhartes StĂŒck Arbeitâ gewesen, die EntschĂ€digung der Wegezeit am Tariftisch durchzusetzen. âDie Arbeitgeber haben sich jahrelang dagegen gestrĂ€ubtâ, so Burckhardt.
Die Zeiten, in denen Fahrstrecken von Bauarbeitern einfach unter den Teppich gekehrt wurden, seien jetzt allerdings endgĂŒltig vorbei: FĂŒr die Strecken zwischen dem Betrieb und der Baustelle bekommen Bauarbeiter, die Tag fĂŒr Tag von zu Hause aus anfahren, jetzt â je nach Kilometern â zwischen 6 und 8 Euro pro Tag. Wer nicht mit dem Baubulli fĂ€hrt, sondern das eigene Auto nimmt, bekommt weiterhin zusĂ€tzlich Kilometergeld. Auch fĂŒr Fahrten mit Bussen und Bahnen gibt es eine Erstattungâ, erlĂ€utert Carsten Burckhardt. Wer auf Montage sei und nicht jeden Tag nach Hause fahren könne, bekomme â abhĂ€ngig von der Strecke â zwischen 18 und 78 Euro pro Woche.
Foto: Bevor sie auf der Baustelle sind, haben Bauarbeiter schon viel Zeit auf dem Asphalt gelassen: âMal liegt die Baustelle um die Ecke, oft ist sie aber auch weit entferntâ, so die IG BAU. Die Bau-Gewerkschaft hat erreicht, dass die oft langen Fahrten zu den Baustellen jetzt zum ersten Mal bei der Lohnabrechnung auftauchen: Es gibt eine EntschĂ€digung der Wegezeit fĂŒr Bauarbeiter. (c) IG BAU | Alireza Khalili