Heute im Bundestag
Arbeit und Soziales/Anhörung
Berlin: (hib/HAU) Die unterjĂ€hrige LiquiditĂ€t der gesetzlichen Rentenversicherung muss kĂŒnftig besser gesichert werden. In dieser EinschĂ€tzung herrschte Einigkeit unter den zu einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses fĂŒr Arbeit und Soziales am Montag geladenen SachverstĂ€ndigen. Unterschiedliche Ansichten gab es jedoch bei der Frage, ob dazu eine Anhebung der MindestrĂŒcklage in der gesetzlichen Rentenversicherung von 0,2 auf 0,4 Monatsausgaben ab Januar 2023 nötig ist, wie es die Fraktion Die Linke in einem Gesetzentwurf (20/398) fordert, oder ob der Vorschlag der Rentenkommission aus der vergangenen Legislaturperiode, die MindestrĂŒcklage auf 0,3 Monatsausgaben zu erhöhen, der richtige Weg ist.
Holger Viebrok von der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) betonte, die Renten seien dank Bundesmitteln und der Bundesgarantie auch bei LiquiditĂ€tsproblemen der DRV gesichert. Eine regelhafte Inanspruchnahme solcher liquiditĂ€tssichernden MaĂnahmen wĂŒrde aber das Vertrauen in die langfristige FunktionsfĂ€higkeit und die StabilitĂ€t der Rentenversicherung erheblich beschĂ€digen, warnte er. Laut Viebrok wĂ€re die aus seiner Sicht zu begrĂŒĂende Anhebung der MindestrĂŒcklage auf 0,4 Monatsausgaben in einem einzelnen Jahr mit einer Anhebung des Beitragssatzes zur Rentenversicherung um etwa 0,3 Prozentpunkte verbunden.
Alexander Gunkel von der Bundesvereinigung der Deutschen ArbeitgeberverbĂ€nde (BDA) plĂ€dierte dafĂŒr, den Vorschlag der Rentenkommission âVerlĂ€sslicher Generationenvertragâ umzusetzen. âErstens sollte die MindestrĂŒcklage auf 0,3 Monatsausgaben erhöht werden und zweitens sollten die unterjĂ€hrigen Zahlungen des Bundes an die gesetzliche Rentenversicherung kĂŒnftig grundsĂ€tzlich bereits bis zum November eines Jahres geleistet werdenâ, sagte er. Der Vorschlag der Rentenkommission sichere die unterjĂ€hrige LiquiditĂ€t deutlich besser als die im Gesetzentwurf vorgesehene Anhebung der MindestrĂŒcklage auf 0,4 Monatsausgaben und belaste die Beitrags- und Steuerzahlenden zudem nur halb so hoch.
0,4 Monatsausgaben seien das sinnvolle MindestmaĂ, auf die die RĂŒcklage angehoben werden sollte, befand Ingo SchĂ€fer vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Er erinnerte daran, dass die RĂŒcklage einst bei 1,0 Monatsausgaben gelegen habe, ehe sie aus politischen GrĂŒnden mit dem Ziel der BeitragssatzstabilitĂ€t immer weiter abgesenkt worden sei. Finanzierbar sei die Anhebung durch eine Beitragssatzerhöhung, aber auch ĂŒber die gesparten Bundesmittel infolge des Rentenanpassungsgesetzes und die Einsparungen des Bundes angesichts der fĂŒr 2023 erwarteten Beitragssatzsenkung, so der DGB-Vertreter.
Aus Sicht des Sozialverbandes Deutschland (SoVD) sind sogar 0,5 Monatsausgaben denkbar, sagte SoVD-Vertreterin Henriette Wunderlich. Eine derartige Anhebung der MindestrĂŒcklage könne das Vertrauen der Bevölkerung in die gesetzliche Rentenversicherung in besonderer Weise stĂ€rken, weil auch in Zukunft mit weiteren krisenbedingten Belastungen des Arbeitsmarktes gerechnet werden mĂŒsse. Auch Wunderlich sprach sich dafĂŒr aus, die fĂŒr eine Anhebung auf 0,4 Monatsausgaben einmalig benötigten fĂŒnf Milliarden Euro nicht aus RentenbeitrĂ€gen sondern aus Steuermitteln durch den Bund aufzubringen.
Als geeigneten Kompromiss bezeichnete Jochen Pimpertz vom Institut der deutschen Wirtschaft den Vorschlag der Rentenkommission. Die Anhebung auf 0,3 Monatsausgaben fĂŒhre zu einem Finanzbedarf von 2,5 Milliarden Euro, der einmalig aufzubringen sei. Eine höhere Anhebung wĂŒrde seiner Ansicht nach nicht nur die Beitragszahler stĂ€rker belasten. Sie wĂŒrde auch mehr als nur den saisonal bedingten Einnahmeschwankungen vorbeugen und die Bundesgarantie zuungunsten der Beitragszahler entlasten, befand Pimpertz.
Magnus Brosig von der Arbeitnehmerkammer Bremen begrĂŒĂte den Vorschlag, die MindestrĂŒcklage zeitnah merklich anzuheben. Er sprach sich dafĂŒr aus, die notwendigen Korrekturen bereits jetzt – in Zeiten noch umfangreicher RĂŒcklagen – vorzunehmen, âum dem problematischen Eindruck eines spĂ€teren rentenpolitischen Aktionismus zur Korrektur akuter Problemlagen vorzubeugenâ.
Der Wirtschaftswissenschaftler Christian Hagist verwies indes auf eine derzeit gut ausgestattete RĂŒcklage bei der DRV. Mit LiquiditĂ€tsengpĂ€ssen sei âwenn ĂŒberhauptâ erst um das Jahr 2025 zu rechnen. Es stelle sich daher die Frage, ob zum jetzigen Zeitpunkt unbedingt politischer Handlungsbedarf besteht, âoder ob das in einem Gesamtpaket mit anderen Anpassungen der Altersvorsorgepolitik verhandelt werden kannâ.