Magdeburg, 15. MĂ€rz 2023 – Etwa 46.000 der insgesamt 204.000 durchgehend erwerbstĂ€tigen AOK-Versicherten in Sachsen-Anhalt wurden zwischen MĂ€rz 2020 und Dezember 2022 wegen einer Covid-19-Erkrankung mindestens einmal arbeitsunfĂ€hig geschrieben. Rund 2.000 BeschĂ€ftigte waren von einer Post-Covid-Erkrankung betroffen. Nach mehreren Auf- und AbwĂ€rtsbewegungen erreichten sowohl akute als auch Post-Covid-Erkrankungen im FrĂŒhjahr 2022 ihren vorlĂ€ufigen Höhepunkt.
Post-Covid-FĂ€lle: 28 Tage krank und zahlreiche Begleiterkrankungen
âIm bisherigen Verlauf der Pandemie sind nur vergleichsweise wenige BeschĂ€ftigte wegen Post-Covid krankgeschrieben worden. Diese relativ wenigen Betroffenen haben aber lange AU-Zeiten von durchschnittlich 28 Tagen. Es muss gelingen, diesen BeschĂ€ftigten wieder den Weg in den betrieblichen Alltag zu ebnenâ, kommentiert RenĂ© Bethke, Leiter Gesundheitsmanagement bei der AOK Sachsen-Anhalt diese Ergebnisse.
Bei fast 9 Prozent aller Post-Covid-Erkrankungen wurde auf der AU-Bescheinigung zusĂ€tzlich ein akuter Infekt der oberen Atemwege dokumentiert. Weitere, ebenfalls hĂ€ufig dokumentierte Begleiterkrankungen waren vor allem Unwohlsein und ErmĂŒdung (4 Prozent), Dyspnoe bzw. Kurzatmigkeit (3,7 Prozent) und Husten (2,3 Prozent).
Delta-Variante mit höherem Anteil an Post-Covid-Erkrankten
Um die Auswirkungen der verschiedenen Virus-Varianten zu analysieren, wurden bundesweite AU-Daten von BeschÀftigten mit einer AU-Meldung aufgrund einer akuten Covid-Erkankung sieben Monate lang nachbeobachtet. Dabei zeigte sich, dass zwischen September und Dezember 2021, als die sogenannte Delta-Variante dominierte, bundesweit bei 2,5 Prozent (n = 5.477) der akut Erkrankten eine Post-Covid-Erkrankung folgte. Damit ist deren Anteil doppelt so hoch wie in der Zeit, in der die Omikron-Variante vorherrschte. Hier folge bundesweit bei nur 1,1 Prozent (n = 9.171) aller von Akut-Covid-Betroffenen eine Post-Covid-Erkrankung. Auch die durchschnittliche LÀnge der ArbeitsunfÀhigkeit aufgrund einer Post-Covid-Erkrankung ist in der Zeit, in der die Delta-Variante vorherrschte, bundesweit mit durchschnittlich 43,2 Tagen deutlich höher als in dem Zeitraum, in dem die Omikron-Variante vorherrschend war (30,9 Tage).
âEine gute Nachricht ist, dass sowohl die Zahl der Betroffenen als auch die Schwere der Erkrankung, die aus den Ausfalltagen abgeleitet werden kann, im Verlauf der Pandemie nachgelassen habenâ, so Bethke.
Ăltere BeschĂ€ftigte lĂ€nger krank wegen Covid
Die Analysen des WIdO zeigten zudem, dass Ă€ltere BeschĂ€ftige mit Covid-Erkrankungen deutlich lĂ€nger krank sind. Das gilt sowohl fĂŒr Akut- als auch fĂŒr Post-Covid-Erkrankungen. WĂ€hrend unter 30-jĂ€hrige BeschĂ€ftigte im Mittel 7,8 Tage aufgrund einer akuten und 16,3 Tage aufgrund einer Post-Covid-Erkrankung arbeitsunfĂ€hig geschrieben wurden, fielen BerufstĂ€tige ab 60 durchschnittlich 13,4 Tage bzw. 42 Tage aus. Ăber alle Altersgruppen hinweg waren bei akuten Covid-Erkrankungen durchschnittlich 10 Ausfalltage zu verzeichnen, bei Post-Covid-Erkrankungen durchschnittlich 28 Tage.
Soziale Berufe am stÀrksten betroffen
Die Analysen zeigen auch, dass im bisherigen Verlauf der Pandemie ĂŒberwiegend soziale Berufe von Covid-Erkrankungen betroffen sind. âDabei fĂ€llt auf, dass die Berufsgruppen, die am stĂ€rksten von akuten Covid-Erkrankungen betroffen waren, in der Folge nicht unbedingt die meisten Post-Covid-AusfĂ€lle zu verzeichnen hatten. âDiese AuffĂ€lligkeit ist vermutlich durch Unterschiede zwischen den Berufsgruppen hinsichtlich Altersverteilung, Geschlechtsverteilung und Vorerkrankungen zu erklĂ€ren.ââ, erklĂ€rt RenĂ© Bethke von der AOK.
Bei akuten Covid-Erkrankungen nehmen Berufe in der Sozialverwaltung und-versicherung den Spitzenplatz ein (27.360 Erkrankte je 100.000 BeschĂ€ftigte), gefolgt von Berufen in der Ergotherapie (26.316 Erkrankte je 100.000 BeschĂ€ftigte) und Berufen in der Kinderbetreuung und âerziehung ((24.908 Erkrankte je 100.000 BeschĂ€ftigte).
Bei Post-Covid-Erkrankungen sind am stĂ€rksten die Berufe Ergotherapie und Physiotherapie (2.105 bzw. 1.597 Erkrankte je 100.000 BeschĂ€ftigte) betroffen, auf Platz 3 liegen Berufe in der Fachkrankenpflege (1.527 Erkrankte je 100.000 BeschĂ€ftigte). Die Berufe der Sozialverwaltung und âversicherung, die am stĂ€rksten von akuten Covid-Erkrankungen betroffen sind, liegen bei den Post-Covid-Erkrankungen lediglich auf dem siebten Platz.
Höchster allgemeiner Krankenstand im Jahr 2022 seit 2010
Mit 7,8 Prozent hat der allgemeine Krankenstand in Sachsen-Anhalt im Jahr 2022 den höchsten Stand erreicht, der seit Beginn der regionalen Analyse von Daten AOK-versicherter BeschÀftigter im Jahr 2010 gemessen wurde. Treiber dieser Entwicklung waren vor allem Atemwegserkrankungen: WÀhrend im Jahr 2021 20,4 Prozent aller versicherten BeschÀftigten aufgrund von Atemwegserkrankungen arbeitsunfÀhig waren, so hat sich diese Quote 2022 mit 42,5 Prozent mehr als verdoppelt.
Hohe Dunkelziffer bei akuten Covid-Erkrankungen
Nur bei knapp der HĂ€lfte aller durchgĂ€ngig versicherten Personen mit Post-Covid-Diagnose wurde vorab eine akute Covid-Diagnose dokumentiert (bundesweit n = 38.723). Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass bei der anderen HĂ€lfte keine akute Covid-Erkrankung vorlag. Vielmehr ist zu vermuten, dass falsch-negative Testergebnisse, symptomfreie bzw. nicht detektierte akute Covid-Erkrankungen, Akut-Covid-Erkrankungszeiten von bis zu drei Tagen ArbeitsunfĂ€higkeit und unterschiedliche Dokumentationsgewohnheiten bei den Leistungserbringern zu den vorliegenden Zahlen gefĂŒhrt haben. Ebenfalls auffĂ€llig ist, dass die ArbeitsunfĂ€higkeitszeiten der Personen, bei denen vor der Post-Covid-Erkrankung eine akute Covid-Erkrankung dokumentiert worden waren, mit durchschnittlich sechs Wochen (37,2 Tage bundesweit) erheblich lĂ€nger waren als bei denen ohne vorab dokumentierte akute Covid-Erkrankung (21,4 Tage bundesweit).
Langzeitfolgen von Covid nach wie vor schwer zu beziffern
Die Abbildung der langfristigen Folgen von Covid-bedingten Erkrankungen fĂŒr die ArbeitsfĂ€higkeit wird durch die Verteilung des Krankheitsgeschehens auf viele unterschiedliche Abrechnungsdiagnosen erschwert. So spricht man beispielsweise von âLong Covidâ, wenn Beschwerden im Zusammenhang mit einer akuten Covid-Erkrankung lĂ€nger als 28 Tage andauern, ohne dass dies als eigenstĂ€ndige Abrechnungsdiagnose dokumentiert wird. In den vom WIdO analysierten Daten betrifft dies 2 Prozent (bundesweit n = 77.017) aller von akuten Covid-Erkrankungen Betroffenen.
Eine andere Erschwernis ist die Beobachtung, dass eine akute Covid-Infektion unterschiedliche Folgeerkrankungen auslösen kann. So ist zum Beispiel das âChronische Fatiguesyndrom/Myalgische Enzephalopathieâ mit bundesweit 21.399 Betroffenen und durchschnittlich 32,4 beruflichen Fehltagen pro Erkrankungsfall zwischen MĂ€rz 2020 und Dezember 2022 in der Auswertung berĂŒcksichtigt worden. Hinzu kommen organspezifische Erkrankungen sowie unterschiedliche psychosomatische und psychiatrische Beschwerden, in denen sich Covid-SpĂ€tfolgen Ă€uĂern können.
Legt man des Weiteren die Falldefinition der WHO zugrunde, die unter dem Begriff âPost Covid Conditionâ die Symptome Luftnot, Fatigue und kognitive Störungen als wesentlich fĂŒr die Erkrankung nennt, erschwert das eine realistische Abbildung des Erkrankungsgeschehens auf Basis von Routinedaten abermals. In den Abrechnungsdaten, die dem WIdO vorliegen, kann es zudem zu einer Untererfassung sowohl von akuten Infektionen als auch von Post-Covid-Erkrankungen kommen, da akute Covid-Infektionen auch unspezifisch als Atemwegsinfekte können. Auch Post-Covid-Erkrankungen lassen sich ĂŒber eine Vielzahl von Symptomen codieren â zum Beispiel Fatigue (G93, F43, F48), Dyspnoe (R06, J96, F45) oder kognitive Störungen (F06, F07).
Foto: René Bethke, Leiter Gesundheitsmanagement bei der AOK Sachsen-Anhalt. (c) Mahler / AOK Sachsen-Anhalt