Genmutationen des RAS-MAPK-Signalwegs stören die Entwicklung der Lunge bereits im Mutterleib
Die meisten seltenen Erkrankungen sind angeboren â so auch die CPAM (congenital pulmonary airway malformations). Dabei handelt es sich um Atemwegsfehlbildungen der Lunge, die bereits bei einigen betroffenen Neugeborenen zu schweren Atemproblemen fĂŒhren und mit einem erhöhten Risiko fĂŒr Lungenkrebs verbunden sein können. Forschenden der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und der UniversitĂ€tsmedizin Magdeburg (UMMD) ist es jetzt in einer Studie gelungen, genetische Ursachen der Erkrankung herauszufinden.
Zysten durchsetzen das Lungengewebe
Die CPAM sind zwar selten, gehören aber zu den hĂ€ufigsten angeborenen Lungenfehlbildungen. Es gibt unterschiedliche Typen der Erkrankung, die sich schon wĂ€hrend der Embryonalphase im Mutterleib entwickelt. Bei der hĂ€ufigsten Form ist das Lungengewebe von groĂen Zysten durchsetzt, deren Wachstum negative Auswirkungen auf den Blutkreislauf und die Atmung des Neugeborenen haben kann. Ist das der Fall, mĂŒssen die betroffenen Kinder schon frĂŒh operiert werden.
Der Ursache auf der Spur
Auf der Suche nach der Ursache der CPAM ging das Forschungsteam folgender Hypothese nach: Verantwortlich fĂŒr die Lungenfehlbildungen sind Varianten in krebsassoziierten Genen des sogenannten RAS-MAPK-Signalwegs, die wĂ€hrend der vorgeburtlichen Lungenentwicklung im Lungenepithel auftreten. Diese Varianten stören die normale Lungenentwicklung und fĂŒhren in betroffenen Lungenabschnitten zu einer Fehlentwicklung und dadurch zu einer Fehlbildung der Lunge.
Hypothese bestÀtigt
In ihrer Studie untersuchten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen CPAM-Gewebeproben von insgesamt 43 Kindern histologisch und genetisch. Alle diese Kinder waren in den vergangenen 20 Jahren aufgrund einer CPAM an der Klinik fĂŒr Kinderchirurgie der MHH operiert worden. Die Operation von Lungenfehlbildungen gehört zur Kernkompetenz der Klinik. Das Ergebnis der Gen-Analyse: In den Gewebeproben von fast 60 Prozent der jungen Patientinnen und Patienten konnten Varianten in Genen des RAS-MAPK-Signalwegs nachgewiesen werden â die Hypothese des Forschungsteams konnte damit bestĂ€tigt werden. Insbesondere das Gen KRAS war von Varianten betroffen. Die Kinder mit einer KRAS-Variante hatten einen statistisch schwereren Krankheitsverlauf als Kinder ohne diese.
Ergebnisse tragen zu besserer Diagnostik bei
Die Arbeit wurde im American Journal of Respiratory and critical Care Medicine veröffentlicht. âDie Ergebnisse sind klinisch wichtig, sie tragen zu einer besseren Diagnostik der CPAM bei und können möglicherweise auch die Therapie der Erkrankung verbessernâ, erklĂ€rt Professor Dr. Christian Kratz, Direktor der Klinik fĂŒr PĂ€diatrische HĂ€matologie und Onkologie und Initiator der Studie. âDie Veröffentlichung war nur durch die fantastische Zusammenarbeit der vielen beteiligten Personen unterschiedlicher Institute und Kliniken möglichâ, betont er. Dr. Denny Schanze, Laborleiter am Institut fĂŒr Humangenetik Magdeburg, ergĂ€nzt: âWesentlich fĂŒr die erfolgreiche AufklĂ€rung der genetischen Ursache der Erkrankung war der Einsatz von modernen Ultradeep-NGS-Sequenzierverfahren.â Erstautor der Studie ist Jonas Windrich, Medizinstudent im zehnten Semester. Die Arbeit entstand im Rahmen seiner Promotion. âIch habe bei dem Projekt viel ĂŒber wissenschaftliches Arbeiten gelernt und möchte meine spĂ€tere TĂ€tigkeit als Arzt unbedingt mit der Forschung verknĂŒpfenâ, sagt Windrich.
Kooperation zwischen Hannover und Magdeburg
An der Studie beteiligt waren an der MHH die Klinik fĂŒr PĂ€diatrische HĂ€matologie und Onkologie, das Institut fĂŒr Pathologie, die Klinik fĂŒr PĂ€diatrische Pneumologie, Allergologie und Neonatologie, die Klinik fĂŒr Kinderchirurgie und der Arbeitsbereich Kinderradiologie des Instituts fĂŒr Diagnostische und Interventionelle Radiologie. Von der UniversitĂ€tsmedizin Magdeburg war das Institut fĂŒr Humangenetik beteiligt.
Originalarbeit
RAS-MAPK Pathway Mutations in Congenital Pulmonary Airway Malformations, in: American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine (2024), DOI: https://doi.org/10.1164/rccm.202311-2163LE
Wissenschaftliche Kontakte
Dr. rer. nat. Denny Schanze, Laborleitung Institut fĂŒr Humangenetik, Otto-von-Guericke-UniversitĂ€t Magdeburg, Tel.: +49-(0)391-67-24735, E-Mail: denny.schanze@med.ovgu.de
Prof. Dr. Christian Kratz, Direktor der Klinik fĂŒr PĂ€diatrische HĂ€matologie und Onkologie, Tel.: (0511) 532-6712, kratz.christian@mh-hannover.de
Symbolfoto Lunge – © yodiyim – stock.adobe.com
Quelle: Gemeinsame Pressemitteilung der Medizinischen FakultÀt der Otto-von-Guericke-UniversitÀt Magdeburg und der Medizinischen Hochschule Hannover