GEW: „Schulen sind bereit – aber viele auch am Limit!“

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Bildungsgewerkschaft zur Studie „Das Deutsche Schulbarometer Spezial“

Frankfurt a.M. – Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mahnt bei Bund, Ländern und Schulträgern rasche und unbürokratische, aber gut koordinierte und nachhaltige Unterstützung an, wenn geflüchtete Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine aufgenommen werden. „Die Schulen stehen bereit, die ukrainischen Kinder und Jugendlichen zu integrieren, brauchen aber dringend Hilfe – vor allem mit Blick auf Personal, Räume und Sachmittel. Die Fachkräfte sind hoch motiviert, diese Herausforderung zu meistern, viele aber nach über zwei Jahren Corona-Pandemie auch am Limit, teils sogar darüber hinaus“, sagte Anja Bensinger-Stolze (Foto), GEW-Vorstandsmitglied Schule, zur heute veröffentlichten Studie „Das Deutsche Schulbarometer Spezial: Geflüchtete ukrainische Schüler:innen“ der Robert Bosch Stiftung.

„Die Schulen brauchen vor allem Lehrkräfte für Deutsch als Zweit- oder Fremdsprache, aber auch Sozialarbeiterinnen und -arbeiter, Schulpsychologinnen und -psychologen, Fachkräfte für den Umgang mit Traumata sowie Dolmetscherinnen und Dolmetscher“, unterstrich Bensinger-Stolze mit Blick auf aktuell über 90.000 Kinder und Jugendlichen, die aus der Ukraine geflüchtete sind, und prognostizierter mehr als 400.000. „Diese Fachkräfte fehlen schon seit vielen Jahren. Schulen sowie die Kolleginnen und Kollegen hangeln sich von Anforderung zu Anforderung. Die Schulpolitik muss jetzt endlich deutliche Schritte in Richtung einer besseren personellen und materiellen Ausstattung des Bildungsbereichs machen.“ Viele Schulen und Fachkräfte hätten Erfahrungen mit geflüchteten Schülerinnen und Schülern. Aber sowohl die Belastungen, sozialen Verwerfungen und die schwierige Planbarkeit des Schulalltags durch die Corona-Pandemie als auch der dramatische Mangel an pädagogischem Personal gefährdeten mittlerweile die Bildungsanstrengungen in Deutschland insgesamt, begründete die GEW-Schulexpertin ihre Vorschläge.

Sie begrüßte, dass offenbar der Großteil der geflüchteten Schülerinnen und Schüler komplett oder teilweise am Regelunterricht teilnehme, statt ausschließlich eine Willkommens-, Intensiv- oder Sprachklasse zu besuchen. „Was jetzt zählt, ist das Wohlbefinden der Geflüchteten, deren Recht auf Bildung und bedarfsgerechte Mittel für eine vernünftige pädagogische Arbeit“, betonte Bensinger-Stolze. Nach den traumatischen Kriegs- und Fluchterfahrungen sei es wichtig, den Kindern und Jugendlichen die Rückkehr in eine gewisse Normalität zu erleichtern und ihnen den sofortigen Zugang zu Bildung, sozialen Kontakten zu Gleichaltrigen und guten Erfahrungen in Deutschland zu ermöglichen. „Das funktioniert jedoch nur, wenn Regelklassen sowie Sprach- und Willkommensklassen nicht dauerhaft bis unter die Decke anwachsen. Zudem dürfen die Fördermaßnahmen nicht zum nächstbesten Zeitpunkt wieder eingespart werden“, sagte das GEW-Vorstandsmitglied.

Sie hob hervor, dass in der nächsten Zeit ukrainische Lernangebote und ukrainische Lehrkräfte wichtiger würden als im aktuellen Schulbarometer dokumentiert, dessen Daten im April erhoben wurden. Dies sei zum Beispiel zentral für junge Menschen, die in der Ukraine den Schulabschluss vor sich hatten. Geflüchtete Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte aus der Ukraine, aber auch aus anderen Ländern müssten schnell und niedrigschwellig Angebote zur Beschäftigung und (Weiter)Qualifizierung an Bildungseinrichtungen erhalten. „Die schnellere und bessere Anerkennung der Abschlüsse und Qualifikationen, die nicht in Deutschland erworben worden sind, das Angebot herkunftssprachlichen Unterrichts sowie die Anerkennung der Sprachen geflüchteter und zugewanderter Kinder als Fremdsprache müssen zum Standard werden“, betonte Bensinger-Stolze. Die Schulträger seien gefordert, zusätzliche und alternative Unterrichts- und Lernräume zur Verfügung zu stellen. Aktuell müssten die Schulen viel Zeit dafür einsetzen, die erforderlichen räumlichen Kapazitäten zu organisieren.

Foto (c) Kay Herschelmann