Hilfe für ein gefährdetes Denkmal – Beginn der Konservierungsmaßnahmen am Grabmal Ottos des Großen im Magdeburger Dom

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Magdeburg. Otto I. ist als erster Kaiser des Heiligen Römischen Reiches eine zentrale Figur der europäischen Geschichte. Sein Grabmal im Magdeburger Dom ist daher ein Denkmal von erheblichem kulturhistorischen Wert. Seiner Pflege und Erhaltung kommt aus Sicht der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt als Eigentümerin des Magdeburger Domes, der Evangelischen Domgemeinde als Nutzerin des Gotteshauses sowie dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt als zuständiger Denkmalfachbehörde oberste Priorität zu.

EIN GEFÄHRDETES DENKMAL

Der Zustand des in der Vergangenheit mehrfach, zuletzt 1844, geöffneten Hochgrabes wird im Rahmen eines turnusmäßigen Monitorings regelmäßig durch die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt und das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt begutachtet. Dabei wurden verschiedene Schäden beobachtet. Diese sind insbesondere auf Stabilisierungsmaßnahmen zurückzuführen, die im Rahmen der letzten bekannten Öffnung vor 180 Jahren durchgeführt wurden. Christian Philipsen, Generaldirektor der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, erläutert: »Diese Stabilisierungsmaßnahmen entsprechen nicht nur nicht mehr heutigen Standards, sie sind sogar in erheblichem Maße ursächlich für die Gefährdung des Grabmals und zwingen uns gemeinsam mit der Denkmalfachbehörde zum Handeln.«

Vor allem droht die fortschreitende Korrosion von Eisenklammern, die 1844 eingebracht wurden und sich zunehmend ausdehnen, die marmorne Abdeckplatte und den Kalksteinkörper zu sprengen. Deckplatte und insbesondere der Sarkophagkasten weisen bereits erhebliche Risse auf. Darüber hinaus lastet die Deckplatte zum Teil nicht auf einer nach 1945 angefügten Stützkonstruktion, sondern auf den dünnen, teilweise nur knapp über einen Zentimeter starken Sarkophagwänden. Insgesamt ist der Sarkophag als relativ fragil zu beschreiben. Zudem ist der Zustand einer von innen mit eisernen Nägeln an den Sarkophag angeschlagenen Holzplanke, die die brüchige Wandung fixieren sollte, unklar. Ebenso unbekannt sind Verfassung und Alter des im Inneren des Steinkastens befindlichen Holzsarges, in dem sich Textilien sowie menschliche Überreste befinden, die bereits 1844 in gestörtem Zustand angetroffen wurden. Die Skelettteile liegen nicht mehr in anatomischer Ordnung, ihr Erhaltungszustand ist momentan unbekannt. Das Holz des inneren Sarges weist, wie eine Kamerabefahrung bereits ergab, mehrere Schäden und Öffnungen auf.

Durch Löcher in der Wandung des Steinsarkophags sowie offene Fugen findet zudem ein Luftaustausch mit dem Innenraum des Domes statt, der insbesondere in den letzten Jahren starken Schwankungen in Temperatur und Luftfeuchtigkeit unterworfen ist. Diese Schwankungen wirken sich somit auch auf das Innere des Grabmals und die darin befindliche Bestattung aus. Dies stellt eine erhebliche Gefährdung der Grablege einer der bedeutendsten historischen Persönlichkeiten des europäischen Mittelalters dar.

Vor dem Hintergrund des veränderten Raummilieus im Dominneren zwingt die Summe der teils bereits länger beobachteten Schäden und der offenen Fragen jetzt zum Handeln, um dieser Gefährdung entgegenzuwirken.

EINHAUSUNG DES GRABMALS OTTOS I.

Vorbereitung und Durchführung sämtlicher Maßnahmen am Grabmal Ottos I. werden vor Ort erfolgen. Hierfür wird dieses von einer geschlossenen Einhausung umgeben, die zurzeit errichtet wird. Ihrer Errichtung ging die Durchführung einer nichtöffentlichen liturgischen Zeichenhandlung am Grabmal voraus. Domprediger Jörg Uhle-Wettler erläutert: »Die Domgemeinde ist nicht wissenschaftsfeindlich, weiß aber auch um ihre Fürsorge im Zusammenhang mit der Totenruhe.« Uhle-Wettler las in den Abendstunden des Dreikönigstages einen Biblischen Text, den auch der Kaiser schon kannte und sprach ein Gebet mit der Bitte um Vergebung, da die Ruhe gestört wird.

Die in der Fläche ungefähr 5,8 mal 9,3 Meter messende und etwa 3,7 Meter hohe Einhausung aus Holzwerkstoffplatten wird fast den gesamten Hohen Chor einnehmen. Das Chorgestühl im Hohen Chor bleibt außerhalb der Einhausung und zu sehen, und auch die Skulptur des Mauritius aus dem 13. Jahrhundert bleibt zugänglich. Um den Raumeindruck im Hohen Chor für die Besucherinnen und Besucher nicht allzu sehr zu stören, wird die Ansichtsseite der Einhausung mit großformatigen Fotografien des Hohen Chores bezogen. Eine Texttafel, die mit fortschreitenden Arbeiten aktualisiert werden kann, informiert zudem über den Grund des Einbaus und die geplanten Maßnahmen.

BEGINN DER MASSNAHMEN: TECHNISCHE INSTALLATIONEN, NICHTINVASIVE UNTERSUCHUNGEN UND DETAILDOKUMENTATIO

Im Inneren der Kammer erfolgen neben den notwendigen technischen Installationen zunächst eine detaillierte zeichnerische, fotografische und digitale Dokumentation der von außen sichtbaren Schäden sowie verschiedene nichtinvasive, das heißt zerstörungsfreie, naturwissenschaftliche Analysen, wie etwa eine Riss- und Werkstoffprüfung sowie geophysikalische Untersuchungen, an der Grablege. Auch das Umfeld des Sarkophags wird mit nichtinvasiven geophysikalischen Methoden untersucht, um dessen Standfestigkeit und Stabilität zu überprüfen.

Da es zur Behebung der beschriebenen Schadensursachen, zur Überprüfung des Zustandes des Holzsarges im Inneren des steinernen Kastens sowie zur Stabilisierung und Sicherung der Grablege notwendig ist, den Steinsarkophag zu öffnen, wird zudem eine Konstruktion errichtet, die das sichere Abheben des Deckels ermöglichen wird.

Die Maßnahmen in der Einhausung erfolgen unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen, der Zugang ab dem Anheben des Deckels in vollständiger Schutzkleidung über eine Schleuse, um Kontaminationen zu vermeiden.

Die Detailplanung der durchzuführenden Maßnahmen erfolgt in enger Abstimmung aller beteiligten Institutionen in Abhängigkeit von den Ergebnissen der jeweils vorangegangenen Dokumentationsschritte und Untersuchungen. Die Öffentlichkeit wird in geeigneten Abständen über den Fortgang der Arbeiten informiert, die nach jetzigem Kenntnisstand voraussichtlich im Jahr 2025 abgeschlossen werden können.

Sämtliche Arbeiten am Grabmal Ottos des Großen erfolgen in Kooperation der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt und des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt sowie in Abstimmung mit der Evangelischen Domgemeinde. Die liturgische Nutzung des Gotteshauses wird nicht beeinträchtigt.

HINTERGRUND: DAS GRABMAL OTTOS DES GROSSEN IM MAGDEBURGER DOM

Otto I., der Große (geboren am 23. November 912; gestorben am 7. Mai 973 in Memleben), aus dem Geschlecht der Liudolfinger ist als erster Kaiser des Heiligen Römischen Reiches eine zentrale Figur der europäischen Geschichte. Er war die treibende Kraft hinter der Erhebung Magdeburgs zum Erzbistum im Jahr 968. Im Magdeburger Dom wurde er nach seinem Tod 973 in Anwesenheit der Erzbischöfe Adalbert von Magdeburg und Gero von Köln an der Seite seiner 946 verstorbenen Frau Editha beigesetzt. Seit dem Domneubau im 13. Jahrhundert befindet sich das Grabmal des Kaisers zentral im Binnenchor des Magdeburger Domes.

Bei dem Grabmal Ottos des Großen im Magdeburger Dom handelt es sich um einen Sarkophag aus einem an allen vier Seiten kassettierten, monolithischen Block aus Kalkstein. Die Abdeckung bildet eine wiederverwendete antike Marmorplatte. Das Grabmal wurde zuletzt im Jahr 1844 geöffnet, der Sarkophag damals repariert und konstruktiv ertüchtigt. Auf der Marmorplatte ist eine durchbrochene Gedenkinschrift aus Gussmetall von 1936 angebracht. Nach 1945 wurde zur Entlastung der an den Längsseiten weit auskragenden Deckplatte eine stützende Stahlkonstruktion hinzugefügt, die ihren Zweck jedoch nur in geringem Maße erfüllt. Zudem tragen gerade die Maßnahmen von 1844 erheblich zu der oben skizzierten Gefährdung des Grabmals bei, deren Behebung die beschriebenen Maßnahmen dienen sollen.

Quelle: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt

Foto: Der Sarkophag Ottos des Großen im Chorraum des Magdeburger Doms. © Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Christoph Jann.