Magdeburg. Am heutigen Dienstag hat die Landesregierung den Entwurf des 18. Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt beschlossen. Er wird in einem nächsten Schritt dem Landtag zugeleitet und dort zunächst parlamentarisch beraten, ehe das Gesetz dann endgültig beschlossen wird.
Dem heutigen Beschluss vorangegangen war eine Anhörung und im Anschluss ein Mitzeichnungsverfahren innerhalb der Landesregierung.
Mit dem Gesetzentwurf soll das Schulgesetz an aktuelle Entwicklungen angepasst werden. Er erfüllt schulpolitische Zielstellungen und setzt notwendige weitere Änderungen um. Er berücksichtigt auch Vorgaben des Koalitionsvertrages, des vom Ministerpräsidenten einberufenen bildungspolitischen Dialogs vom 19. Januar 2023 sowie der Kultusministerkonferenz. Ziel der aktuellen Schulgesetznovellierung ist es, eine möglichst umfassende, tragfähige und zukunftsgerichtete Unterrichtsstruktur und Unterrichtsversorgung zu erhalten.
Bildungsministerin Eva Feußner (Foto): „Die Anhörung zum Gesetzentwurf war ein wichtiger Schritt, um die vielfältigen Perspektiven und Anliegen der beteiligten Akteure aufzunehmen. Es freut mich, dass wir dabei auch konstruktive Kompromisse erzielen konnten, die die Schulgesetznovelle noch stärker machen. Damit stellen wir sicher, dass die Neugestaltung des Schulgesetzes nicht nur den aktuellen Herausforderungen gerecht wird, sondern auch eine breite Akzeptanz in der Praxis findet. Unser Ziel war es, die Weichen für ein zukunftsfähiges, modernes Bildungssystem zu stellen. Mit dem neuen Gesetz schaffen wir dafür eine solide Grundlage.“
Wichtige Eckpunkte der aktuellen Schulgesetznovelle:
Fusion von Schulstandorten zu einem Schulverbund und Kooperationen
Der neue § 9a ermöglicht Schulen, die nicht mehr bestandsfähig sind, mit einer anderen Schule derselben Schulform zu fusionieren (Schulverbund). Diese Möglichkeit bestand bisher nur für Grundschulen. Damit wird insbesondere im ländlichen Raum eine wohnortnahe Beschulung sichergestellt.
Zudem ermöglicht der neue Paragraph die Kooperation von Jahrgängen der Sekundarstufe II mit gleichen Jahrgängen anderer, bestandsfähiger Schulen derselben Schulform, wenn die notwendige Klassenstärke ansonsten nicht erreicht werden würde. Dadurch bleibt ein ausreichendes Kursangebot gewährleistet.
Darüber hinaus können bestandsfähige Schulen unterschiedlicher Schulformen miteinander kooperieren, mit dem Ziel, die Durchlässigkeit des Bildungssystems zu erhöhen und mehr Schülerinnen und Schüler zu Schulabschlüssen zu führen.
Klassenbildung (§13 a – neu)
Um den Schulträgern einen verbindlichen Wert vorzugeben, auf den hin die sächliche Ausstattung der Schulen abzustellen ist, bedarf es einer gesetzlichen Regelung der Mindest- und Höchstzahl der Schülerinnen und Schüler in einer Klasse. Die Mindestschülerzahl für die Bildung der ersten Klasse in einem Schuljahrgang liegt in den im Landesentwicklungsplan ausgewiesenen Oberzentren regelhaft bei 25 Schülerinnen und Schülern. Außerhalb von Oberzentren beträgt die Mindestschülerzahl für die Bildung der ersten Klasse in einem Schuljahrgang an Grundschulen 15, an Sekundar- und Gemeinschaftsschulen 20 sowie an Gesamtschulen und Gymnasien 25 Schülerinnen und Schüler. Die Mindestschülerzahlen für die Grundschulen im ländlichen Raum bleiben somit unverändert. Damit wird den Einwänden aus der Anhörung und dem politischen Raum Rechnung getragen. Darüber hinaus wird stärker zwischen den einzelnen Schulformen und den Verdichtungsräumen in den Oberzentren und dem ländlichen Raum differenziert.
Das Ministerium für Bildung kann zudem aus den in Absatz 7 genannten Gründen Abweichungen von den bereits im Gesetz genannten Regelungen durch Verordnung festlegen.
Besonderes Anerkennungsverfahren für Lehrkräfte im Seiteneinstieg
Der neue Absatz 4 des § 30 setzt den Auftrag der Koalitionsvereinbarung zur Flexibilisierung der Einstellungen von Lehrkräften um. Er ermöglicht die Zulassung von Personen ohne Lehramtsbefähigung (Lehrkräfte im Seiteneinstieg), um den Lehrkräftebedarf zu decken.
Mit dem Ziel der Qualifizierung und deren Anerkennung haben Lehrkräfte im Seiteneinstieg, die keinen Lehramtsabschluss erworben haben, ein besonderes Lehreranerkennungsverfahren zu durchlaufen. Genaueres wird durch eine Verordnung zu regeln sein.
Digitale Lehr- und Lernformen
Bislang gab es im Schulgesetz keine explizite Regelung zur Nutzung von digitalen Lehr- und Lernformen. Mit dem neuen § 10b wird eine entsprechende Bestimmung in das Schulgesetz aufgenommen, die den Anforderungen an die fortschreitende Digitalisierung Rechnung trägt. Damit können nach Entscheidung der Schule digitale Lehr- und Lernformen an die Stelle des Präsenzunterrichts treten oder diesen ergänzen. Diese Regelung kommt auch dem entsprechenden Auftrag aus dem Koalitionsvertrag nach.
Stärkeres Bildungsmonitoring durch zentrale Klassenarbeiten
Zentrale Klassenarbeiten dienen der Feststellung individueller, fachbezogener Schülerleistungen zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Schullaufbahn und sind daher für die Qualitätssicherung von herausragender Bedeutung. Durch ihren Lehrplanbezug und ihre Bewertungsrelevanz beeinflussen sie die Unterrichtsgestaltung maßgeblich. Sie sind fest integrierte Elemente der Qualitätsfeststellung und -entwicklung im Schulwesen Sachsen-Anhalts und ein grundlegender Bestandteil eines umfassenden Bildungsmonitorings. Mit dem neuen § 11a Abs. 4a wird die Möglichkeit geschaffen, zentrale Klassenarbeiten nicht mehr nur im sechsten Schuljahrgang, sondern auch flexibel in anderen Jahrgangsstufen und Fächern außerhalb der Kernfächer Deutsch, Mathematik und einer Fremdsprache durchzuführen.
Duales Lernen im Regelsystem
Die bislang als Modellvorhaben erprobten Formen des dualen Lernens („Produktives Lernen in Schule und Betrieb“ und „Praxislerntag“) erhalten mit dem neuen § 13b eine dauerhafte rechtliche Grundlage. Damit erfüllt der Gesetzentwurf die Forderung des Koalitionsvertrages, den Anteil der Schülerinnen und Schüler, die die Schule ohne einen Abschluss verlassen, nachhaltig zu senken. Als Maßnahmen sollen die bewährten Projekte der Praxisorientierung „Produktives Lernen“ und „Praxislerntag“ weitergeführt und an möglichst vielen Schulen mit Bedarf etabliert werden.
Berufsbildende Schulen als regionale Kompetenzzentren
Berufsbildende Schulen können künftig als regionale Kompetenzzentren erweiterte regionale Bildungsangebote für Ausbildung, Umschulung sowie Fort- und Weiterbildung übernehmen. Damit wird die Rolle der berufsbildenden Schule als Partner der regionalen Wirtschaft gestärkt und die Vernetzung in der Region gefördert, wie im Koalitionsvertrag gefordert (§9 Abs. 1)
Gründung einer internationalen Ergänzungsschule
Erstmals wird die Gründung internationaler Ergänzungsschulen in Sachsen-Anhalt ermöglicht. Der neue § 18d Abs. 3 erlaubt die Gründung einer ausländischen oder internationalen Schule, an der ein Abschluss eines EU-Mitgliedsstaates oder ein international anerkannter Abschluss erworben werden kann.
Anpassung datenschutzrechtlicher Regelungen
Damit der Übergang von der Schule in eine Ausbildung nahtlos gelingt, erlaubt § 84a Abs. 8 die Übermittlung von Daten Jugendlicher ohne konkrete berufliche Anschlussperspektive an die Agenturen für Arbeit. Diese können den Jugendlichen spezielle Angebote unterbreiten.
Wegfall der Gastschulbeiträge
Wird eine Schule von Schülerinnen und Schülern aus dem Gebiet eines anderen Schulträgers besucht, war der aufnehmende Schulträger bislang berechtigt, von den für die auswärtigen Schülerinnen und Schüler zuständigen Schulträgern einen kostendeckenden Beitrag – sog. Gastschulbeiträge – zu verlangen. Die Schulträger haben darauf hingewiesen, dass die aktuellen Regelungen zu den Gastschulbeiträgen nicht mehr zeitgemäß sind. Insbesondere wurde angemerkt, dass sowohl der abgebende als auch der aufnehmende Schulträger einen erheblichen Verwaltungsaufwand betreiben müssen, um die entsprechenden Kosten zu ermitteln bzw. zu prüfen. Daher fallen diese Beiträge nun grundsätzlich weg (Streichung des § 70 Abs. 2), was einen Bürokratieabbau nach sich zieht. Zudem können die Kommunen durch den Wegfall der Gastschulbeiträge entsprechende Personalstellen, die zur Bearbeitung der Gastschulbeiträge notwendig waren, einsparen und an anderen Stellen einsetzen.
Hintergrund:
Das Kabinett befasste sich am 11. Juni das erste Mal mit dem Entwurf und gab ihn zur Anhörung frei. Angehört wurden insbesondere die GEW, der Philologenverband, die kommunalen Spitzenverbände, der Verband Deutscher Privatschulen, die Landesarbeitsgemeinschaft christlicher Schulen, die Beauftragten der Evangelischen Kirchen und der Katholischen Kirche bei Landtag und Landesregierung Sachsen-Anhalt, die Gremien gem. Schulgesetz (Landeselternrat, Landesschülerrat, Landesschulbeirat), der Beauftragte der Landesregierung von Sachsen-Anhalt für die Belange der Menschen mit Behinderungen und die Landesbeauftragte für den Datenschutz Sachsen-Anhalt.
Die letzte große Schulgesetznovelle trat 2018 in Kraft (14. Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes).
Text/Foto: Staatskanzlei und Ministerium für Kultur am 24. September 2024