- Angst vor Gaslieferstopp schickt GeschÀftsklima im Mittelstand in den Sinkflug
- Lageurteile geben nach, Erwartungen brechen weiter ein
- Eine Rezession wird immer wahrscheinlicher
Nach einer kurzen Phase der Stabilisierung im FrĂŒhjahr befindet sich das mittelstĂ€ndische GeschĂ€ftsklima zu Beginn des Sommerquartals wieder im Sinkflug. Es stĂŒrzt im Juli um 9,5 ZĂ€hler auf -15,3 Saldenpunkte ab und verliert damit fast das Vierfache einer ĂŒblichen MonatsverĂ€nderung. Die schon seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs sehr pessimistischen GeschĂ€ftserwartungen brechen nochmal um 12,7 ZĂ€hler ein und sind mit den jetzt erreichten -34,8 Saldenpunkten so negativ wie bisher nur vor groĂen Rezessionen. Vor allem die Furcht vor einem anhaltenden Gaslieferstopp im Zusammenhang mit der Wartung von Nord Stream 1 dĂŒrfte zum Umfragezeitpunkt viele Unternehmen beunruhigt haben. Die Beurteilung der aktuellen GeschĂ€ftslage sackt im Juli aber ebenfalls deutlich um 5,3 ZĂ€hler ab. Mit jetzt +7,6 Saldenpunkten liegt sie aber immerhin noch ĂŒber der Nulllinie, die den langfristigen Durchschnitt markiert.
Der Stimmungsabsturz im Juli betrifft die mittelstĂ€ndischen Unternehmen in allen Branchen. Selbst das GeschĂ€ftsklima der Dienstleistungsunternehmen, die in den Vormonaten dank der Erholung in ehemals pandemiebeschrĂ€nkten Branchen einen deutlichen Aufschwung erlebt haben, verschlechtert sich um deutliche 10,5 ZĂ€hler. Besonders getrĂŒbt ist die Stimmung aber derzeit beim Einzelhandel. Schon jetzt meldet die Branche eine leicht unterdurchschnittliche GeschĂ€ftslage. Angesichts der drohenden zusĂ€tzlichen Kaufkraftverluste wegen massiv steigender Heizkosten sind die Zukunftser-wartungen aber so schlecht wie nie zuvor seit Beginn der Umfrage.
Einzig fĂŒr die zukĂŒnftige Inflationsentwicklung gibt es kleine Lichtblicke, denn die Absatzpreiserwartungen des Mittelstands lassen im Juli von einem sehr hohen Niveau aus zum dritten Mal in Folge nach (-4,5 ZĂ€hler auf 38,2 Saldenpunkte). PreisdrĂŒckend könnte auf lĂ€ngere Frist auĂerdem eine etwas schwĂ€chere Arbeitsnachfrage wirken. Die BeschĂ€ftigungserwartungen sinken um 5,2 ZĂ€hler auf ein inzwischen nur noch leicht ĂŒberdurchschnittliches Niveau.
Mit dem deutlichen Stimmungsabsturz im Juli nĂ€hert sich das mittelstĂ€ndische GeschĂ€ftsklima dem der GroĂunternehmen an, die in den Vormonaten eine noch deutlichere EintrĂŒbung verzeichnet hatten. Mit einem RĂŒckgang um 2,9 ZĂ€hler auf -19,3 Saldenpunkte ist die Stimmung in den GroĂunternehmen aber weiterhin noch schlechter als im Mittelstand.
Die Chefvolkswirtin der KfW Dr. Fritzi Köhler-Geib (Foto) kommentiert: „Das aktuelle KfW-ifo-Mittelstandsbarometer zeugt von einer breiten Verschlechterung des GeschĂ€ftsklimas in Unternehmen aus allen Branchen und GröĂenklassen. Vor allem die Furcht vor einem Gaslieferstopp im Zusammenhang mit der Wartung von Nord Stream 1 dĂŒrfte zum Umfragezeitpunkt bei vielen Unternehmen die GeschĂ€ftsaussichten eingetrĂŒbt haben. Der vollstĂ€ndige Lieferstopp ist zunĂ€chst zwar ausgeblieben, aber die Belastung in energieintensiven Branchen und auch in konsumnahen Wirtschaftsbereichen ist trotzdem gewaltig. Denn selbst wenn die GasflĂŒsse aus Russland auf niedrigem Niveau anhalten, drohen zusĂ€tzliche Kaufkraftverluste durch massiv steigende Heizkosten. Der einzige Hoffnungsanker sind derzeit die noch sehr hohen AuftragsbestĂ€nde im Verarbeitenden Gewerbe und die laut einigen Indikatoren etwas nachlassenden globalen LieferengpĂ€sse. Mit einer sich eintrĂŒbenden Weltkonjunktur wĂ€chst jedoch die Gefahr von Stornierungen und die Angebotskrise könnte von einer NachfrageschwĂ€che abgelöst werden.“
Text/Foto KfW