Magdeburg/ST. Das Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt hat heute erstmals zu einer Fachtagung zum Thema Geldautomatensprengungen eingeladen. Die Veranstaltung diente dem Austausch zu Risiken und Gefährdungen bei Geldautomatensprengungen sowie zu möglichen Präventions- und Bekämpfungsmaßnahmen. Der Einladung der Innenministerin folgten Vertreter des Ostdeutschen Sparkassenverbandes, der Volks- und Raiffeisenbanken, des Genossenschaftsverbandes und Repräsentanten der Öffentlichen Versicherungen Sachsen-Anhalt (ÖSA) sowie der R+V Versicherung. Zudem nahmen auch Kolleginnen und Kollegen der Landespolizei und Angehörige der niederländischen Polizei teil.
Innenministerin Dr. Tamara Zieschang bei der Eröffnung der Veranstaltung: „Geldautomatensprengungen haben den klassischen Bankraub abgelöst. Im Jahr 2022 waren bundesweit insgesamt 48 Banküberfälle zu verzeichnen. Dem gegenüber stehen fast 500 Geldautomatensprengungen – neun Fälle davon bei uns in Sachsen‑Anhalt. Wir nehmen die Thematik sehr ernst. Ich freue mich, dass wir uns heute mit Vertretern der Kredit- und Versicherungswirtschaft über die notwendige Eindämmung des Phänomens austauschen konnten.“
Die teils hochprofessionellen Täter verursachen mit ihren Sprengungen nicht nur hohe wirtschaftliche Schäden. Immer wieder gefährden die Tathandlungen Anwohner, unbeteiligte Dritte und auch die vor Ort tätigen Einsatzkräfte. Da die Täter derzeit vermehrt Festsprengstoffe anstatt Gasgemische einsetzen, entstehen durch die Taten somit noch höhere Sachschäden und es besteht eine größere Gefährdung für Menschen.
Die Innenministerin macht deutlich, dass dieses Phänomen nicht nur von den Sicherheitsbehörden bekämpft werden kann: „Banken und Geldautomatenhersteller haben die entscheidende Schlüsselfunktion. Was im Ausland bereits erfolgreich umgesetzt wurde, muss endlich auch hier in Deutschland praktiziert werden. Die Zurückhaltung bei technischen Vorkehrungen wie Einfärbe- und Klebesystemen oder auch die Verringerung des Bargeldbestands in den Automaten ist nicht nachvollziehbar.“
In den Niederlanden ist es zum Beispiel gelungen, durch ein ausgefeiltes Präventionskonzept die Fallzahlen der Geldautomatensprengungen deutlich zu senken. Deshalb waren auch Kolleginnen und Kollegen der niederländischen Polizei zur Tagung eingeladen, damit diese über ihre Erfahrungen und Bekämpfungsansätze berichten. Gerade dem Informationsaustausch auf nationaler und internationaler Ebene kommt hier eine besondere Bedeutung zu.
In der Bundesrepublik Deutschland existieren für Kreditinstitute derzeit keine verpflichtenden Rechtsgrundlagen zur zusätzlichen Absicherung von Geldausgabeautomaten. Ein „Runder Tisch Geldautomatensprengungen“ hat am 8. November 2022 unter Federführung des Bundesministeriums des Inneren und für Heimat eine gemeinsame Erklärung abgegeben, in der sich auf die schnellstmögliche Umsetzung von Präventionsmaßnahmen zum Schutz der Geldausgabeautomaten verständigt wurde. Ende Juni 2023 werden die Unterzeichner der gemeinsamen Erklärung vereinbarungsgemäß eine erste Evaluierung und Bewertung der Fortschritte und Erfolge vornehmen.
Innenministerin Dr. Tamara Zieschang dazu: „Jetzt kommt es darauf an, dass die Zusagen der Kreditwirtschaft auch zeitnah umgesetzt werden. Mir ist bewusst, dass dies mit erheblichem Aufwand verbunden ist. Doch angesichts der beschriebenen Gefahren darf nicht noch mehr Zeit verstreichen. Anderenfalls muss eine entsprechende gesetzliche Verpflichtung in Erwägung gezogen werden.“
Im Rahmen der polizeilichen Kriminalprävention ist die Landespolizei bereits seit mehreren Jahren sehr aktiv. Das Landeskriminalamt führte entsprechende Fachtagungen durch und stand mit seiner Fachexpertise zur Verfügung.
Hintergrund:
Angriffe auf Geldautomaten sind ein bundesweit herausragendes Kriminalitätsphänomen, wobei die Angriffe mittels Sprengung besonders besorgniserregend sind. So gab es im vergangenen Jahr im Bundesgebiet insgesamt 494 Fälle von Geldautomatensprengungen (davon 196 Versuche); im Jahr 2021 waren es 392 (davon 203 Versuche) und 414 Fälle (davon 256 Versuche) im Jahr 2020. Im bundesweiten Vergleich bewegen sich die Fallzahlen der Sprengung von Geldautomaten in Sachsen-Anhalt auf einem relativ niedrigen Niveau: 2022 waren es neun Fälle (davon fünf Versuche), 2021 wurden 13 Fälle (davon fünf Versuche) und im Jahr 2020 insgesamt 16 Fälle (davon sieben Versuche) registriert. Die Gesamtschadenssumme bei Geldautomatensprengungen für den Zeitraum 2020 bis 2022 beträgt in Sachsen-Anhalt fast 4,5 Millionen Euro.
Auch die Innenministerkonferenz (IMK) hat sich zurückliegend wiederholt und eingehend mit der Thematik befasst und im März 2019 Empfehlungen erarbeitet, mit welchen Maßnahmen Kreditinstitute ihre Geldausgabeautomaten sichern können. Die IMK sah es als dringendes Erfordernis, dass die deutsche Kreditwirtschaft sowie die Geldautomatenhersteller die technischen Möglichkeiten ausschöpfen und insbesondere darauf achten, die von der Polizei als wirksam identifizierten Sicherungsempfehlungen konsequent umzusetzen.
Zu den beschlossenen Präventionsmaßnahmen gehört u. a. die Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft, zukünftig Einfärbe- und Klebesysteme einzusetzen, die bei Detonationen die Geldscheine verkleben oder mit Farbe beschmutzen – und dadurch den Tatanreiz durch die erhebliche Erschwerung der Verwertbarkeit der Beute deutlich verringert. Der Einsatz von Einfärbe- und Klebesystemen sollte immer in Kombination mit weiteren Sicherungsmaßnahmen erfolgen. Die Deutsche Bundesbank hat bereits zugesagt, den Kreditinstituten im Schadensfall etwaige verklebte Banknoten zu erstatten.
Weitere Präventionsmaßnahmen, die in der Erklärung des Runden Tisches vereinbart wurden, sind z. B. auch der Nachtverschluss des Selbstbedienungs-Foyers der Kreditinstitute in der Zeit von 23:00 Uhr bis 06:00 Uhr, die Überwachung des Zugangs zum Foyer durch eine qualifizierte Einbruchmeldetechnik, der Einsatz von Nebelsystemen sowie Sensibilität bei der Standortwahl.
Quelle: Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt:
Gruppenfoto der Teilnehmer (c) MI LSA