Magdeburg. Innenministerin Dr. Tamara Zieschang (Foto) hob zu Beginn der vom Landeskriminalamt organisierten Fachtagung „Bekämpfungs- und Präventionsansätze im Phänomenbereich von Geldautomaten“ die Bedeutung der gemeinsamen Bekämpfung dieses Phänomens hervor: „Wir stellen fest, dass die Täter hoch spezialisiert, sehr konspirativ und auch skrupellos vorgehen. Getrieben von der Aussicht, mit verhältnismäßig wenig Aufwand an sehr viel Geld zu kommen, weisen die Taten der länderübergreifend agierenden Tätergruppierungen ein hohes Gefährdungspotenzial für unbeteiligte Menschen auf. Wir müssen alle Anstrengungen von Polizei und Kreditinstituten bündeln, um hier wirksame Bekämpfungserfolge zu erzielen.“
Die teils hochprofessionellen Täter verursachen mit ihren Sprengungen nicht nur hohe wirtschaftliche Schäden. Immer wieder gefährden die Tathandlungen Anwohnerinnen und Anwohner, unbeteiligte Dritte und auch die vor Ort tätigen Einsatzkräfte. Da die Täter vermehrt Festsprengstoffe anstatt Gasgemische einsetzen, entstehen durch die Taten noch höhere Sachschäden und es besteht eine größere Gefährdung für Menschen. Festsprengstoff wird in Sachsen-Anhalt seit 2021 verwendet und der Trend zu diesem Tatmittel scheint sich zu verstetigen: 2021 gab es drei Fälle, 2022 vier Fälle und bis zum 3. Quartal 2023 bereits fünf Fälle. Die Nutzung des Tatmittels Gas ist hingegen rückläufig.
In den Niederlanden ist es gelungen, durch ein ausgefeiltes Präventionskonzept die Fallzahlen der Geldautomatensprengungen deutlich zu senken. Auf zwingend erforderliche Präventionsmaßnahmen der Kreditinstitute wies auch die Innenministerin hin: „Die Polizei steht der Kreditwirtschaft als Partner zur Seite, wenn es um gemeinsame Gefährdungs- und Risikoanalysen geht. Die Polizei informiert und berät auch gerne Banken und Sparkassen über geeignete Präventionsmaßnahmen. Nutzen Sie die Fachexpertise unserer Sicherheitsbehörden, wenn es um Prävention geht.“
Innenministerin Dr. Tamara Zieschang weiter: „Auch, wenn Sachsen-Anhalt bislang im bundesweiten Vergleich relativ wenig betroffen war, müssen jetzt geeignete Maßnahmen ergriffen werden. Es geht darum, einen möglichen Verdrängungseffekt nach Sachsen-Anhalt von vornherein zu unterbinden. Es sollte im Interesse aller sein, weiteren Geldautomatensprengungen schnellstmöglich einen Riegel vorzuschieben.“
Der Einladung zur Fachtagung folgten Vertreterinnen und Vertreter der Vorstände der Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken in Sachsen-Anhalt, des Ostdeutschen Sparkassenverbands, des Genossenschaftsverbands der Regionen, der Bundesbank, des Bundesverbandes der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken, der Öffentlichen Versicherungen Sachsen-Anhalt (ÖSA) und der R+V Allgemeine Versicherung. Zudem nahmen auch Vertreterinnen und Vertreter der Justiz, der Landespolizei und Angehörige der hessischen und auch der niederländischen Polizei teil.
Das Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt hatte bereits im April dieses Jahres Verbandsvertreter der Kreditinstitute zu einer Fachtagung und damit zu einem ersten Austausch zu Risiken und Gefährdungen bei Geldautomatensprengungen sowie zu möglichen Präventions- und Bekämpfungsmaßnahmen eingeladen. Die Kolleginnen und Kollegen der niederländischen Polizei berichteten über ihre Erfahrungen und Bekämpfungsansätze.
Hintergrund:
Angriffe auf Geldautomaten sind ein bundesweit herausragendes Kriminalitätsphänomen, wobei die Angriffe mittels Sprengung besonders besorgniserregend sind. So gab es im vergangenen Jahr im Bundesgebiet insgesamt 494 Fälle von Geldautomatensprengungen (davon 196 Versuche); im Jahr 2021 waren es 392 (davon 203 Versuche) und 414 Fälle (davon 256 Versuche) im Jahr 2020. Im bundesweiten Vergleich bewegen sich die Fallzahlen der Sprengung von Geldautomaten in Sachsen-Anhalt auf einem relativ niedrigen Niveau: 2022 waren es neun Fälle (davon fünf Versuche), 2021 wurden 13 Fälle (davon fünf Versuche) und im Jahr 2020 insgesamt 16 Fälle (davon sieben Versuche) registriert. Die Gesamtschadenssumme bei Geldautomatensprengungen für den Zeitraum 2020 bis 2022 bewegte sich in Sachsen-Anhalt im niedrigen Millionenbereich. Mit Stand 29. September 2023 gab es in Sachsen-Anhalt insgesamt neun Sprengungen (davon fünf Versuche).
Die Innenministerkonferenz (IMK) hat sich zurückliegend wiederholt und eingehend mit der Thematik befasst und u. a. im März 2019 Empfehlungen erarbeitet, mit welchen Maßnahmen Kreditinstitute ihre Geldausgabeautomaten sichern können. Die IMK sah es als dringendes Erfordernis, dass die deutsche Kreditwirtschaft sowie die Geldautomatenhersteller die technischen Möglichkeiten ausschöpfen und insbesondere darauf achten, die von der Polizei als wirksam identifizierten Sicherungsempfehlungen konsequent umzusetzen.
Zu den beschlossenen Präventionsmaßnahmen gehört u. a. die Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft, zukünftig Einfärbe- und Klebesysteme einzusetzen, die bei Detonationen die Geldscheine verkleben oder mit Farbe beschmutzen – und dadurch den Tatanreiz durch die erhebliche Erschwerung der Verwertbarkeit der Beute deutlich verringert. Der Einsatz von Einfärbe- und Klebesystemen sollte immer in Kombination mit weiteren Sicherungsmaßnahmen erfolgen. Die Deutsche Bundesbank hat bereits zugesagt, den Kreditinstituten im Schadensfall etwaige verklebte Banknoten zu erstatten.
Weitere Präventionsmaßnahmen sind z. B. auch der Nachtverschluss des Selbstbedienungs-Foyers der Kreditinstitute in der Zeit von 23:00 Uhr bis 06:00 Uhr, die Überwachung des Zugangs zum Foyer durch eine qualifizierte Einbruchmeldetechnik, der Einsatz von Nebelsystemen sowie Sensibilität bei der Standortwahl. Derzeit sind die deutschen Banken und Sparkassen dabei, Präventionsmaßnahmen in einem Mindestschutzniveau insbesondere an Risikostandorten umzusetzen.
Text/Foto: Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt