Wenn Deutschland die Klimaziele des Pariser Abkommens erreichen will, muss die Verkehrswende gelingen. Der Wechsel hin zu nachhaltigen Energieträgern und einer stärkeren Nutzung des ÖPNV ist dabei auch auf lokaler Ebene gefordert – doch viele Kommunen haben Schwierigkeiten mit der Finanzierung.
Hier greift das neue Förderprogramm des Landes Sachsen-Anhalt. Es fördert Maßnahmen zur Entwicklung einer nachhaltigen, multimodalen Mobilität in den Städten und ihrem Pendlerraum mit bis zu 90 Prozent der Investitionssumme. Der betreffende Runderlass des Ministeriums für Infrastruktur und Digitales trat am 18.07.23 in Kraft; die Förderanträge können bis zum 15.05.24 gestellt werden. Welche Strategien als förderungswürdig gelten und welche Effekte sie erziele sollen, wird hier erläutert.
Was kann das Förderprogramm bewirken?
Wie auch andere Bundesländer fördert das Land Sachsen-Anhalt neue Investitionen in den Bereich Mobilität, um vorrangig diese Ziele zu erreichen:
- Klimafreundlicher Verkehr: CO2-Ausstoß verringern
Hier liegt der Fokus der förderungswürdigen Maßnahmen. Der Hintergrund: Aktuell ist der Verkehrssektor in Deutschland für 20 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Im Gegensatz zu allen anderen Sektoren konnte der CO2-Ausstoß des Verkehrsbereichs in den vergangenen Dekaden nicht gemindert werden. Im Gegenteil: Sein Anteil an der Treibhausgasbelastung ist seit 1990 sogar um 7 Prozent gestiegen.
Um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens dennoch zu erreichen, muss der Sektor seine Emissionen von 2019 bis 2030 halbieren. Neben der Förderung der E-Mobilität und der Entwicklung postfossiler Kraftstoffe ist die Steigerung der Effizienz im Verkehr eine der wichtigsten Strategien zur CO2-Reduktion. Hierzu gehören alle Konzepte, in denen Kommunen ihre Verkehrsströme in Hinblick auf Nachhaltigkeit und ein besseres ÖPNV-Netz umgestalten.
- Bessere Anbindung des Umlands
DerAusbau des ÖPNV reduziert nicht nur klimaschädliche Emissionen, sondern stärkt auch die Anbindung ländlicher Regionen. Insbesondere in Mitteldeutschland klagen nämlich viele Verkehrsteilnehmer über die mangelnden Alternativen zum Individualverkehr mit dem eigenen PKW. Laut Befragung des MDR werden aktuell 450 Gemeinden in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen nach 20 Uhr nicht mehr vom ÖPNV erreicht. Kritisch ist auch die Abhängigkeit von Schulbus-Fahrplänen, die in den Ferienzeiten vollständig aussetzen.
- Aufwertung als Wohnort und Wirtschaftsstandort
Kommunen, die verkehrstechnisch besser an Oberzentren angebunden sind und die ihren Einwohnern eine multimodale Verkehrsnutzung anbieten, steigen in ihrer Attraktivität als Wohnort. Die Vorteile erstrecken sich dabei über alle Altersgruppen hinweg: Jungen Familien werden Schul- und Arbeitswege erleichtert, während Senioren sich bei modernen Shuttle-Bus-Modellen und Car-Sharing-Konzepten nach Bedarf eine Mitfahrgelegenheit buchen können. In Regionen, die aufgrund ihrer Verkehrs-Infrastruktur beliebt sind und aus denen Menschen nicht abwandern, kann gleichzeitig die Wirtschaft profitieren.
- Barrierefreiheit und Gleichberechtigung
Das aktuelle Förderprogramm des Landes Sachsen-Anhalt unterstützt ausschließlich Maßnahmen, die keinen Menschen aufgrund des Geschlechts benachteiligen und die Barrierefreiheit berücksichtigen. Gerade Letzteres erkennt die Bedürfnisse von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen und Senioren in besonderem Maße an.
Barrierefreiheit muss nicht nur im ÖPNV herrschen, wo Rampen und Lifts den Zugang erleichtert, sondern sie beginnt bereits auf den Fußwegen der direkten Wohnumgebung. Nur wenn Gehwege dort schwellenlos und breit angelegt sind und wenn öffentliche Aufenthaltsorte die Möglichkeit zum Sitzen und Pausieren bieten, genießen auch Menschen mit Mobilitätseinschränkungen die Vorteile einer gut ausgebauten ÖPNV-Anbindung.
Wie können moderne Mobilitätskonzepte aussehen?
Die Förderstrategie des Landes Sachsen-Anhalt zielt vorrangig darauf ab, den kommunalen Verkehr stärker auf erneuerbare Energieträger zu verlagern und die Verkehrsströme effizienter zu führen. Dabei stehen Investitionen in den stärkeren Ausbau des ÖPNV-Netzes traditionell im Fokus. Als zukunftsweisend du damit förderungswürdig gelten aber auch die folgenden Maßnahmen:
- Aktive Mobilität: Kommunen und andere Antragssteller sind angehalten, den Verkehrsteilnehmern attraktivere Optionen zu bieten, ihre Ziele zu Fuß oder per Fahrrad zu erreichen. Hierzu kann der Ausbau von barrierefreien Fußwegen und die Anlage von Radschnellwegen führen.
- Multimodale Verkehrskonzepte: Verkehrsentwickler sollen in die bessere Steuerung der Mobilitätsströme investieren, um Verkehrsteilnehmer zu motivieren, den Individualverkehr (teilweise) durch den ÖPNV zu ersetzen. Passende Maßnahmen sind hier der Aufbau multimodaler Knotenpunkte und digitaler Lösungen. Hinter dem Begriff „Multimodalität“ verbergen sich hier alle Konzepte, in denen verschiedene Verkehrsmittel für unterschiedliche Wege genutzt werden. Hier reisen etwa Besucher mit Auto oder Bahn in das urbane Peripheriegebiet und nutzen dann ein Bus-Shuttles in die Innenstadt beziehungsweise zu Veranstaltungsorten. Neben dem Park-and-Ride-Konzept bieten sich hier auch Modelle für „Bike and Ride“ an, bei denen Bike-Sharing-Stationen an Bahnhöfen und Bushaltestellen zur Verfügung stehen. Multimodale Verkehrskonzepte stimmen die Fahrpläne von Bahn, S-Bahn, U-Bahn und Stadtbussen aufeinander ab, sodass Mobilitätsströme effizient fließen können. Car- und Bike-Sharing-Angebote können idealerweise digital gebucht werden, sodass Verkehrsteilnehmer ihr Verkehrsmittel spontan und flexibel wählen können.
- Emissionsfreie Stadtlogistik: Der Begriff „Stadtlogistik“ umschreibt sämtliche Warenströme innerhalb der Fläche einer Kommune. Darunter fallen Lieferanten, Kurier- und Expressdienstleister sowie Handwerker. Innerhalb größerer Städte kann die Stadtlogistik leicht ein Drittel des gesamten Verkehrsaufkommens ausmachen. Meist trägt sie jedoch überproportional zu subjektiven Belastungen, Lärmemissionen und Sicherheitsrisiken bei, da in der Regel LKW und größere Nutzfahrzeuge gewählt werden. Konzepte für effiziente und nachhaltige Stadtlogistik wollen die negativen Begleiterscheinungen minimieren, indem die den Verkehrsfluss in Lieferzonen optimieren, Lieferungen bündeln und E-Mobilität fördern. Abgerundet werden diese Maßnahmen mit Regelungen zur Lärmbelastung und Luftreinhaltung.
- Effizienz auf der letzten Meile: Dieser Begriff aus dem Supply Chain Management bezeichnet keine festgelegte Distanz, sondern den Abschnitt eines Transportweges vom letzten Verkehrskotenpunkt zum endgültigen Ziel der Lieferung. Gerade hier lassen sich die Verkehrsbelastung und die damit verbundenen Emissionen reduzieren, indem man Elektrofahrzeuge und Lastenräder nutzt. Ein Modell-Beispiel gibt es aktuell in Magdeburg, wo ein smartes Mikro-Depot den Grundbaustein für die Zustellung von Paketen auf der letzten Meile per E-Lastenfahrrad bildet.
Moderne Bahnhöfe – ein Beispiel für multimodale Verkehrslösungen
Der Schienenverkehr birgt beträchtliches Potenzial im Hinblick auf den Klimaschutz – vorausgesetzt mehr individuelle Verkehrsteilnehmer und Transportunternehmen würden ihn nutzen. Ein Schlüsselfaktor für Pendler und Reisende ist dabei die Möglichkeit, vor und nach der Bahnfahrt auf ein anderes Verkehrsmittel umzusteigen, um effizient von Tür zu Tür zu gelangen. Bezogen auf die Gestaltung eines modernen Bahnhofs sind deshalb diese Elemente gefordert:
- Anbindung an Bushaltestellen und -fahrpläne
- Fahrradparkplätze, Ladestationen für E-Fahrräder, Bike-Sharing-Stationen, Reparaturwerkstätten
- Parkplätze, Car-Sharing-Stationen
Doch allein die Gelegenheit zum Umsteigen lockt nicht jeden Verkehrsteilnehmer auf die Zugstrecke. Zusätzlich müssen Bahnhöfe eine bessere Basis-Qualität für den Aufenthalt der Reisenden aufweisen sowie mit guten Service-Angeboten punkten. Das umfasst neben gastronomischen Angeboten auch den Einzelhandel, Geldautomaten, Co-Working-Spaces, Kongressräume, Fitness-Center, Apotheken, WCs, Stillzimmer und Schließfächer.
Welche Vorteile sind damit verbunden?
Innerhalb des aktuellen Förderprogrammes können nicht nur Kommunen die Landesförderung für Maßnahmen zur Mobilitätssteigerung erlangen. Antragsberechtigt sind auch Vereine und Verbände, öffentlich-rechtliche und gemeinnützige Stiftungen, private Unternehmen, öffentliche Einrichtungen, Eigenbetriebe und Gesellschaften der Kommunen sowie Anstalten und Körperschaften öffentlichen Rechts.
Bei einer Zusage können Kommunen 90 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben als Fördersatz erhalten, andere Antragssteller bis zu 60 Prozent. Die Voraussetzung für die Förderung ist dabei unter anderem, dass der Nachweis über die gesicherte Gesamtfinanzierung vorliegt und die erforderlichen behördlichen Genehmigungen eingeholt wurden. Über die Förderung entscheidet das Ministerium stets mit Blick darauf, dass die betreffende Maßnahme der Erarbeitung, Fortschreibung oder Umsetzung von Plänen der nachhaltigen Mobilität dient.
Fazit: Nachhaltige Mobilität muss das Ziel sein
Effiziente und nachhaltige Verkehrsströme werden nicht nur für das Erreichen von Klimazielen dringend gebraucht, sie bilden auch das Rückgrat kommunaler wirtschaftlicher und sozialer Strukturen. Immerhin sichert die gute und multimodale Erreichbarkeit von Zielen in einer Region ihre Attraktivität als Lebensraum und Wirtschaftsstandort. Folglich zahlen sich Investition in moderne Verkehrskonzepte sowie ihre Förderung in Zukunft mehrfach aus: Für die Umwelt, die weniger durch schädliche Emissionen belastet wird, sowie für die Menschen einer Region, denen flexible Mobilität eine höhere Lebensqualität sowie Zeitersparnis im Alltag bescheren kann.
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Text/Epikrepter