Ein interdisziplinĂ€res Forschungsteam der UniversitĂ€tsmedizin Magdeburg gewinnt neue Erkenntnisse, wie entzĂŒndliche Botenstoffe der Infektabwehr Krebszellen aus der Ferne in den Tod treiben können â ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung von Krebs-Immuntherapien.
Magdeburg. Moderne Immuntherapien aktivieren die körpereigene Abwehr gegen Krebs. Dabei werden Krebszellen gezielt von T-Killerzellen des Immunsystems erkannt und zerstört. Bei einem groĂen Teil der Patientinnen und Patienten verĂ€ndern sich die bösartigen Zellen jedoch so, dass sie genau fĂŒr diese Erkennung unsichtbar werden und die Behandlung nicht mehr wirkt. Forschende der Otto-von-Guericke-UniversitĂ€t Magdeburg haben jetzt einen neuen Mechanismus entdeckt, mit dessen Hilfe das Immunsystem auch solche unsichtbaren Krebszellen eliminieren kann. Diese Erkenntnisse eröffnen neue Möglichkeiten fĂŒr die Entwicklung verbesserter Krebs-Immuntherapien. Die Ergebnisse sind nun im renommierten Fachjournal âNature“ erschienen.
âIn unseren Arbeiten haben wir nach Strategien gesucht, wie wir auch solche, fĂŒr T-Killerzellen âunsichtbaren‘ Krebszellen bekĂ€mpfen können. Dabei sind wir auf die besonderen FĂ€higkeiten der so genannten T-Helferzellen gestoĂen“, sagt Prof. Dr. Thomas TĂŒting, Direktor der UniversitĂ€tshautklinik am UniversitĂ€tsklinikum Magdeburg und Leiter der Studie.
Wenige T-Helferzellen sind wirksamer als viele T-Killerzellen
In einem experimentellen Krebsmodell haben die Forscher zunĂ€chst die erstaunliche Beobachtung gemacht, dass wenige T-Helferzellen bereits etablierte GeschwĂŒre genauso wirksam abwehren können, wie eine viel gröĂere Anzahl von T-Killerzellen. Die T-Helferzellen waren dabei auch in der Lage, Krebszellen zu eliminieren, die fĂŒr T-Killerzellen unsichtbar geworden sind.
Neueste Methoden der direkten mikroskopischen Untersuchung von Abwehrzellen im lebenden Krebsgewebe zeigten dabei, dass sich T-Helferzellen grundsĂ€tzlich anders verhalten als T-Killerzellen: âT-Killerzellen dringen in das Krebsgewebe ein und interagieren direkt mit Krebszellen, wĂ€hrend T-Helferzellen vorwiegend am Rand des Krebsgewebes zu finden sind, wo sie Signale mit anderen Immunzellen austauschen“, sagt Prof. Dr. Andreas MĂŒller vom Institut fĂŒr Molekulare und Klinische Immunologie der UniversitĂ€t Magdeburg.
T-Helferzellen engagieren Fresszellen und treiben Krebszellen durch Botenstoffe der Infektabwehr aus der Ferne in den Tod
Weitere Untersuchungen ergaben, dass T-Helferzellen durch ihre Botenstoffe Fresszellen des Immunsystems anlocken und sie dazu bringen, in ihrem Auftrag die Zerstörung der Krebszellen zu unterstĂŒtzen. Gemeinsam können diese beiden Zelltypen bakterielle und virale Infektionen wirksam bekĂ€mpfen. Ihre Zusammenarbeit kann auch genutzt werden, um das gesamte Arsenal der Immunabwehr gegen Krebszellen zu mobilisieren.
Auf der Suche nach den zugrundeliegenden Wirkmechanismen fand das Forschungsteam heraus, dass T-Helfer- und Fresszellen sich gegenseitig in ihrer Wirksamkeit verstĂ€rken können. Dabei schĂŒtten sie entzĂŒndliche Botenstoffe aus, die Krebszellen aus der Ferne in den Tod treiben können, so als wĂ€ren sie von Krankheitserregern befallen. Wie dies genau geschieht, ist bislang nur unvollstĂ€ndig aufgeklĂ€rt und die Bedeutung dieses Mechanismus fĂŒr Krebs-Immuntherapien noch nicht hinreichend verstanden.
Aussicht auf neue Wege fĂŒr eine bessere Krebs-Immuntherapie
Die Forschungsergebnisse zeigen nun, wie ein Mechanismus der Immunabwehr, der eigentlich die Ausbreitung von Krankheitserregern im Körper verhindert, dazu eingesetzt wird, um Krebszellen zu zerstören. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wollen die Forscher:innen in Magdeburg neue Strategien der Krebs-Immuntherapie entwickeln, die auch bei Patienten wirken, bei denen KrebsgeschwĂŒre fĂŒr T-Killerzellen unsichtbar geworden sind.
In ihrem Forschungsprojekt kooperierten die Magdeburger Wissenschaftler mit Arbeitsgruppen an den UniversitĂ€ten WĂŒrzburg, Köln, Duisburg-Essen, Leuven (Belgien), Uppsala (Schweden) sowie im Helmholtz-Zentrum fĂŒr Infektionsforschung in Braunschweig. Gefördert wurden die Arbeiten unter anderem durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, den EuropĂ€ische Forschungsrat, die Deutsche Krebshilfe und die Else-Kröner-Fresenius-Stiftung.
Titelfoto: Autorenteam (v.l.): Bastian Kruse, Prof. Dr. Andreas MĂŒller, Prof. Dr. Thomas TĂŒting, Dr. Anthony Buzzai. Fotografin: Sarah Kossmann/UniversitĂ€tsmedizin Madgeburg
Foto 2: Immunzell-Interaktionen im Krebsgewebe: Mikroskopische Aufnahme von T-Helferzellen (grĂŒn) und Fresszellen (orange), die Krebszellen (als blaue Umrisse dargestellt) bekĂ€mpfen. Die nun in Nature publizierte Arbeit zeigt, dass der Kontakt zwischen T-Helferzellen und Fresszellen entscheidend fĂŒr eine volle Aktivierung der Krebsimmunabwehr ist. Als Ergebnis dieser Aktivierung werden entzĂŒndliche Botenstoffe ausgeschĂŒttet, die Krebszellen auch aus der Distanz in den Tod treiben können.

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Foto 3: Immunzell-Einwanderung im Krebsgewebe: Mikroskopische Aufnahme von T-Helferzellen (tĂŒrkis) und T-Killerzellen (rot), die Krebszellen (als blaue Umrisse dargestellt) bekĂ€mpfen. T-Killerzellen mĂŒssen fĂŒr eine effektive Krebsimmunabwehr in groĂer Zahl in das Krebsgewebe einwandern. Die nun in Nature publizierte Arbeit zeigt, dass im Unterschied dazu T-Helferzellen am Rand des Krebsgewebes bleiben und die bösartiger Zellen aus der Distanz in den Tod treiben. DafĂŒr sind viel weniger T-Helferzellen als T-Killerzellen nötig.

Beide Aufnahmen wurden mit der intravitalen 2-Photonenmikroskopie hergestellt, mit der das Verhalten der Immunzellen im lebenden Gewebe beobachtet werden kann.
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